Klassiker der Luftfahrt 2022-01 Flipbook PDF


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F-4E Phantom im Detail   |   Kalender 2022  |   Irrflug hinter den Eisernen Vorhang der Luftfahrt

der Luftfahrt

Das Magazin für Luftfahrtgeschichte

Monocoupe 38 Special

Verhinderte Wunderwaffe

01 | 2022

Stieglitz in Südamerika

HTSWEIHNAC ANGEBOT

als 2 Prämien ön Dankesch

KG 26: Farbfotos aus dem Mittelmeerraum

Flugzeugbewaffnung Die ersten Jäger

Deutschland 6,50 €

Beuteflugzeuge Kleintransporter im Einsatz

Österreich € 7,20 • Schweiz sfr 11,00 Belgien € 7,40 • Luxemburg € 7,40 Niederlande € 7,40

AirshowSensation

Piloten landen hier

www.aerokurier.de

Jetzt im Handel

Editorial

Selten, seltsam und vermisst 143. Ausgabe 1 | 2022

Flugzeuge in diesem Heft

Douglas A-26 Invader SIAI-Marchetti 260 Junkers Ju 88 Heinkel He 111 Siebel Si 204 Focke-Wulf Fw 44 McDonnell F-4  Monocoupe Special Bachem Natter Dornier Do 22

6 12 20 24 26 32 40 46 62 74

So auch auf den folgenden Seiten dieses Hefts. Beginnend mit einer großen Reportage über ein sehr bekanntes Vater-Sohn-Duo, das seit Jahren die Besucher von Airshows in Europa begeistert. Ralf Niebergall und sein Sohn Nico lieferten in den vergangenen Jahren immer eine einmalige Show mit einer echten SIAI-Marchetti SF-260 und einem großen RC-Modell. Diese Zeit ist nun vorbei, denn Nico hat die Fernsteuerung gegen den Steuerknüppel seiner eigenen, frisch restaurierten SF-260 getauscht. Wir haben die beiden Piloten zum exklusiven Interview und Fotoflug über den Wolken getroffen. Im zweiten Teil der Geschichte über Gustav Paustian ist das KG 26 im Mittelmeerraum. Paustian hatte natürlich wieder seine Kamera dabei, ausgestattet mit den damals noch seltenen Farbfilmen. Die Aufnahmen geben einen seltenen Einblick in die Welt des Kampfgeschwaders und Fotos: Moose Peterson, Lars Reinhold

die Einsatzgebiete. Sportlich wird es mit der oben gezeigten kleinen 38 Monocoupe Special, die eine bewegte Rennhistorie bei den amerikanischen Lufttreffen der 1930er Jahre hat und bis heute seine Besitzer und Piloten begeistert. Spannend ist die Geschichte zweier Republic F-84 der Luftwaffe, die sich 1959 wegen eines Fehlers hinter den Eisernen Vorhang verirrten und verloren gingen. Wie es für die beiden unglücklichen Piloten ausging, erfahren Sie auf den Seiten 44 und 45. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein gesegnetes Weihnachtsfest, besinnliche Feier- und Ferientage und einen guten Start in das Jahr 2022, in dem es hoffentlich weiter bergauf geht. Bleiben Sie gesund. Philipp Prinzing, Geschäftsführender Redakteur

Klassiker der Luftfahrt | 1/2022

W

illkommen in einem neuen Jahrgang des Klassikers der Luftfahrt. Sie halten die erste Ausgabe des Jahres 2022 in den Händen. Hinter der Redaktion liegen weitere zwölf Monate mit bisher nicht da gewesenen Herausforderungen: Keine Airshow, nur wenige kleine Veranstaltungen, geschlossene Ausstellungen und Archive und abgesagte Termine, doch wir haben uns nicht entmutigen lassen und freuen uns mit Ihnen, liebe Leser, in unser 23. Erscheinungsjahr zu starten. Mit einigen Veränderungen wird der Klassiker der Luftfahrt weiterhin in der gewohnten Qualität erscheinen und Ihnen die ganze Welt der historischen Luftfahrt liefern.

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Inhalt 1/2022 Flugzeugreport FW 44 IN SÜDAMERIKA Durch die Vergabe von Lizenzen kamen einige deutsche Schulflugzeuge Fw 44 Stieglitz nach Südamerika. TRANSPORTER IM OSTEN Neben den begehrten Junkers Ju 52 erbeutete die Rote Armee auch kleine Transporter. Die Nutzung im rauen Klima war jedoch schwierig. BACHEM NATTER Gegen hochfliegende Bomber sollte die Natter eingesetzt werden. Doch bereits die Erprobungsphase verlief tödlich.

VATER UND SOHN NIEBERGALL Mit zwei identischen SIAI Marchettis SF 260 mischen Ralf und Nico Niebergall zukünftig in der Airshow-Szene mit.

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FLUGZEUGBEWAFFNUNG Mit anfangs noch sehr einfachen Mitteln bewaffneten die Piloten ihre Flugzeuge, doch mit Beginn des Ersten Weltkriegs ging die Entwicklung schnell voran.

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Klassiker der Luftfahrt | 1/2022

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MONOCOUPE Heute sind die kleinen Renner aus den 1930ern nur noch selten zu sehen, doch in den USA kommen immer mehr Monocoupes zurück in die Luft.

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62 Rückblick

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FARBFOTOS DES KG 26 Im zweiten Teil zum KG 26 nimmt uns Gustav Paustian mit seinen Farbauf­nahmen mit in den Mittelmeerraum.

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EINSATZBERICHT Durch einen Navigationsfehler verirrten sich zwei deutsche Luftwaffenpiloten hinter den Eisernen Vorhang. 

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56 Rubriken

Szene QUAX-MITTEILUNG Deutschlands größter Verein für den Erhalt von historischem Fluggerät berichtet in jeder Ausgabe über aktuelle Geschehnisse im Vereinsleben.

FLIEGENDES MUSEUM Nach dem Schock des Endes der Sammlung in Großenhain findet ein Teil der Exponate eine neue Heimat bei München.

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Technik PHANTOM-RÖNTGENZEICHNUNG Bis heute übt die F-4 Phantom eine große Anziehung aus. In der Röntgenzeichnung wird jedes Detail enthüllt.

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BEUTE-TRANSPORTER

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MONOCOUPE SPECIAL

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FW 44 IN SÜDAMERIKA

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NEUIGKEITEN 6 LESERBRIEFE10 MUSEUM  68 MARKT  72 GALERIE  74 MODELLE UND BÜCHER  80 TERMINE  81 IMPRESSUM81 VORSCHAU  82

Noch mehr spannende Inhalte auf www.Klassiker-der-Luftfahrt.de

EINSATZBERICHT

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Das komplette Heft gibt es auch als E-Paper. Mehr Infos: www.Klassikerder-Luftfahrt.de/epaper

Fotos: Aviation Calendar, Archiv FLUG REVUE, Archiv Kotelnikow, Archiv Rivas, KL-Dokumentation, Sammlung Mückler, Lucio Perinotto, Moose Peterson, Daniel Petz

Titelfotos: Archiv FLUG REVUE, Archiv Rivas, Archiv Steenbeck, Moose Peterson, Philipp Prinzing

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FLUGZEUGBEWAFFNUNG

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LUFTFAHRTKALENDER 2022 

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MUSEUM IN UNGARN

68

MCDONNELL F-4E PHANTOM

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DORNIER DO 22

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Neuigkeiten

Eine besondere Invader fliegt

Eine ganz normale Douglas A-26 Invader ist schon ein Highlight in Europa. Wenn man dann sogar eine seltene On Mark Marketeer in der Luft sieht, ist das etwas ganz Besonderes. Dies konnte man Ende September in Bremgarten erleben, als die N500MR der Tina Fly GmbH erstmals wieder in der Luft war. Vorausgegangen war eine 22 000 Stunden dauernde Überholung der Maschine. Die N500MR wurde im Jahr 2019 von der Tina Fly GmbH mit Sitz in Eschbach erworben und einen Monat später zum Flugplatz Bremgarten (EDTG) überführt. Martina Paul, welche die kaufmännische Leitung der

Tina Fly GmbH innehat, koordinierte die nun folgenden Restaurierungsarbeiten, Fluggerätmechaniker Felix Ohlhoff und Jiri Fliger übernahmen die Projektverantwortung. Das Flugzeug wurde komplett entlackt, um Schäden an Rumpf- und Tragwerk optimal prüfen zu können. Die elektrische Anlage nebst Avionik wurde überholt, auch wurde der komplette Innenausbau mit feinsten Materialien neu gestaltet. Mit im Boot war JF Aircraft Services; Jiri Fliger und sein Team zeichneten verantwortlich für die komplette Erneuerung der Avionik, Cockpitausstattung und Steuerungselemente.

Roll-out für Fotografen

Klassiker der Luftfahrt | 1/2022

Das RAF-Museum in Cosford, Großbritannien, bietet für interessierte Fotografen am 26. und 27. November eine ganz besondere Möglichkeit. Für ein Nacht-Shooting werden verschiedene Exponate des Test-Flight-Hangars mit LED-Scheinwerfern in Szene gesetzt. Dafür werden die British-Aerospace-Experimental-Aircraft-Programme EAP (Foto) und SEPECAT Jaguar ACT Demonstrator sowie die Saunders-Roe SR 53 außerhalb des Hangars einzeln, ohne störendes Beiwerk, positioniert, was einmalige Fotogelegenheiten bietet. Teilnehmer, die über 16 Jahre alt sein müssen, können sich für 40 Pfund direkt im Museum ein Ticket kaufen oder auf der Webseite des Royal Air Force Museum Cosford Tickets buchen. Die Chance, diese seltenen Prototypen zu fotografieren, wird so nicht wiederkommen, und daher lohnt sich vielleicht sogar die Anreise aus Deutschland.

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Ticker-Meldungen Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in BerlinGatow (MHM Gatow) erhielt im September 2021 den Prototyp der unbewaffneten Aufklärungsdrohne Northrop Grumman RQ-4E Euro Hawk. Das Projekt begann 2001 und wurde 2013 wieder gestoppt. Die Drohne wird zunächst im Depot des Museums unter­ gebracht und dort bei geführten Rundgängen den Besucherinnen und Besuchern präsentiert werden. Langfristig ist die Einbringung in eine neue Dauerausstellung geplant. Für die feste Ausstellung ist jedoch noch kein Termin bekannt.

Denkmal enthüllt In Almere, Niederlande, erinnert seit Kurzem das Denkmal „Rise“ an die Besatzung der Stirling BK716, die 2020 aus dem Markermeer geborgen wurde. Ihre Königliche Hoheit, Prinzessin Margriet der Niederlande, und der Bürgermeister von Almere, Franc Weerwind, enthüllten die Statue am 12. Oktober 2021 in Anwesenheit von 21 Verwandten der Besatzungsmitglieder. Unter den Gästen waren auch die Botschafter des Vereinigten Königreichs und Kanadas, der Militärattaché Kanadas in den Niederlanden sowie viele niederländische Veteranen aus verschiedenen Konflikten. Die britische Künstlerin Laura O’Neill verwendete einen der ursprünglichen BristolMotoren der Stirling als Grundlage für ihr Kunstwerk.

MiG-21 auf der Ranch

Am Haupteingang des Flugplatzes „Flugservice Sömmerda-Flying Ranch“ steht seit Anfang Oktober 2021 eine frisch lackierte MiG-21 und begrüßt die Besucher. Vorausgegangen war eine optische Überarbeitung, die im Frühjahr desselben Jahres begonnen worden war. Angetrieben, organisiert und umgesetzt wurde das Projekt von Frank Deutschland zusammen mit Paul Rücknagel, Ronny Möller, Moritz Borstell und Siggi Nägler. Die MiG wurde 1969 im JG-9 in Peenemünde in Dienst gestellt und flog bis 1974. Durch eine harte Landung und einen daraus resultierenden Schaden hatte die Maschine nur noch Bodendienst. 1994 wurde sie vom Flugservice Sömmerda-Flying Ranch überführt und am Flugplatz Sömmerda abgestellt.

Auf dem Stockholmer Flughafen Arlanda trotzt seit 47 Jahren eine Sud Aviation Caravelle dem nordischen Wetter. Der Zahn der Zeit nagt stark an dem eleganten Jet, doch nun erhält er eine neue Aufgabe: Der finnische Flughafen Turku will die Caravelle vor dem Fallbeil bewahren und sie für das neue Terminal restaurieren.

Do geht in Rente

EINEN ETWAS ANDEREN PRIVATJET KANN MAN DERZEIT BEI PLATINUM FIGHTER SALES KAUFEN. BEI DEM US-BROKER GIBT ES EINEN VOLL ZUGELASSENEN LOCKHEED F-104 STARFIGHTER ALS DOPPELSITZER. RUND 850 000 US-DOLLAR SOLL ER KOSTEN, SO VIEL WIE EINE BRANDNEUE CIRRUS.

Die Berlin Airlift Historical Foundation hat wieder eine Douglas C-54 in der Lackierung der „Spirit of Freedom“. Nachdem die erste C-54 der Foundation bei einem Tornado im April 2020 schwer beschädigt wurde, suchte die Foundation nach einem Ersatz und wurde in Florida fündig. Diese neue C-54 wurde nun in den Farben der bisherigen Maschine lackiert und wird bald wieder abheben. Fotos: Patrick Dirksen, Mathias Dorst, Frank Deutschland, MHM Gatow/Heldenmaier, RAF Museum, Flugwerft Schleißheim

Das Forschungsflugzeug „D-IBUF“ der Technischen Universität Braunschweig, eine Do 128-6 Turbo Skyservant, ist am 17. Oktober 2021 im Deutschen Museum in Schleißheim angekommen. Bei ihrem letzten Flug war auch Peter Hecker an Bord der Maschine. Dem Leiter des Instituts für Flugführung der TU Braunschweig fiel der Abschied von „seiner“ Do 128 sichtlich schwer: „Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn man ein solches Flugzeug nach einer so langen Zeit aus der Hand gibt – aber wir glauben, dass die IBUF hier in der Flugwerft sehr gut aufgehoben ist.“

Ein ungewöhnliches Kunstwerk findet man in Eschenried bei München. Das Wrack einer Lockheed T-33A ist der Hauptbestandteil eines Mahnmals „vor menschlichen Allmachtsfantasien und der Faszination von Gewalt“. Ein aus Aluminium gegossener Pilot im Cockpit komplettiert die Skulptur von Bernd Schmidt-Pfeil († 2020), welche die Namen „Crash“ oder „Absturz eines Jagdbombers“

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Meisterstück abgeliefert Dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, zeigt diese Piper Super Cub (PA-18-135). Wout van der Meulen hat mit ihrer Restaurierung ein echtes Meisterstück abgeliefert und macht seinen Vater, den bekannten holländischen Mustang-Piloten Tom van der Meulen, stolz. Vater Tom kaufte in den 1970er-Jahren die PH-TOK direkt von der Luftwaffe und betrieb sie fast 30 Jahre lang in seinem Bannerschlepp- und Erntesprühgeschäft, bevor er sie zehn Jahre lang auf dem Dachboden einlagerte. Danach nahm Wout sie sich vor und begann, die Cub in den Zustand zu versetzen, in dem sie sich 1954 befand, als sie in den aktiven Dienst der Luftwaffe aufgenommen wurde. Die Königlich Niederländische Luftwaffe kaufte einige Piper L-21B, um ihre Auster-Mk.3-Flotte in den frühen 1950er-Jahren zu ersetzen. Wouts PH-TOK war eine von jenen Cubs, die 1954 in Lock Haven gebaut wurde. Sie trat mit der Bordnummer R-114 und der Seriennummer 18-3604 in die Flotte der niederländischen Luftwaffe ein. R-114 wurde als Basistrainer und später auch als Aufklärer und Verbindungsflugzeug eingesetzt und operierte von den Watteninseln sowie der Veluwe mit ihren vielen Schießständen rund um den Luftwaffenstützpunkt Deelen. Nun wird Wout sie erst mal fliegen, bevor er sich ein neues Projekt vornimmt.

Produktiver Sommer

Die für den Italiener Claudio Coltri bestimmte Curtiss P-40E Warhawk wird in Neuseeland bei Pioneer Aero Ltd. zu ihrem Erstflug starten. Vorausgegangen war eine sechs Jahre dauernde Restaurierung des Jägers. Laut Berichten soll die Curtiss erst in Deutschland für die europäische Zulassung vorbereitet werden, bevor die Maschine nach Italien kommen wird.

Im Newark Air Museum tut sich immer etwas. Neben der Überarbeitung der ausgestellten English Electric Canberra T. 19 (WH904) sind auch die Restaurierungsarbeiten an der seltenen Monospar VH-UTH im Hangar 1 endlich abgeschlossen. Sie ist nun vollständig zusammengebaut und alle Flächen, Ruder und Anbauteile sind an Ort und Stelle. Die letzten Detailarbeiten im Cockpit und in der Kabine sind ebenfalls beendet. Dazu gehört auch eine vollständig neue Inneneinrichtung samt neuen Vorhängen.

Das Deutsche Museum in München hat eine Airbus-A320-Bugsektion erhalten, die neben dem historischen Cockpit einer Boeing 707 die Fortschritte in der Luftfahrt dokumentiert. Das Cockpit kam per Tieflader aus dem spanischen Teruel, einem großen Flugplatz, an dem überzählige Airliner abgestellt und aus­geschlachtet werden. Zu sehen sein wird das neue Exponat ab Ende 2021.

Auf dem ungarischen Flugplatz Budaörs arbeitet eine Gruppe von Freiwilligen an einer seit 40 Jahren im Freien abgestellten MiG-21F-13. Bisher wurden der Schmutz der letzten Jahrzehnte entfernt sowie einige fehlende Teile organisiert und ersetzt. Laut Projektleiter Gabor Szekeres fehlen leider immer noch etliche Teile, die in den nächsten Monaten beschafft werden sollen. Die Freiwilligen haben auch herausgefunden, wie die originale Lackierung aussah. Sie soll wieder auf den Rumpf aufgebracht werden.

LEGENDÄRE

KAMPFMASCHINEN

Belgische Sea King für Großbritannien Historic Helicopters in Großbritannien wird bald zwei von Belgiens Luftwaffe ausgemusterte Westland-Sea-King-Mk.-48-Hubschrauber in ihren Bestand aufnehmen können. Die Erste der beiden hat nach ungefähr drei Jahren Stillstand bereits einen erfolgreichen Testflug gemacht. Die zwei Sea Kings wurden in der Vergangenheit als RS02 und der RS04 bezeichnet und waren viele Jahre lang im SAR- und Transporteinsatz. Sie waren wie die ganze belgische Sea-King-Flotte bei der 40 Squadron auf dem Fliegerhorst Koksijde an der westflämischen Küste stationiert. Dort flog auch schon das SAR-Vorgängermodell, die von Sud-Aviation in Lizenz gebaute Sikorsky HSS-1 Sea Bat (S-58). Historic Helicopters betreibt bereits einen flugtauglichen gelben RAF-SAR-Hubschrauber vom Typ Westland Whirlwind HAR.10.

Einer der letzten echten »Düsenjäger«: Die brachial aussehende F-4 Phantom stand bei Dutzenden von Streitkräften im Einsatz. Ein Bild- und Technikband mit allen Details zu dieser KampfflugzeugLegende! 240 Seiten, 200 Abb., 30,5 x 24 cm c 29,90 | ISBN 978-3-613-04393-0

Mystère

Duxford bebt Am letzten September-Wochenende bebte in Duxford erstmals seit zwei Jahren wieder richtig die Luft. Das Imperial War Museum konnte seine „Battle of Britain“ Air Show abhalten. Highlight war dabei der Big-Wing-Überflug. Die Großformation bestand aus elf Supermarine Spitfire und vier Hawker Hurricane. Ein Anblick, den man seit der Trennung von der Flying Legends Show schmerzlich vermisst hat.

Auch im Außenbereich des Newark Air Museum werden die Exponate nach und nach grundlegend überholt. Über den Sommer wurde auch die Dassault Mystère mit der Seriennummer 83 der französischen Luftwaffe von den freiwilligen Mitarbeitern des Museums wieder in einen vorzeigbaren Zustand gebracht. Die Maschine wurde gründlich gereinigt, außerdem wurden die die Jahre gekommenen Lackierung aufgefrischt und eine Konservierung vorgenommen.

In den Nachmittagsstunden des 8. Oktober 2021 kam es auf der Mündungtricher Westerschelde (südlichster niederländische Meeresarm) zur Notwasserung der Stampe SV-4B G-AIYG. Nach einem Motorausfall landete der 77-jährige Pilot auf der Wasseroberfläche. Er blieb dabei unverletzt. Die Bergung dauerte bis in die Nacht, und die erste Begutachtung bestätigt, dass der Doppeldecker wohl komplett abgeschrieben werden muss. Fotos: Erik Brouwer, Dennis Calvert, Newark Air Museum (2), René L Uijthoven

Der martialische AH-64 Apache – ein schwerer Kampfhubschrauber, der neue Maßstäbe setzte und bis heute als eines der leistungsfähigsten Muster gilt. Christian Rastätter liefert mit seinem Insider-Wissen das Buch zum beeindruckenden Hubschrauber. 224 Seiten, 200 Abb., 23 x 26,5 cm c 29,90 | ISBN 978-3-613-04390-9

Das geheimnisumwitterte Mistel-Konzept: Mit Fokus auf den deutschen Entwicklungen des Zweiten Weltkrieges bietet dieser einmalige Band detailgetreue Informationen und unglaubliches Bild- und Grafikmaterial. 256 Seiten, 320 Abb., 23 x 26,5 cm c 39,90 | ISBN 978-3-613-04395-4

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Fotos: Sammlung Scheer

Leserbriefe

Autor René Scheer hat zu seinem Einsatzbericht in Klassiker der Luftfahrt 8/2021 diese beiden Bilder der Unglücksmaschine ergänzt.

Klassiker der Luftfahrt 8/2022

Dem Inferno entkommen Für den im letzten Heft (8/21) von mir veröffentlichten Gefechtsbericht möchte ich den Lesern gern noch zwei Aufnahmen der Maschine nachreichen. Das erste Foto zeigt die Maschine F1+HT nach der Landung in Vogelsang. Die Druckwelle der Explosion und die herumfliegenden Trümmer hinterließen irreparable Schäden. Auf der zweiten Aufnahme erkennt man hervorragend die Beschädigungen im Cockpit. Zum Teil wurden sogar die Instrumente durch die Explosion herausgerissen. Unglaublich, dass es dem Flugzeugführer gelang, die derart zerstörte Do 17 glatt zu landen. René Scheer, via E-Mail

Klassiker der Luftfahrt

Klassiker der Luftfahrt | 1/2022

Hilfe bei der Suche

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Im britischen Nationalarchiv in Kew (Richmond) fand ich in den Abhörprotokollen HW5 (CX/MSS/T369/61) einen Vorgang, der mir zwar bekannt war, aber er enthielt auch Neuigkeiten bezüglich Namen sowie Start- und Landezeiten. Bekannt war bislang (durch die namentliche Verlustmeldung im Bundesarchiv Berlin belegt) Folgendes: „Um 12:50 Uhr startet Stabsfeldwebel Hans Zander, 4./KG 51, in der Me 262 A-2a (9K + IM; Werk-Nr. 500 009) mit der Alarmrotte in Schwäbisch Hall zur Tieffliegerbekämpfung südlich des Platzes. Bei Zimmerbach, 6,7 km

nördlich von Schwäbisch Gmünd und 27,5 km südlich Schwäbisch Hall, wird er von sechs feindlichen Jägern angegriffen. Während er sich mit einem Sturz durch die Wolken den Angriffen von „Mustangs“ entziehen will, wird er durch Lt. Harry L. Edwards, 486th Fighter Squadron; 352nd Fighter Group, der die P-51D-5-NA (PZ-E; 44-13944) fliegt, um 12:52 Uhr wirksam beschossen (Treffer im Steuerbordtriebwerk und der Fahrwerksverkleidung). Stfw. Zander versucht offensichtlich eine Notlandung, wird dabei jedoch getötet. Die Maschine wird zu 98 % beschädigt. Stfw. Hans Zander wird am 14.12.44 eingeäschert und die Urne nach Plaue/Havel überführt.“ (Siehe auch Jan Horn „Das Flurschaden-Geschwader“.) Neu in den britischen Unterlagen ist aber, dass Zander als Alarmrotte mit Fw. Herbert Bendsen um 11:25 Uhr (und nicht 12:50 Uhr) in Schwäbisch Hall zur Tieffliegerbekämpfung gestartet war und dass Herbert Bendsen um 12:20 Uhr ohne Feindberührung wieder gelandet war. Die Abschusszeit von Zander wird mit 12:02 Uhr angegeben. 1.) Ist jemand der Name Herbert Bendsen bekannt bzw. hatte jemand mit ihm nach dem Kriege Kontakt? Bendsen hatte folgende Auszeichnungen: Frontflugspange in Bronze, Silber und Gold, EK II und I sowie Deutsches Kreuz in Gold. 2.) Sind weitere Rotteneinsätze der 4./KG 51 gegen Tiefflieger im Dezember 1944 von SWH aus bekannt? 3.) Kennt jemand weitere Namen von Flugzeugführern der 4./KG 51 aus der Me-262-Zeit?

4.) Da Bendsen den Krieg überlebt hatte, ist jemandem bekannt geworden, ob sein Flugbuch erhalten geblieben ist? Kontaktaufnahme bitte per Email an folgende Adresse: [email protected] Jan Horn, via E-Mail

Klassiker der Luftfahrt 8/2021

Elektrisierende Bilder Mit großer Freude habe ich den Bericht über die Lockheed Electra erwartet und wurde nicht enttäuscht. Danke für diese tollen Bilder und den dazugehörenden Text. Ich war froh, dass über diese seltene Maschine berichtet wird, da ich sie im Sommer live auf der Bienenfarm am Boden und in der Luft bewundern durfte. Mit meiner kleinen Kamera habe ich dabei etliche Erinnerungsfotos geschossen. Ich muss aber auch etwas Kritik loswerden, denn die Einsatzberichte sind mir doch immer etwas zu düster und militärisch. Solche Berichte passen doch vielleicht besser in ein Soldatenheft, ich würde gerne einfach noch mehr der tollen Fotografien sehen. Machen Sie weiter so. Günther Korp, 09496 Pockau-Lengefeld

Die in Leserbriefen geäußerte Meinung muss nicht mit der Redaktionsmeinung übereinstimmen. Wir behalten uns die Kürzung von Leserbriefen aus redaktionellen Gründen vor.

Liebe Leser, liebe Mitglieder, liebe Freunde, die verkürzte Saison 2021 liegt hinter uns – und im Frühjahr sah es nach dem ausgefallenem Ausmotten und den Hangartagen noch nicht danach aus, dass sie so erfolgreich werden könnte. Vor allen Dingen bei den großen Events in Bienenfarm konnten wir zahlreiche Besucher begeistern und unsere Passion präsentieren. Nicht zuletzt konnten auch wir Vereinsmitglieder uns endlich wieder austauschen, gemeinsam schrauben, fliegen und klönen. Wenn Sie diese Zeilen lesen, stehen bereits die traditionellen Schrauberwochenenden an und wir beginnen mit den Vorbereitungen für die kommende Saison. Nach zweijähri-

ger Pause finden auch in Paderborn wieder unsere Hangartage statt. So großartig die Fliegerei in Bienenfarm auch für alle Beteiligten ist, so vergessen wir natürlich auch nicht unser Zentrum im Westen mit dem regelmäßig geöffneten Glashangar, der im Aufbau befindlichen Junkers Ju 52 und der Zentrale unserer Technik-GmbH. Besonders freuen wir uns auf September 2022: Der Flugplatz Bienenfarm wird 30 Jahre alt und wir planen, dieses Jubiläum richtig groß zu feiern. Merken Sie sich schon mal den 16. – 18. September 2022 vor – es lohnt sich!

Peter Sparding, 1. Vorsitzender

Herbstfliegen im September

Fotos: Quax

14. – 15. Mai

Paderborn Hangartage

21. Mai

Bienenfarm Blaulichttreffen

10. – 12. Juni

Bienenfarm Ostblock Fly-In

1. – 3. Juli

Bienenfarm Stearman & Friends

16. – 18. Sept. Bienenfarm Flugtag „30 Jahre Bienenfarm“

Quax – Verein zur Förderung von historischem Fluggerät e.V. Quax-Hangar, Paderborn/Lippstadt Airport Flughafenstraße 33 33142 Büren Telefon: +49 2955 41798-24 www.quax-flieger.de [email protected]

Klassiker der Luftfahrt | 1/2022

Publikumstermine 2022

Aus der Corona-Not geboren haben wir unser Herbstfliegen als Ersatz für die ausge­ fallene Trainingswoche Ausmotten aus der Taufe gehoben. Was war das für ein schöner fliegerischer Saisonabschluss der Saison 2021. Rund 50 Quaxe trafen sich im September bei meist gutem Wetter in Bienenfarm und wir konnten die Flugsaison stilvoll beenden. Neben zahlreichen Einweisungsflügen zum Kennenlernen der unterschiedlichen Vereinsflugzeuge haben wir auch den ein oder anderen Ausflug zu benachbarten Flugplätzen absolviert. Während der Herbstfliegen-Woche haben wir auch das professionelle Fotoshooting für unseren beliebten Quax-Kalender in Angriff genommen. Rechtzeitig vor Weihnachten sollte Ihnen die Ausgabe 2022 zur Verfügung stehen.

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SZENE Vater und Sohn

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Niebergalls Neustart MIT IHRER FORMATION AUS SIAI-MARCHETTI SF-260 UND OPTISCH IDENTISCHEM, FERNGE­STEUERTEM FLUGMODELL IST DAS VATER-SOHN-DUO RALF UND NICO NIEBERGALL INTERNATIONAL BEKANNT GEWORDEN. JETZT FLIEGT NICO SEINE EIGENE SIAI MARCHETTI – UND DIE BEIDEN GEHEN AB SOFORT GEMEINSAM IN DIE LUFT.

Die SIAI von Vater Ralf verfügt über eine Rauchanlage, bei Nico fehlt sie derzeit noch.

Klassiker der Luftfahrt | 1/2022

Text: Patrick Holland-Moritz; Fotos: Philipp Prinzing

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Kurz vor dem Fotoflug werden am Boden die letzten Vorbereitungen getroffen. Nico checkt hier die Zusatztanks.

An dieser Stelle könnte ein Kapitel deutscher Airshow-Geschichte enden – wäre da nicht noch ein „one more thing“. Wer Ralf und Nico

Niebergall kennt, ahnt bereits, dass die beiden ganz bestimmt nicht ans Aufhören denken. Zu tief steckt das Fliegervirus in den beiden Piloten, zu groß ist ihre Leidenschaft für den italienischen Militärtrainer und zu sehr genießen sie das Rampenlicht im Airshow-Zirkus. Somit ist das Ende des Modellflugs die Geburtsstunde von etwas Neuem: Das „Formation Team Niebergall“ tourt ab sofort mit zwei SF-260 über die Flugtage, denn „Mister Marchettis“ bekannte D-EDUR hat Zuwachs bekommen. Mehrere Jahre Restaurierungsarbeit hat Sohn Nico in seine D-ENIC investiert, die mit dem erneuten Erstflug am 22. Juli 2021 in ihr zweites Leben startete. Die fliegerischen Voraussetzungen könnten kaum besser sein: Ralf Niebergall, Jahrgang 1967, ist seit 1987 Pilot mit 3600 Stunden in den Büchern, davon 3300 auf seiner ebenfalls 1967 gebauten SIAI-Marchetti. Nico, geboren 1994, hat seine Lizenz 2011 erworben und ist seitdem rund 600 Stunden auf der Marchetti des Vaters geflogen. Anfang Oktober treffe ich die beiden am Flughafen Siegerland, ihrem Trainingsareal. Trotz herbstlicher Temperaturen steht ihnen der Schweiß auf der Stirn und ein Lächeln ins Gesicht geschrieben. Mit ihrer Leistung sind sie zufrieden. Fast jede Figur sitzt, Abstände und Geschwindigkeiten passen. Nur kleinere Kritikpunkte kommen beim Debriefing zur Sprache. In der Pause ist Zeit, um uns über die Geschichte der D-ENIC und über die Pläne für die Zukunft zu unterhalten.

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E

ine Ära geht zu Ende: Die Formation aus manntragender SIAI-Marchetti SF-260 und einem Modell im Maßstab 1:2,5 gibt es nicht mehr. Seit 2010 haben Vater Ralf Niebergall – bekannt als „Mister Marchetti“ – und Sohn Nico eine weltweit einmalige Performance abgeliefert. Kein anderes Team verstand sich so virtuos auf das Zusammenspiel von Modell und echtem Flugzeug wie das Duo aus Neuwied. Ralf flog die „echte“ SF-260 mit der Kennung D-EDUR, Nico blieb am Boden und steuerte das Modell. Inzwischen ist Nico 27 Jahre alt und steht mit beiden Beinen fest im Berufsleben bei der Bundeswehr. Zeit, die Rolle des Juniorpartners abzulegen: „Es ist ein Unterschied, ob nach der Show ein 15-Jähriger oder ein 27-Jähriger auf der Fläche von Papas Flugzeug sitzt und dem Publikum winkt“, erklärt er seine Gründe fürs Aufhören. Fliegerisch haben die beiden alles erreicht. Auf Europas Top-Airshows sind sie gemeinsam mit Legenden wie der Patrouille Swiss oder den Frecce Tricolori aufgetreten, aber auch kleinere Flugtage haben sie gerne besucht. Im August haben sie das Modell nach zweijähriger Coronapause noch einmal entstaubt und auf dem Air Festival in Lommis in der Schweiz ihre Formation ein letztes Mal vor Publikum gezeigt.

Seit 2021 fliegt das Vater- und Sohn-Duo mit zwei fast identischen Maschinen.

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Führungswechsel: Nico übernimmt zukünftig die No.1-Position in der Formation.

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Fürs Foto über den Wolken führt Ralf Niebergall die Familien-Formation an.

SF-260 einst von seinem Vater Kurt übernommen, der sie 1980 vom belgischen Militär gekauft hatte – aus heutiger Sicht ein Glücksfall. Dass der Traum einer zweiten Marchetti jetzt doch wahr geworden ist, ist vor allem Nicos Einsatz zu verdanken. Die Geburtsstunde der zweiten Marchetti schlug 2013. Von der Flugwerft Biberach kaufte Ralf Niebergall ein im Jahr 2006 bei einer Außenlandung ramponiertes Exemplar mit Fahrwerksschaden. Zusätzlich ergatterte er einen Berg an Ersatzteilen einschließlich eines nagelneuen Sechszylinder-Motors. Ralf restaurierte in den folgenden Jahren einige Ersatzteile, um sie an seiner Marchetti zu verbauen. Aus seinem Plan, den Motor in seinem Flugzeug zu nutzen, wurde allerdings nichts: Für seine D-EDUR war der Lycoming IO-540-D4A5 nicht zugelassen – wohl aber für die verunfallte Marchetti, die einer anderen Baureihe angehört. Diese schlummerte noch immer im Dornröschenschlaf, bis Nico 2017 seine Chance witterte und sie seinem Vater abkaufte. Ob er sie jemals wieder in die Luft bekommen würde,

Klassiker der Luftfahrt | 1/2022

Den Traum von einer zweiten SIAI-Marchetti hatten die Niebergalls schon lange gehegt, nicht zuletzt inspiriert durch Walter und Toni Eichhorn. In ihnen hat Ralf seine fliegerischen Vorbilder gefunden: Mit Darbietungen auf Flugzeugen wie T-6, Extra und T-28 Trojan gehört das Vater-Sohn-Duo seit Jahrzehnten zu den Airshow-Legenden. Etwas Ähnliches mit Nico aufbauen? Das wäre perfekt! Auch für Nico war klar, dass er auf lange Sicht bei Airshows selbst im Cockpit sitzen möchte. Doch der Weg zum zweiten Flugzeug war steinig. Acht Jahre hat es von der Initialzündung bis zum Erstflug der zweiten SF260 gedauert. „Finanziell hätten wir ein zweites Flugzeug gar nicht darstellen können“, sagt Ralf. Gebrauchtflugzeuge sind selten und teuer, die Ersatzteilpreise gepfeffert. „Die Marchetti wurde überwiegend ans Militär geliefert. Von rund 850 gebauten Exemplaren sind heute viele defekt. Entsprechend klein ist das Angebot an Teilen und Flugzeugen. Unterstützung durch den Hersteller gibt es kaum“, weiß „Mister Marchetti“ aus leidvoller Erfahrung. „Ein gebrauchter Flügelspitzentank zum Beispiel kostet um die 30 000 Dollar.“ Ralf hatte seine

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stand damals noch in den Sternen. Nico ging das Risiko ein und machte sich an die Arbeit. Handwerkliches Geschick liegt in der Familie. Ralf ist technischer Berater für Werkzeuge der Marke Bahco und gleichzeitig Automobilprofi mit mehreren Meistertiteln. Nico arbeitet als Fluggerätemechaniker bei der Bundeswehr in der Maintenance von Tornados. Die Chancen, aus dem Trümmerhaufen eine zweite, funktionierende Marchetti zu zaubern, standen also nicht allzu schlecht. Ohne den Kauf weiterer Teile ging es allerdings nicht. So lag der neue Motor bereit, doch den passenden Propeller ließen sie beim amerikanischen Hersteller Hartzell eigens anfertigen. Nachdem die Vorarbeiten erledigt waren und die Planung konkreter wurde, ging es in der Werft der Gehling Flugtechnik in Stadtlohn weiter. Schließlich geht bei einem zertifizierten Flugzeug ohne Papiere und fachkundiges Personal kaum etwas. Dass sich die Niebergalls und Firmenchef Dieter Gehling seit vielen Jahren kennen, schaffte die Vertrauensbasis für das anspruchsvolle Projekt. Von Anfang an war Teamarbeit angesagt: Während Nico viele Arbeiten selbst erledigte, behielten die Profis die Aufsicht und koordinierten die Endmontage. „Das ganze Team hat Toparbeit geleistet“, lobt Nico. Dem Erstflug im Juli folgten quälend lange 35 Stunden mit striktem Kunstflugverbot – in die Einflugphase fiel auch der Ausflug zur erwähnten Airshow in Lommis, wo es einen Mix aus altem und neuem Programm zu sehen gab. Beide Marchettis flogen eine abgespeckte Formation, und auch das Modell kam ein letztes Mal vor Publikum zum Einsatz. Zwischenzeitlich hat sich Nico auf die D-ENIC eingegroovt und etliche Stunden im Kunst- und Formationsflug gesammelt. Jeder Flug ist dabei etwas Besonderes. „Eine eigene Marchetti zu haben, ist ein Traum. Ich kann es immer noch kaum glauben, wenn ich in Mendig in die Halle komme und sie dort steht“, sagt er. Besonders genießen die beiden Piloten die ruhigen Momente auf Überlandflügen. Dann bekommt die Vater-Sohn-Beziehung eine ganz neue Qualität: „Dein eigener Sohn sitzt ein paar Meter entfernt im anderen Flugzeug und fliegt in Formation. Das ist unbeschreiblich“, wird Ralf kurz sentimental. Ralf und Nico sind sich einig, dass das Zusammenspiel zweier Marchettis anspruchsvoller ist als das gewohnte Szenario mit Modell und echtem Flugzeug. Das erforderliche Know-how hat ihnen Gaeta-

Geschichte der SF-260 Geistiger Vater des Militärtrainers SF-260 ist der italienische Flugzeugkonstrukteur Stelio Frati. Der Erstflug des ursprünglich als F.250 bezeichneten Tiefdeckers in Metallbauweise erfolgte

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1964. Ziel war es, dem zwei- bis dreisitzigen Trainer ein jetähnli-

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ches Flugverhalten zu verleihen – entsprechend gibt es Ähnlichkeiten zu Fratis Strahlflugzeugen. Die Serienfertigung erfolgte bei SIAI-Marchetti, später bei Aermacchi und zuletzt bei Leonardo. Mehr als 850 Stück wurden gebaut, die meisten davon fürs Militär. Ralf Niebergalls D-EDUR mit der Werknummer 110 verließ 1967 das Werk und ist somit ebenso alt wie ihr Besitzer. 2007 sowie von 2019 bis 2021 wurde das Flugzeug überholt. Nicos D-ENIC ist Baujahr 1971 und trägt die Seriennummer 2-51.

Wie eine optische Täuschung wirken die beiden nahezu identischen Marchettis am Himmel.

no Barberi verpasst. Der Schweizer Trainer mit mehr als 22 000 Stunden Erfahrung in der militärischen und zivilen Luftfahrt war mehrere Tage im Siegerland zu Gast und hat die beiden gründlich eingenordet. Täglich fünf bis sechs Displays haben die Piloten an ihr Limit gebracht: „Als ich abends nach Hause kam, ging nichts mehr“, erinnert sich Nico. Während Modell und echte Marchetti in gebührendem Abstand fliegen, um so dem Zuschauer am Boden die Illusion zweier gleich großer Flugzeuge zu vermitteln, rücken sich Vater und Sohn jetzt eng auf die Pelle. Zwei bis fünf Meter liegen zwischen den Flügelspitzen. Mit 150 Knoten geht es in die Fassrolle, mit 180 Knoten wird der Looping eingeleitet. Möglichkeiten zur Korrektur gibt es bei einer einmal eingeleiteten Rolle nicht – stattdessen müssen Höhe, Geschwindigkeit, Rollrate und g-Belastung synchron koordiniert werden. Auch Wind, insbesondere Böen, müssen die Piloten in ihre Kalkulation einfließen lassen. „Man muss jede einzelne Sekunde zu hundert Prozent bei der Sache sein. Schon kleine Fehler können schlimme Folgen haben“, sagen die Piloten, die einander blind vertrauen. Die Rolle des Leaders hat Nico übernommen, Ralf bleibt als Wingman dran und hält den Abstand. Mit der SF-260 haben die beiden aus ihrer Sicht das ideale Instrument für ihr anspruchsvolles Programm zur Hand. Einst diente der Militärtrainer aus Italien der Grundausbildung, dem Waffentraining und war für die Schüler die Vorstufe zum Jet. Ob Reiseflug mit 160 und mehr Knoten oder Kunstflug – es gibt wenig, was der ab 1967 gebaute Militärtrainer nicht kann. Allerdings sind Rollrate und Ruderkräfte nicht mit denen eines reinrassigen Renners à la Extra zu ver-

gleichen, was das Programm durchaus anspruchsvoll macht. Mit 260 Pferdestärken sind die beiden Flugzeuge zwar gut motorisiert, im Kunstflug müssen die Piloten dennoch mit Power und Höhe haushalten. Trudeln muss mit Nachdruck ausgeleitet werden, sonst nimmt die Marchetti immer mehr Fahrt auf. Rückenflug ist angesichts der konventionellen Schmier- und Treibstoffsysteme nicht möglich. Rauchsysteme sorgen für den optischen Aha-Effekt.

Wie geht es weiter mit dem Modellflug? Privat wird Nico auch weiterhin den Controller in die Hand nehmen, aber sein Können nicht mehr vor großem Publikum präsentieren. „Irgendwann fehlt die Übung, um unser altes Programm noch einmal aufzulegen.“ Der Abschied vom alten Programm fällt den beiden nicht allzu schwer – zu groß ist die Vorfreude auf die kommenden Auftritte der neuen Vater-Sohn-Formation mit den beiden Marchettis.



Das neue Programm steht auf dem Zettel und sitzt dank vieler Trainingsflüge schon perfekt.

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Die Resonanz auf das neue Programm ist durchweg positiv und die Planungen für die nächste Saison laufen – unter anderem gibt es Gespräche über eine Teilnahme an der Airpower in Zeltweg am 2. und 3. September 2022. Das alles, betonen die beiden, ließe sich nicht ohne die Sponsoren stemmen, die in diesem Bericht Erwähnung finden dürfen: Bahco, Bose, Cloud Dancers, Fortis, Prinz, die Test Event Area (TEA) in Mendig und TotalEnergies.

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RÜCKBLICK  KG 26 in Farbe

Von den Fliegern Teil  2 zu den Mechanikern

Auf dem Flugplatz Catania war der Vulkan Ätna stets im Blickfeld der Flieger.

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HAUPTMANN GUSTAV PAUSTIAN HATTE AUCH NACH DEN EINSÄTZEN IN NORWEGEN UND DÄNEMARK DIE KAMERA MIT FARBFILMEN IM NEUEN EINSATZGEBIET DES KAMPFGESCHWADERS 76 DABEI. DIESMAL WURDE ES WÄRMER UND EXOTISCHER, DENN DAS KG 76 LAG NUN IM MITTELMEERRAUM. Text: Alexander Steenbeck Fotos: Archiv Steenbeck

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Porträt von Gustav Paustian (hier bereits Major).

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Der 1. Zug der 5. FBK des KG 26 hatte sich in einer Ecke des Flugplatzes Comiso eingerichtet – Sonnenstühle inklusive.

Auch in Comiso blieb das KG 26 von Bruchlandungen nicht verschont. Bei diesem Bruch einer He 111 der 5./KG 26 gab es für die Techniker ordentlich was zu tun.

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Etwas abseits der Stellplätze am Flugplatz Comiso waren Teile der 5. FBK in Holz­baracken untergebracht.

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Da Hallenstellplätze in Comiso knapp waren, wurden Wartungsarbeiten zwischen den Olivenhainen vorgenommen. Hier ein Probelauf der Motoren der He 111 „1H+LM“ im Frühjahr 1941.

Sightseeing durfte auch 1941 nicht fehlen. Beim Eselreiten ließ sich Gustav Paustian gemeinsam mit Einheimischen fotografieren.

I Zwei Techniker haben sich für ihre Pause eine Mine ausgesucht, die an eine der in Comiso abgestellten He 111 angehängt werden sollte.

nnerhalb kurzer Zeit einmal quer durch Europa: Das erlebte Hauptmann Gustav Paustian, Chef der 5. Flughafenbetriebskompanie (FBK) des Kampfgeschwaders (KG) 26, Ende 1940. Denn nachdem seine 5. FBK seit April 1940 in Dänemark und Norwegen für die Wartung und Munitionierung der He 111 der I. und II./KG 26 eingesetzt war, wurde diese TechnikerTruppe Mitte Dezember 1940 nach Italien in Marsch gesetzt – als Vorhut für die II. Gruppe, die ab Januar 1941 mit anderen Luftwaffenverbänden italienische Fliegereinheiten im Mittelmeerraum unterstützen sollte. Per Eisenbahntransport ging es für den Offizier und seine Männer nach Comiso auf Sizilien. Und auch auf diesem Kriegsschauplatz blieb

Auch Minen wurden unter der 111 montiert. Die für den Einsatz vorbereiteten Maschinen wurden in Comiso in Olivenhainen abgestellt – zum Ärger der Bauern.

Paustian Zeit für sein Hobby: die (Farb-)Fotografie. Seine Bilder spiegeln nicht nur den beschwerlichen Weg vom Norden in den Süden Europas wider, sondern auch das Leben der Luftwaffentechniker und der Einheimischen. Aber: Wurden die Deutschen bei der Durchfahrt in Italien auf den Bahnhöfen noch freudig begrüßt, änderte sich dies auf Sizilien. Das war im Grunde auch nicht verwunderlich: „Eine Nichtbelieferung durch die Geschäftswelt – selbst Besen, Feudel und Klopapier nicht – war auch wohl dadurch hervorgerufen worden, dass die Gruppe für die Schaffung von Flugzeugabstellplätzen in Olivenhainen am Platzrand Olivenbäume – wertvollster Besitz jeder Familie – hatte fällen lassen“, erinnerte sich Paustian. Erst ein deutscher Außenhandelsvertreter, der mit einer Sizilianerin verhei-

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AUF SIZILIEN STIESSEN DIE DEUTSCHEN AUF WIDERSTAND IN DER BEVÖLKERUNG.

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Der Flugplatz Eleusis bei Athen aus der Luft. 1941 hatte das Personal der 5. FBK/KG 26 ihr Quartier in dem U-förmigen Gebäude im hinteren Teil des Geländes, unweit der Flugzeughallen.

Die große Sensation für die deutschen Flieger: Im Mai 1941 landeten in Eleusis französische Maschinen, neben Jagdflugzeugen auch Leo-451-Bomber. Diese tankten hier auf und flogen weiter nach Syrien, „um uns von Süden den Kaukasus zu öffnen“, wie es Gustav Paustian in seinen Notizen niederschrieb.

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Teile der II./KG 26 flogen im Mittelmeerraum erste TorpedoEinsätze. Die Techniker mussten sich nach den Bomben nun auch mit dieser neuen Abwurflast vertraut machen.

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In Eleusis stießen die Männer der II./KG 26 auch auf die Reste der besiegten griechischen Luftwaffe. Hier die Bristol Blenheim Mk. I. B253, die nun für Erinnerungsfotos herhalten musste.

DAS KLIMA SORGTE DAFÜR, DASS DIE PROPELLER SICH AUFBLÄHTEN WIE BALLONS ratet war und in Catania lebte, konnte die Wogen glätten. Probleme gab es aber auch anderer Natur: Als bei der He 111 die ersten Holzpropellerblätter eingeführt wurden, war die Freude ob der größeren Zugkraft der Luftschrauben zunächst groß. Aber die klimatischen Bedingungen sorgten dafür, dass es zu Beginn des Einsatzes der breiteren Holzblätter erhebliche Probleme gab. Denn die Kombination aus einem schweren Gewitterregen und anschließender Sommerhitze führte dazu, dass „die Luftschrauben sich wie lange Ballons aufgebläht und teilweise jede Form verloren hatten“, so Paustian. Die nahezu 50 Grad in der Sonne hatten die Propellerblätter verformt, „wie ein aufgegangener Hefekuchen“. Die Folge: Alle Maschinen waren nicht mehr einsatzfähig. Es habe bis zu acht Tagen gedauert, bis Ersatzblätter eingeflogen und montiert waren, so Paustian. Mit Ausweitung des Kampfgeschehens im Mittelmeerraum musste auch das fliegertech-

Der Berliner Zoo hatte der II./KG 26 in Anlehnung an das Geschwaderwappen einen jungen Löwen geschenkt. Dieser war ein beliebtes Fotomotiv, auch für Paustian. nische Personal den Standort mehrfach wechseln: So verlegte die 5. FBK im Zuge des Kreta-Einsatzes im Mai 1941 nach Athen, genauer auf den Fliegerhorst Eleusis. Die Mechaniker hatten dabei eine der wenigen Gelegenheiten, selbst mit den Maschinen mitzufliegen, die sie ansonsten warteten, denn die Verlegung fand mit leichtem Gepäck auf dem Luftweg statt. Die Techniker hatten dabei nur Werkzeugkästen und Kleingeräte dabei, erinnerte sich Paustian. Fahrzeuge, Großgerät und weiteres Personal folgten schließlich auf dem See- und Landweg. Aber auch in Griechenland galt dasselbe wie für Italien: Die Wartungskapazitäten waren begrenzt. Insofern war es Praxis bei der II./KG 26, Maschinen beispielsweise zur Überholung zum Heimathorst Lübeck-Blankensee zu überführen. Damit schlug man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Die zur Überführung eingeteilten Besatzungen erhielten gleichzeitig ein paar Tage Fronturlaub, außerdem wurden  Post und Ersatzteile so auf dem direkten Weg hin- und herbefördert.  Aus Benzinspargründen wurde jedoch ab etwa 1942 auf diese Überführungsflüge – die bis dato meist mit Zwischenstopp in München-Riem erfolgten – verzichtet. Wäre Gustav Paustian nicht wenig später an Pappatacifieber erkrankt, wäre er sicherlich auch weiterhin Chef der 5. FBK geblieben. Durch seine Erkrankung musste er Lazarettaufenthalte über sich ergehen lassen; nach einem Genesungsurlaub kehrte er nicht zum KG 26 zurück, sondern wurde Bataillonskommandeur der IV./Feld-Rgt. d. LW 3, war 1943 beim XIII. Fliegerkorps. Anschließend war er beim Stab des Befehlshabers der deutschen Truppen in Kroatien eingesetzt. Die Zeit mit Flugzeugen war für ihn passé, es blieben ihm nur die Erinnerungen und seine (Farb-)Fotos. Der Luftwaffe blieb er aber auch nach 1945 treu: 1955 trat er in die Bundeswehr ein und wurde Chef eines Luftwaffenausbildungsbataillons in Roth.



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Ju 52 stehen bereit und holen das Personal der 5. FBK von Comiso ab. Auf dem Luftweg ging es im Rahmen des Kreta-Unternehmens für die Techniker nach Eleusis bei Athen.

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FLUGZEUGREPORT  Focke-Wulf Fw 44 J

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Die Fw 44 J, Kennung 1-I-4, der Seefliegerschule im Flug über Rio de Janeiro im Jahr 1938. Links im Bild der Berg Pão de Açúcar.

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I

n der Mitte der 1930er-Jahre hatte die brasilianische Marinefliegerei kein Schulflugzeug für die Pilotenausbildung, da ihre Tiger Moths in schlechtem Zustand waren. 1935 wurde eine Delegation unter der Führung des Kommandeurs der Marinefliegerei, Admiral Raymundo Vasconcelos Aboim, in die USA geschickt, um die Anlagen der amerikanischen Marineflieger zu inspizieren. Mit der Hilfe der Amerikaner sollte eine Hauptwerkstatt entstehen, in der auch Flugzeuge gebaut werden konnten. Leider kehrte die Delegation erfolglos zurück, da die be-

suchten Firmen Chance Vought und Glenn Martin nicht genügend freie Kapazitäten hatten. Später wurde der neue Kommandeur der Marineflieger, Admiral Antonio Augusto Schortz, von Dr. Heinrich Lang kontaktiert. Lang war am Bau der Trockendocks am Marinestützpunkt Ilha das Cobras in Rio de Janeiro beteiligt und bot seine Hilfe für die Kontaktaufnahme mit der deutschen Luftfahrtindustrie an. Das Angebot wurde angenommen, und so kam Lang wenig später mit einer Einladung an Admiral Schortz’ Vorgänger Aboim für einen Besuch bei Focke-Wulf zurück aus Deutschland. Aboim war beeindruckt

und schloss ein Abkommen zur Lizenzproduktion von vier Mustern: der Fw 44 J Stieglitz und der Fw 56 Stößer als Trainer, der Fw 58 Weihe als Bomber und für Patrouillenmissionen und der FW-200 Condor als Transporter und Bomber. Parallel mit den ersten deutschen Technikern erreichte 1936 auch eine zerlegte Fw 44 J den Hafen von Rio. Am 3. November begann der Aufbau der Fw 44 J, am 5. November wurde der Motor getestet und bereits am 10. November brach die Stieglitz zu ihrem ersten Flug auf. Sie erhielt die Kennung I1Fw-146 und wurde von den brasilianischen Marinefliegern

IN DEN 1930ER-JAHREN ENTWICKELTE DIE BRASILIANISCHE MARINEFLIEGEREI DEN PLAN, EINE EIGENE RÜSTUNGSIN­DUSTRIE AUFZUBAUEN. DAFÜR WURDE EIN ABKOMMEN MIT FOCKE-WULF ÜBER DIE PRODUKTION VON MEHREREN MUSTERN UNTER LIZENZ GESCHLOSSEN. DIE SCHLIESSLICH GEBAUTEN FW 44 J UND FW 58 DIENTEN DER MARINE UND DER LUFTWAFFE VIELE JAHRE LANG. Text: Santiago Rivas; Fotos: Archiv Rivas

in Dienst gestellt. Die ersten Flugzeuge wurden in Brasilien vollständig von deutschen Technikern gebaut, aber die Beteiligung der einheimischen Arbeiter und die lokale Teileproduktion wurden Stück für Stück erhöht. Ebenfalls 1936 begann der Bau einer Fabrik (Oficinas Gerais da Aviação Naval) mit einer Fläche von 19 000 Quadratmetern in der Guanabara-Bucht nahe Rio de Janeiro. Die Fabrik entstand unter der Leitung von Henrique Lage, einem einheimischen Flugzeugbauer, der ab 1939 auch als Repräsentant für Focke-Wulf in Brasilien tätig war. 1937 und 1938 wurden insgesamt 40 weitere Fw 44 J

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Die Focke-Wulf Fw 44 J in Brasilien

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Mehrere Fw 44 J zu Beginn ihrer Dienstzeit bei der Marine.

mit Teilen aus Deutschland gebaut. Die erste Charge von zwanzig Flugzeugen hob noch im Jahr 1937 ab und wurde mit den Marinekennungen I1AvN-126 bis -145 versehen. Die zweite Charge aus dem Jahr 1938 erhielt die Kennungen I1AvN-148 bis -167. Bei der Marine bekam die FW-44J den Spitznamen Pintassilgo, nach einem brasilianischen Singvogel.

IM DIENST BEI DEN MARINEFLIEGERN

Die Fw 44 J wurde als Trainer der Marinefliegerschule bei der ersten Trainingsflieger-Division eingesetzt, wo sie ab 1937 die Tiger Moth ersetzte. Die Rufzeichen 1-I-1 bis 1-I-41 wurden auf den hinteren Rumpfteil lackiert. Dieses Rufzeichen-System wurde später nach dem Schema 1-I-1, 2-I-1, 3-I-1, 4-I-1 ergänzt, um die vier Geschwader der ersten Trainings-

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Die erste Fw 44 J der brasilianischen Seeflieger bei Testflügen.

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flieger-Division zu identifizieren. Trotzdem schlossen die neuen Rufzeichen nicht an die Sequenz der alten an. Am 18. Juli 1939 flog eine Schwadron aus 21 Pintassilgos von Rio nach Santos mit Zwischenlandungen in Rezende, Taubaté und São Paulo. Am 22. Juli kehrte sie nach Rio zurück. Am 1. Juli 1940 kam es zum ersten nennenswerten Unfall mit einer Pintassilgo. I1AvN-165 verunfallte in São Gonçalo in der Nähe von Rio de Janeiro. Der Pilot verstarb. Es folgte ein weiterer Absturz am 9. Dezember desselben Jahres, als I1AvN-159 in der Nähe des Leblon-Strandes in Rio de Janeiro ins Meer stürzte und beide Insassen getötet wurden. Am 20. Januar 1941 wurde das brasilianische Luftfahrtministerium und mit ihm die brasilianische Luftwaffe gegründet. Daher wurden die Bestände von der Armee und den Marinefliegern zusammengeführt. Die 38 verbliebenen Fw 44 J standen nun unter dem Befehl der neuen Streitkräfte. Die I1AvN-147 wurde stillgelegt.

DIE FW 44 J IN DER BRASILIANISCHEN ARMEE Die Fw 44 J der brasilianischen Luftwaffe mit der Kennung FAB 25 wurde kurz zuvor von den Seefliegern übernommen.

Am 28. August 1939 erreichten zwei von der argentinischen Militärflugzeug-Fabrik (FMA) gebaute Stieglitz aus Cordoba den Campo-dosAfonsos-Flugplatz. Am Steuer der mit den Rufzeichen FMA-57 und FMA-58 versehenen Maschinen saßen Hauptmann Pablo C. Passio und der erste Leutnant Felix J. Jaureguiberry. Es handelte sich um zwei Flugzeuge, welche die Brasilianer von der argentinischen Armee geschenkt bekommen hatten. Die offizielle Übergabe an das erste Flugregiment erfolgte am 17. November. Statt Schulungsflüge für Rekruten flogen die Maschinen Trainingseinsätze mit Offizieren. Sie behielten zudem ihre argentinische Kennung und wurden 1941 an die neue brasilianische Luftwaffe übergeben.

EINSATZ BEI DER LUFTWAFFE

Die I1AvN163 im Einsatz bei der Luftwaffe, hier mit der Ziffer 8 nach einem Unfall. Das Flugzeug hatte die FAB-Kennung 39 und wurde später zur FAB 0146.

Zwei Fw 44 J der brasilianischen Marine beim Kunstflug über Grajaú, Rio de Janeiro in 1938.

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Mit der Gründung der brasilianischen Luftwaffe erhielt die Fw 44 J die Bezeichnung 1FG, die Initialen von Fábrica do Galeão, dem neuen Namen der alten Dienststelle der Marineflieger. Die beiden Flugzeuge aus dem Armeebestand erhielten die Kennungen FAB 01 und 02 und die anderen die Kennungen FAB 03 bis FAB 43. Die beiden durch Abstürze zerstörten Maschinen erhielten ebenfalls die neue Kennung, obwohl sie bereits abgeschrieben waren. Die übernommenen Fw 44 J wurden am Marineflieger-Stützpunkt in Rio de Janeiro stationiert, der nun Base Aérea do Galeão (BAGL) hieß. Die Maschinen behielten ihre silberne Lackierung mit den grünen und gelben Streifen und wurden nur mit den neuen FAB-Kennungen versehen. Rund 20 Flugzeuge wurden an die Flugschule am Campo-dos-Afonsos-Flugplatz übergeben. Dort erhielten sie zwischen August und Dezember 1941 die Nummern 1

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Eine Formation von mindestens fünf Fw 44 J der brasilianischen Seeflieger.

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bis 21. Es ist keine Korrelation mit anderen Kennungen bekannt. Die Pintassilgos wurden dann wieder an den Aérea-do-Galeão-Stützpunkt für Vorbereitungskurse der LuftwaffenReservisten (CPOR) verlegt. Sie behielten ihre Marine-Seriennummer – die Kennung I1AvN wurde aber weggelassen – und blieben bis Mitte 1943 im Dienst. In diesem Jahr begann die Ablösung der Focke-Wulf mit der Fairchild PT-19. Am 12. März 1943 wurde FAB 01 außer Dienst gestellt und später verschrottet. Die FAB 15 folgte am 23. März, während FAB 10 in Rio am 20. September 1943 abstürzte. Am 24. November wurden FAB 27, 32 und 34 ausgemustert und später verschrottet. Ihre letzten aufgezeichneten Flüge absolvierte die Fw 44 J im Oktober 1943. Am 29. März 1945 führte die brasilianische Luftwaffe ein neues Kennungssystem für ihre Flugzeuge ein. Jede Kennung begann mit 01. Die Fw 44 J wurden dann von 01 bis 43 nummeriert – auch die bereits verschrotteten Exemplare. Die Nummern 01 und 02 waren FMA 57 und 58 aus der brasilianischen Armee, 03 bis 43 besaßen einst die Nummern 126 bis 146 und 148 bis 167. Am 23. Juli wurde das Kennungssystem erneut überarbeitet. Im neuen System mit vier Ziffern erhielten die Pintassilgos die Kennungen FAB 0108 bis 0150 und die Bezeichnung PT-FW44. Das galt auch

für die verunfallten Maschinen. Durch den in Europa herrschenden Zweiten Weltkrieg war die Ersatzteilversorgung schlecht, besonders für die Siemens Sh-14A-Motoren. Der Betrieb der Maschinen konnte nicht gewährleistet werden und erzwang die Ausmusterung, auch da die Luftwaffe nun Flugzeuge aus den USA erhielt und die Fábrica do Galeão begann, Fairchild PT-19 für die Grundausbildung zu produzieren. Am 6. Juli 1944 wurden die Maschinen FAB 03, 04, 07, 19, 22, 23, 28, 29, 30, 31, 36, 38, 40, 42 und 43 an die zivile Luftfahrtbehörde zur Nutzung in Luftsportvereinen übergeben. FAB 0119 wurde der uruguayischen Regierung geschenkt. Mit der zivilen Kennung CX-AEI flog die Stieglitz bis in die späten 1970er-Jahre, bevor sie in das Uruguayische Luftfahrtmuseum wanderte. Die Maschine wurde 1998 bei einem Brand beschädigt und wartet derzeit auf ihre Restaurierung. FAB 0123 stürzte am Cachoeira-do-SolWasserfall ab und wurde zerstört. Fünfzehn Maschinen blieben am Aérea-do-Galeão-Stützpunkt stationiert, bis die Vorbereitungskurse der Luftwaffen-Reservisten am Ende des Zweiten Weltkriegs ausgesetzt wurden. 1946 wurde FAB 0116 an den Aérea-de-Canoas-Stützpunkt (BACO) verlegt. In Galeão verblieben nur noch die einsatzbereiten FAB 0116, 0118, 0124 und 0146. Ab 17. September folgte dann

Eine Reihe von FW-44J an der Seefliegerschule am GaleãoStützpunkt im Jahr 1939.

eine große Welle der Ausmusterung mit FAB 0112, 0113, 0116, 0118, 0121, 0124, 0125, 0128, 0144 und 0146 gefolgt von FAB 0115 und 0127 am 26. September. FAB 0140 wurde am 23. Juli 1947 außer Dienst gestellt und die letzte sich im Betrieb befindliche Fw 44 J mit der Kennung FAB 0133 folgte am 23. November 1947. FAB 109 war bereits außer Dienst gestellt, wurde aber 1954 an einen privaten Eigentümer übergeben und erhielt die Kennung PP-GLI. Sie war die letzte fliegende Stieglitz in Brasilien. Die fünfzehn Maschinen der zivilen Luftfahrtbehörde wurden aufgrund der Teileknappheit zwischen 1946 und 1948 stillgelegt.

ERHALTEN GEBLIEBENE EXEMPLARE

Eine Fw 44 J im Dienst der Marine auf dem Rollfeld vor einem Trainingseinsatz.

Seeflieger-Farben lackiert und erhielt die Kennung I1AvN-129 und das Rufzeichen 1-I-4. Das in São Carlos gelegene TAM-Museum der brasilianischen Airline kaufte eine Fw 44 J in Argentinien in den frühen 2000er-Jahren. Die Maschine wurde fliegend zum Museum überführt. Es handelte sich um eine in Argentinien gebaute Maschine mit der Kennung Ee-

159, die bei der argentinischen Armeeluftfahrt und der Luftwaffe zum Einsatz kam, bevor sie mit der Kennung LV-ZAS in der Zivilluftfahrt eingesetzt wurde. Sie wurde einseitig in Seeflieger-Farben mit der Kennung 1IAvN-161 und dem Rufzeichen 1-I-3 lackiert. Die andere Seite erscheint in ziviler deutscher Lackierung mit der Kennung D-2692.



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Alle 43 von den brasilianischen Streitkräften genutzten Fw 44 J Pintassilgos wurden zerstört. Aber mit der Gründung des Luft- und Raumfahrtmuseums im Jahr 1973 entstand das Interesse, eine erhalten gebliebene Fw 44 J auszustellen. Man wurde schließlich in Argentinien fündig, da die argentinische Armeeluftfahrt bereit war, eines ihrer Bestandsflugzeuge abzugeben. Am 27. Juni 1985 landete eine C-130H Hercules in Campo dos Afonsos mit der argentinischen Stieglitz an Bord. Sie trug die Kennung Ee-174 und wurde nach einer vollständigen Restauration durch die argentinische Militärflugzeug-Fabrik dem Museum geschenkt. In Brasilien wurde es in typischen

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FLUGZEUGREPORT  Beute-Transporter

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Siebel, Focke–

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Eine Siebel der Zivilluftflotte auf dem hochgelegenen Flugplatz Chorog im Pamirgebirge.

NEBEN DEN GROSSEN TRANSPORTMASCHINEN VOM TYP JUNKERS JU 52 WURDEN NATÜRLICH AUCH KLEINERE MUSTER IN DIE REIHEN DER SOWJETISCHEN STREITKRÄFTE AUFGENOMMEN. STARK VERTRETEN WAREN DABEI SIEBEL UND FOCKE-WULF.

–Wulf und Co.

W

Teil  7 Text: Wladimir Kotelnikow; Fotos: Archiv Kotelnikow

ährend die Ju 52 das am häufigs­ten erbeutete deutsche Transportflugzeug in der UdSSR war, war sie bei Weitem nicht das einzige. Am Ende des Zweiten Weltkriegs fielen zahlreiche Siebel Si 204 in die Hände der Sowjetunion. Der sowjetische Einsatz der Si 204 D startete zunächst beim Militär. Die Hauptquartiere von vielen in Deutschland stationierten sowjetischen Regimentern nutzten die Siebel für Dienstflüge. Als überzählige Trophäen geltend, wurden sie in den Bestandsaufzeichnungen oft gar nicht erfasst. Erst später folgte eine offizielle Registrierung und zum Teil eine Überführung in die Sowjetunion. Die erste zivile Behörde der UdSSR, die von diesen Maschinen profitierte, war die Verwaltung der Polarluftfahrt, die der Hauptverwaltung Nördlicher Seeweg (GUSMP) unterstand. Zwischen Juli und August 1945 flogen Piloten der GUSMP neun Si 204 D aus Deutschland ein. Zwei überließ man der Moskauer Luftgruppe. Der Rest kam nach Krasnojarsk zum Werk Nr. 477. Die Flugzeuge sollten dort für ihren Einsatz unter polaren Wetterbedingungen vorbereitet werden. So wurden unter anderem zehn Skifahrwerksätze entworfen und produziert.

Ende Juli 1945 erhielt die Tschukotkaer Luftgruppe der GUSMP ein Flugzeug mit der Werknummer N370. Die Maschine hatte mit der Kälte zu kämpfen und flog daher nicht viel. Eine weitere Siebel mit der Nummer N372 verunfallte am 12. September 1945, als sie bei der Landung auf dem Flugplatz Sowrudnik von einem starken Seitenwind erfasst wurde. Nur kurz nach der Reparatur stürzte N372 am 20. Oktober erneut ab, als sie vom Krasnojarsker OSSOAWIACHIM-Flugplatz (OSSOAWIACHIM = Gesellschaft zur Förderung der Verteidigung, des Flugwesens und der Chemie) zum Gelände des Werkes Nr. 477 auf der Molokow-Landzunge gebracht werden sollte. Über Krasnojarsk fing der rechte Motor an zu qualmen und die Drehzahl fiel ab. Pilot Smirnow drehte die Maschine um und setzte zur Landung an. Er ließ das Fahrwerk ausfahren, doch dann fiel auch der zweite Motor aus. Die Si 204 stürzte in der Nähe einer Ziegelfabrik ab und wurde komplett zerstört, Smirnow kam ums Leben, Bordmechaniker Lawrinowitsch sowie eine Passagierin wurden verletzt. Zwei weitere Siebel gesellten sich zur Tschukotkaer Luftgruppe hinzu. Eine dritte mit der Bordnummer N379 stürzte auf dem Weg dorthin am 14. Mai 1946 ab. Der erfahrene Polarpilot Fjodor Kukanow flog sie auf

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Im Rahmen der Zusammenkunft bei einem Ausbildungslager machen sich die Piloten des Innenministeriums mit der Si 204 D vertraut; Flugplatz Bykowo bei Moskau.

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Eine Fw 58 B ohne Bewaffnung, die von einer Einheit sowjetischer Luftstreitkräfte als Transportflugzeug eingesetzt wurde.

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dem Weg von Syrjanka nach Kresty Kolymskie, als zunächst der rechte Motor ausfiel und dann der linke überhitzte. Nach einer Notlandung auf einer Landzunge am Fluss Fedoticha musste die schwer beschädigte Si 204 außer Dienst gestellt werden. Im Nachgang wurde festgestellt, dass sich die Ventilumlenkstücke des rechten Motors gelöst hatten. Mit der Ergänzung durch drei weitere Maschinen verfügte die Hauptverwaltung Nördlicher Seeweg im April 1947 über neun Si 204. Noch im selben Jahr verloren die Polarforscher aber drei Maschinen. Das Flugzeug mit dem Kennzeichen N414 und dem erfahrenen Piloten Gennadi Wlassow am Steuer ging im Mai auf dem Weg von Moskau nach Kramatorsk verloren. Zuerst begann der linke Motor zu ruckeln, dann ertönte ein metallisches Klopfen aus dem rechten Aggregat. Wlassow notlandete mit eingezogenem Fahrwerk auf einem Bergabhang in der Nähe des Dorfes Berjosowo. Eine Reparatur des beschädigten Flugzeugs wurde als unwirtschaftlich bewertet. Die zweite Maschine mit der Bordnummer N408 fiel im April 1947 dem zu großen Selbstvertrauen des stellvertretenden Kommandanten der Tschukotkaer Luftgruppe Wjaltsew zum Opfer. Er wollte auf dem Flugplatz Tschokurdach mit nur einem Triebwerk landen. Er verlor die Kontrolle, die Maschine bewegte sich quer zur Landebahn und prallte gegen das schneebedeckte hohe Ufer des IndigirkaFlusses. Die Ursache für den Verlust der Maschine N409 und den Tod ihres Piloten Brechow konnte nicht ermittelt werden. Nach dem Start in Dudinka am 6. Mai 1947 kippte das Flug-

zeug unerwartet nach rechts und stürzte ab. Man vermutete, dass eine starke Windböe von der Seite für den Unfall verantwortlich war.

UNFÄLLE MIT DER SIEBEL MACHEN EINSATZ SCHWIERIG

Nach dieser Reihe von Flugunfällen kam man zu dem Entschluss, dass die Siebel-Flugzeuge für die Fliegerei am Nordpol nicht geeignet waren. Der berühmte Polarflieger Matwej Koslow äußerte sich dazu im Mai 1947: „Die Siebel-Flugzeuge haben zwar gute Zellen, aber die Motoren taugen nichts.“ Zu Koslows Aussage passt der Verlauf eines Flugs von Igarka nach Krasnojarsk, bei dem der Pilot Wolkow zweimal beide Motoren wechseln musste. Manch ein Polarpilot erlaubte sich bezüglich dieser Flugzeuge ein Wortspiel: „Siebel“ – „Gibel“ (Russ. Verderben/Tod). Im Jahr 1948 verabschiedete sich die Polarluftfahrt von den Si 204 und die deutschen Beuteflugzeuge setzten ihren Dienst bei anderen sowjetischen Behörden fort. Im Sommer 1945 unternahm die Hauptverwaltung der Zivilluftflotte (GUGWF) Probeflüge mit der Si 204 im Pamirgebirge. Die Flüge verzögerten sich durch den Ausfall eines Triebwerks. Nach einem Monat wurde diese Siebel an die Polarforscher zurückgegeben. Marschall Fjodor Astachow – der Leiter der Hauptverwaltung der Zivilluftflotte – ersuchte die Luftstreitkräfte um zwanzig der Beuteflugzeuge. Die erste eigene Siebel erhielt die GUGWF Ende 1945. Die Maschine wurde nach Tadschikistan geschickt, doch auf dem Weg dorthin musste das Flugzeug in Aktjubinsk not-

landen. Einen Monat später waren schon zwei Siebel in Tadschikistan im Einsatz, eine weitere war bereits auf dem Weg. Kurze Zeit später änderten sich die Einsatzorte: eine Maschine ging nach Usbekistan, eine nach Armenien und nur die dritte blieb in Tadschikistan. Im Mai desselben Jahres boten die Luftstreitkräfte an, sieben reparaturbedürftige 204, die zu diesem Zeitpunkt in der Tschechoslowakei standen, an die Zivilluftflotte abzutreten. Die Leiter der Zivilluftflotte stimmten zu und bezahlten die Reparaturkosten. Die reparierten Maschinen trafen bereits im folgenden Jahr in der UdSSR ein. Im Laufe des Jahres 1946 erhielt die Zivilluftflotte weitere vier Flugzeuge, die an anderen Orten stationiert waren. Insgesamt genoss die Si 204 einen guten Ruf beim Flug- und Wartungspersonal. Das Flugzeug verfügte über eine gute Manövrierfähigkeit, war unkompliziert zu steuern und bot eine ausgezeichnete Sicht aus der Pilotenkanzel. Probleme bereiteten hauptsächlich die As-410A-Motoren. Es stand sogar die Vermutung im Raum, die Montage dieser Motoren sei zur Kriegszeit absichtlich sabotiert worden. Im Dezember 1947 waren sieben Exemplare der Si 204 in der sowjetischen Zivilluftflotte im Einsatz. 1948 kam zwar eine weitere hinzu, jedoch tendierte die Hauptverwaltung der Zivilluftflotte bereits dazu, neue fliegende Kriegstrophäen abzulehnen. Stark abgenutzte Modelle musterte man aus, während man gut erhaltene Exemplare an die Behörden abtrat. 1948 offenbarte die Bestandsaufnahme der Zivilluftflotte gleich vier Siebel-Exemplare weniger als im Jahr zuvor. Im Mai 1949 waren

diese Si 204 flugfähig. Zum April 1949 verblieb dort nur noch eine Maschine, die bis Anfang 1950 ihren Dienst verrichtete. Eine Si 204 gehörte der Führung des Krasnojarsker Arbeitslagers.

EINSATZ IM HOHEN NORDEN BIS IN DIE 1950ER-JAHRE

weise verschrottet. Auch das Innenministerium der UdSSR nutzte die Beuteflugzeuge. Zum Zwecke der Umschulung des Flug- und Wartungspersonals organisierte man Ausbildungslager auf dem Flugplatz Bykowo bei Moskau. Die Hauptverwaltung der Arbeitslager für Eisenbahnbau (GULSchDS) verfügte über drei Exemplare, die für den Transport und für Luftaufnahmen genutzt wurden. Dem am 1. Januar 1947 berichteten Stand zufolge waren alle

Ein Wrack des Giganten – eine zerstörte Me 323, gefunden auf einem Flugplatz an der 3. Ukrainischen Front, Mai 1944.

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nur noch zwei übrig, die aufgrund ihres schlechten Zustandes außer Dienst gestellt wurden. Im Volkskommissariat der Luftfahrtindustrie (NKAP) tauchte die erste Si 204 im Sommer 1945 auf. Diese Maschine gehörte zuvor der 4. Luftarmee. Im Oktober 1947 gab es beim Ministerium der Luftfahrtindustrie (MAP) bereits fünf Si 204. Schon 1948 wurden die Siebel wieder ausgemustert und teil-

Die Hauptverwaltung des Hydrometeorologischen Dienstes (GUGMS) erhielt im Jahr 1948 von den Polarforschern neun Si 204. Die Bordnummern dieser Flugzeuge wurden neu vergeben (im Bereich von M351 bis M360), und die Beutemaschinen selbst wurden diversen Abteilungen und Mannschaften an mehreren Standorten zugeteilt – u. a. in Moskau, Leningrad und Alma-Ata. Bis April 1950 verfügte der Wetter- und Wasserstandsdienst über fünf einsatzfähige Maschinen, wovon vier zum Ende des Frühlings ausgemustert wurden. Der „SelChosAeroSjomka“-Trust (Trust für Luftbildaufnahmen in der Landwirtschaft) erhielt 1947 eine Si 204 von der Hauptverwaltung Nördlicher Seeweg. Auf dem Rumpf der in Orscha stationierten Maschine glänzte eine neue Bordnummer (F274). Bis Anfang 1951 wurden alle in der sowjetischen Luftfahrt eingesetzten Siebel-Beuteflugzeuge außer Dienst gestellt. Später lehnte die UdSSR Angebote zum Kauf von Kopien der Si 204 D, die nach dem Krieg in der Tschechoslowakei und in Frankreich hergestellt wurden, ab. In deutlich geringeren Stückzahlen wurde die Focke-Wulf Fw 58 in der Sowjetunion geflogen. Bereits 1940 kaufte die UdSSR drei Exemplare der Fw 58: einen Trainingsbomber (Variante B-2) und zwei Transporter (Variante C-2). Jeweils ein Exemplar der beiden Varianten wurde am Wissenschaftlichen Institut

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Diese Siebel kam nach dem Einsatz bei der GUSMP (Hauptverwaltung Nördlicher Seeweg) in die Obhut der Hauptverwaltung des Hydrometeorologischen Dienstes (GUGMS). der Luftstreitkräfte getestet. Am 23. Juli desselben Jahres landete irrtümlicherweise eine vom Feldwebel Schmidt pilotierte Fw 58 in Belostok, auf dem Flugplatz der 66. Fliegerbrigade. Die Maschine wurde von den Sowjets nur flüchtig inspiziert, da Schmidt bereits am nächsten Tag zurückkehren durfte. Am Ende des Winters 1942 wurde eine Maschine auf ein Skifahrwerk umgestellt. Bis März wurde sie getestet, bis sie ein Unglück aufgrund eines Fahrwerksschadens ereilte.

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DIE WEIHE KAM NOCH VOR DEM KRIEG IN DIE SOWJETUNION

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Wie viele Flugzeuge des Typs Fw 58 im Krieg von den Sowjets erbeutet wurden, lässt sich nicht sagen, da sie bei der Beuteerfassung als „Sonstige“ kategorisiert wurden. Sicher ist jedoch, dass eine Fw 58 B-2 im Februar 1942 auf einem Flugplatz bei Woronesch aufgefunden wurde. Sie gehörte nicht der Luftwaffe, sondern laut Kennzeichnung den ungarischen Luftstreitkräften. Eine Fw 58C-2 ergänzte die Reihen der erbeuteten Flugtechnik bei der Kriegstrophäen-Ausstellung im Moskauer Gorki-Zentralpark. Die Bestandsaufzeichnungen des Ministeriums für Luftfahrtindustrie (MAP) legen nahe, dass das MAP zum 1. April 1947 über zwei Fw 58 mit den Werknummern I794 und I488 verfügte. Die I794 wurde im ersten Quartal 1949 ausgemustert. Mit der I488 gab es im Juni eine ungewöhnliche Panne: ihr Propeller begann im Flug zu glühen, der Grund wurde nie gefunden. Dieses Flugzeug wurde Anfang 1950 aus den Bestandslisten gestrichen. Das viermotorige Transportflugzeug Arado Ar 232 B war für die sowjetischen Spezialisten von großem Interesse. Erst im Herbst 1944 konnte eine Arado im Detail untersucht werden, nachdem am 4. September die Ar 232 B-5 der I./KG 200 in der Nähe des Dorfes Karmanowo notgelandet war. Das Flugzeug war in Riga gestartet und über sowjetischem Territo-

rium von der Flakartillerie beschossen und beschädigt worden. Im Rahmen der Operation Zeppelin hatte die Maschine zwei Agenten sowie ein Motorrad mit Beiwagen in das sowjetische Hinterland transportiert. Diese Sabotageagenten sollten Stalin durch einen Schuss mit der Panzerfaust auf seinen Wagen töten. Die Arado hatte die Saboteure erfolgreich abgesetzt, aber sie waren an einem der sowjetischen Kontrollpunkte aufgeflogen. Die Arado war nach der Notlandung nicht mehr startfähig. Interessanterweise wird der Transporter im Bericht des Wissenschaftlichen Instituts der Luftstreitkräfte sowie im Titel des Schulungsfilms als «Arado-332» bezeichnet. Im Kommissionsbericht stand: „Die Arado-332 wurde speziell für den Transport von sperrigen Gütern und platzintensiver Bewaffnung sowie für Einsätze von Luftlandeeinheiten entwickelt. In ihrer Konstruktion weist die Arado zahlreiche originelle Lösungen auf, die zum Teil mit unseren Anforderungen an ein modernes Transportflugzeug aus dem Jahr 1941 übereinstimmen: eine tiefsitzende Zelle, oben angeordnete Tragflächen, eine große Luke mit einer Laderampe für leichte Rad- und Kettenfahrzeuge. Im Laderaum an der Decke ist eine Laufkatze angebracht. Die Fläche der ausfahrbaren Landeklappen ist großzügig bemessen, was niedrigere Landegeschwindigkeiten und einen kleineren Auslauf ermöglicht. Die Abgas-, Schall- und Feuerdämpfer begünstigten Tarnflüge bei Nacht.“ Besondere Aufmerksamkeit galt dem ungewöhnlichen Fahrwerk mit seiner vielrädrigen Fahrwerksbauweise. Dieses Fahrwerk war „geländegängig“, wie es im Bericht stand, und brachte dem Flugzeug den Spitznamen „Tausendfüßler“ ein. Obwohl es nur wenige Arado Ar 232 B in der deutschen Luftwaffe gab, erbeuteten die sowjetischen Streitkräfte später noch mindestens ein weiteres, jedoch flugunfähiges Exemplar. Die Messerschmitt Me 323 wurde zeitweise an der Ostfront eingesetzt und hatte die

Aufmerksamkeit der sowjetischen Spezialisten auf sich gezogen. In Sachen Tragfähigkeit war der sechsmotorige Riese der Tupolew TB-3 deutlich überlegen. Die Messerschmitts kamen an der Front nicht zum Einsatz, da sie sehr anfällig für Jagdflugzeuge und Flakartillerie waren. Sie lieferten lediglich Fracht an frontnahe Flugplätze. Diese Flugzeuge tauchten in den sowjetischen Geheimdienstberichten ab Ende 1942 auf. Erst mit der Offensive der Sowjetarmee wurden abgestürzte Me 323 gefunden. Im April 1944 wurde ein Flugzeug mit Brandschaden inspiziert. Im Mai desselben Jahres berichtete die 3. Ukrainische Front über den Fund einer anderen Maschine auf einem Flugplatz. Ihr Zustand war deutlich besser, die Zelle und die Motoren waren zwar unbeschädigt, repariert wurde sie jedoch nicht. Die wohl am besten erhaltene Me 323 erbeutete man im Frühjahr 1944 auf einem Flugplatz bei Posnan. Nach sorgfältiger Untersuchung war es dennoch unmöglich, die Maschine in die Luft zu bekommen. Einen weiteren „Riesen“ fand man in der zweiten Jahreshälfte in Kurland, allerdings ebenfalls fluguntüchtig.

GROSSTRANSPORTER VON MESSERSCHMITT UND ARADO

In der Konstruktion der Me 323 sahen die sowjetischen Spezialisten vergleichbare technische Ansätze wie schon bei der Ar 232 B: den tief liegenden Rumpf, die hohe Flügelanordnung, einen voluminösen Frachtraum und dazu eine üppig dimensionierte Frachtluke mit Laderampe. Das Beladen des MesserschmittTransporters mit Rad- und Kettenfahrzeugen erfolgte nicht wie bei der Arado von hinten, sondern von vorn. Die Fahrwerkskonstruktion wirkte in den Augen der Sowjets reifer und fortschrittlicher. Das Studieren der Konstruktionsdetails beeinflusste das Aussehen der nach dem Krieg gebauten sowjetischen Transportflugzeuge, wie beispielsweise der An-8. 



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SZENE

Fliegendes Museum reloaded IM SOMMER GING EIN RAUNEN DURCH DIE DEUTSCHE OLDTIMERSZENE – JOSEF KOCH HAT SEINE EINZIGARTIGE SAMMLUNG VERKAUFT. SOMIT HATTE SICH EIGENTLICH AUCH DER BETREIBERVEREIN „FLIEGENDES MUSEUM“ ERLEDIGT. DOCH DAS IST ZUM GLÜCK NICHT DAS ENDE DER GESCHICHTE. Text: Stefan Schmoll Fotos: Fliegendes Museum e. V.

M

it mehr als 100 Mitgliedern gehört der Verein zu den größten in Deutschland, die sich auf den Betrieb von fliegenden Klassikern spezialisiert haben. Anfang September poppten dann plötzlich Lebenszeichen auf. Im bayerischen Landshut landeten die Klemm 35 D-EFTY und die Aeronca 65 Chief N127KM aus Großenhain. Diese beiden Flugzeuge gehören nicht Josef Koch und waren somit nicht Teil des Verkaufs an einen privaten Sammler aus Süddeutschland. Kurz darauf machte die Nachricht die Runde, dass Kochs Tochter Biggi zusammen

mit zwei Freunden in Großbritannien mit der Chilton D.W.1 G-AFGI eine fliegerische Rarität aus den dreißiger Jahren erworben hat, um sie künftig in Bayern zu betreiben. 1937 wurden vier dieser fliegerischen Winzlinge mit einer Spannweite von 7,3 m und einem Abfluggewicht von nur rund 300 kg gebaut und bis in die fünfziger Jahre auf der Insel als Rennflugzeuge eingesetzt. Die historische einsitzige Maschine war über Jahrzehnte in Großbritannien in Familienbesitz, und den früheren Eigentümern war es wichtig, dass ihr Schmuckstück in gute Hände kommt. Künftig wird sie von den Mitgliedern des Fliegenden Museums

betrieben und ist – wie die gesamte Flotte – ab der kommenden Saison häufiger auf Veranstaltungen zu sehen. Am Flugplatz Landshut existiert bereits eine engagierte Oldtimerszene, die sich als LA Barnstormers zusammengeschlossen hat. Mit ihren beiden Bücker 133 Jungmeister nahmen die Landshuter bereits mehrfach an der „Vintage Aerobatic World Championship“ in Dänemark teil. Zu den weiteren betriebenen Klassikern zählen unter anderem auch eine Bücker 131 Jungmann, die bekannten amerikanischen Cessna 170 und Cessna 195 Businessliner sowie ein seltener Scheibe Sperling, ein deutscher

Von Sachsen nach Bayern: Für die Maschinen von Biggi Koch ist der Umzug ein Neuanfang nach einer bewegten Zeit am Flugplatz Großenhain.

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Der britische Neuzugang Chilton D.W.I in Formation mit der Landshuter Bücker Jungmeister beim Fotoflug.

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Beim privaten Fly-in kamen Maschinen aus dem ganzen süddeutschen Raum, um die Chilton inoffiziell willkommen zu heißen.

Bekannt von der Hahnweide ist die Klemm 25, die man sonst nur sehr selten zu Gesicht bekommt.

Eine bunte Mischung aus Sportflugzeugen kam zum Weißwurst-Fly-in vorbei und bot einen tollen Einblick ist die bunte Szene der historischen Fliegerei in Deutschland.

In der großzügigen Halle sind die verschiedenen Muster der Mitglieder sehr gut aufgehoben. Was künftig noch dazu kommen wird, ist derzeit noch nicht bekannt.

Zweisitzer aus den fünfziger Jahren. Anfang Oktober fanden sich in Landshut bei bestem Herbstwetter rund drei Dutzend fliegende Klassiker zu einem privaten Fly-in ein. Um den Neulingen eine artgerechte Atmosphäre zur Eingewöhnung zu schaffen, wurde die Idee aufgegriffen, das 1. Landshuter Konkurrenzfliegen durchzuführen. Hierbei führten zehn Oldtimerflugzeuge und ihre Piloten einen kleinen Navigationsflug mit Zeitmessung von Landshut über Dingolfing und Vilsbiburg zurück nach Landshut durch. Die Teilnehmer reichten vom ältesten in Deutschland zugelassenen Flugzeug, der Klemm 25 D-EBMX, über Doppel­decker und Sportflugzeuge der goldenen 1930er Jahre bis hin zum jüngsten Flugzeug, dem Scheibe Sperling, Baujahr 1959. In der Kategorie über 100 Meilen/Stunde war erwartungsgemäß die Chilton als Rennflugzeug mit Johann Harlander als Pilot das schnellste Flugzeug mit 33 Minuten, gefolgt von Stephan Konz in der Cessna 170 mit 34  Minuten und Rainer Berndt in der Jungmeister mit 35 Minuten. Offiziell soll der Umzug des Fliegenden Museums nach Landshut auf der kommenden Hauptversammlung beschlossen werden. Aber spätestens nach dem gelungenen Einstand mit sommerlichem Weißwurst-Fly-in und dem herbstlichem Konkurrenzfliegen dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass sich hier in Landshut eine Schar an Gleichgesinnten gefunden hat, die ein großartiges Zentrum für historische Fliegerei in Deutschland bilden.



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Die ehemalige Großenhainer Aeronca 65 Chief und die Klemm 35 vor ihrem neuen Zuhause, dem Hangar 69 in Landshut.

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TECHNIK  F-4E Phantom II

McDonnells Dauerbrenner NOCH HEUTE IST DIE F-4 IN EIN PAAR LÄNDERN IM EINSATZ. DABEI BLICKT SIE AUF EINE ÜBER 60 JAHRE DAUERNDE KARRIERE IN DER LUFT ZURÜCK. DOCH DIE ANFÄNGE WAREN SCHWER, UND ES DAUERTE, BIS DIE PHANTOM II SICH DURCHSETZEN KONNTE.

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ach anfänglichen Problemen zeigte die Phantom II in vielen Versionen ihre Vielseitigkeit und Leistungsfähigkeit. Selbst mehr als 60 Jahre nach dem Erstflug, am 27. Mai 1958 in St. Louis mit Robert Little am Steuer, befinden sich noch einige Exemplare weltweit im Einsatz. Doch noch mal zurück: Fünf Jahre vor dem Erstflug begann man bei der McDonnell Aircraft Corporation mit der Überarbeitung des Jägers F-3 Demon. Dabei kamen drei verschiedene F-3-Versionen heraus, eine Version von einem Wright J67 und die beiden anderen Varianten von jeweils zwei WrightJ65- oder General-Electric-J79-Triebwerken angetrieben. Gegen Grumman F9F und Chance-Vought F8U konnte sich das Muster in der Jägerrolle nicht durchsetzen, und so wurde es als Angriffsflugzeug eingeplant. 1955 änderte die Navy die Anforderungen nochmals: Jetzt sollte es ein Langstrecken-Ab-

fangjäger werden. Im Jahr 1959 veröffentlichte McDonnell erstmals offiziell den Namen Phantom II für die F4H. Als Beweis für den gelungenen Entwurf überbot die F4H alle bis dahin meist von Lockheeds F-104 Starfightern aufgestellten Steigflug- und Geschwindigkeitsrekorde. So erreichte sie eine Höhe von 9000 Meter in 61 Sekunden und erflog einen Geschwindigkeitsrekord von 2585 km/h. Drei Jahre später wurde sie im Rahmen der Vereinheitlichung der Bezeichnungssysteme bei Luftfahrzeugen der US-Streitkräfte in F-4 umbenannt. Angetrieben wurde die Phantom II nun von zwei J79-Triebwerken. Mit der Serienproduktion begann man 1961. Vorher gab es die Versuchsmuster und einige Vorserienmaschinen, die schon bei der Truppe erprobt worden waren. Neben der Navy bestellte nun auch die Air Force eine große Anzahl von F-4C. Vorangegangen war ein Vergleichsfliegen gegen die F-104, F-105 und wei-

tere Air-Force-Muster, aus denen die F-4 als Sieger hervorging. Die Air-Force-Version flog erstmals am 27. Mai 1963 und ging im November desselben Jahres in die Produktion. Die auf der nächsten Doppelseite als Röntgenzeichnung gezeigte F-4E Phantom II stellt die meisten Exemplare der gesamten PhantomII-Serienproduktion. Zwischen 1967 und 1976 wurden insgesamt 1370 E-Versionen gebaut. Darin enthalten sind die Exemplare für ExportKunden wie Australien, Deutschland (RF-4E), Griechenland, die Türkei oder Israel. Griechenland ließ 38 F-4E von der DASA ähnlich der Kampfwertsteigerung für die F-4F im Programm „Peace Icarus 2000“ modernisieren. Sie fliegen heute in Andravida, während die nicht modifizierten Exemplare außer Dienst gestellt wurden. Zu einem der größten Kunden gehörte auch der Iran, so wurden 117 Phantoms an den Schah geliefert. Allerdings ist wegen Ersatzteilmangels unklar, in-

Zuladung und Flugleistungen der Phantom wurden stets weiterentwickelt und verbessert, so dass sie lange mit neueren Mustern mithielt.

nRöntgeung Zeichnächsten

Die erste Phantom bei einem der ersten Testflüge im Jahr 1958. Der Erstflug erfolgte am 27. Mai 1958 mit Robert C. Little im Cockpit.

wieweit die F-4 dort noch geflogen wird. Ihre Feuertaufe erlebn te die Phantom im Vietauf der elseite namkonflikt, wo sie von der Dopp US Air Force für Einsätze im Luft-Luft- und Luft-BodenKampf genutzt wurde. Neben den Mit dem typischen grün-braunen Tarnschema ist Kampfeinsätzen flog sie auch Aufdie Phantom auch in Deutschland bekannt. klärungsmissionen. Auch gegen

Text: Philipp Prinzing Fotos: KL Dokumentation

Auch in Deutschland konnte man die amerikanischen Phantoms sehen, hinzu kamen die deutschen Versionen, unter denen sich auch Aufklärer befanden.

neuere Muster konnte die Phantom bestehen, so dass sie sogar während „Desert Storm“ eingesetzt wurde. Die Produktion der F-4 endete im Jahr 1981. Insgesamt verließen 5195 Exemplare die Werkshallen. Davon wurden 127 Maschinen bei Mitsubishi in Japan in Lizenz gebaut und noch bis Frühjahr 2021 geflogen.



Auf der nächsten Doppelseite wird die meistgebaute Version der Phantom detailliert durchleuchtet.

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1 voll bewegliches Höhenleitwerk/Höhenruder 2 Ableiter der statischen Aufladung 3 Wabenstruktur der Leitwerkshinterkante 4 Ausgleichsgewicht des Höhenleitwers/Höhenruders 5 Spantenaufbau des Höhenleitwerks 6 Bremsschirmbehälter 7 Klappe des Bremsschirmbehälters 8 Tankentlüftung 9 Wabenkern des Seitenruders 10 Scharnier des Seitenruders 11 Radarwarnempfänger 12 hinteres Positionslicht 13 Verkleidung der Antenne an der Spitze des Seitenleitwerks 14 Funkantenne 15 hinterer Heckflossenholm 16 Formationsflugbeleuchtung mit veränderbarer Lichtstärke 17 Seitenruder-Hydrauliksteller 18 Höhenleitwerks-Mittelstück 19 Abeckung des Höhenleitwerks-Drehlagers 20 fester Vorflügel an der Leitwerksvorderkante 21 hydraulische Höhenruderbetätigung 22 vorderer Seitenleitwerksholm 23 Staurohr des Stabilisator-Systems 24 Antikollisionsbeleuchtung 25 Ausgleichsgewicht des Stabilisatorsystems 26 Kühlluftkanal am Heckkonus 27 hitzebeständige HeckkonusVerkleidung 28 Ausbuchtung für Fanghaken 29 abgesenkter Fanghaken 30 vollverstellbare Schubdüse, steuerbord 31 Dämpfer des Seitenruders 32 Flossenvorderkante 33 Staulufteinlass 34 Kraftstoffbehälter Nr. 7 (318 Liter) 35 Kühlluftauslassgitter im Triebwerksraum 36 Fanghakenbetätigung und Dämpfer 37 Kraftstoffleitung 38 Kraftstoffbehälter Nr. 6 (806 Liter) 39 Stuktur des Triebwerksraums 40 Wartungsklappen unten zum Triebwerksraum 41 hintere Luft-Luft-Lenkflugkörper AIM-7E-2 Sparrow 42 Aussparung für Sparrow im Rumpf 43 Strahldüsenverstellung 44 Nachbrennerrohr 45 Kraftstoffbehälter Nr. 5 (761 Liter) 46 Zugang zum Kraftstofftank 47 Kraftstoffleitung 48 Führung der Steuerkabel zum Leitwerk 49 Kraftstoffbehälter Nr. 4 (761 Liter) 50 Struktur des Triebwerksraums, steuerbord 51 TACAN-Antenne 52 Kraftstoffbehälter Nr. 3 (556 Liter) 53 Triebwerks-Öltank 54 Strahlturbine General Electric J79-GE-17A 55 Anbaugeräte des Triebwerks 56 hinterer Flügelholm 57 Hauptfahrwerksklappe 58 Hauptfahrwerksschacht 59 seitliche Servosteuerung 60 Hydraulikakkumulator 61 Bremsklappenbetätigung 62 hydraulische Klappenbetätigung 63 Landeklappe 64 Wabenkernstruktur des Querruders

79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97

65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78

Steuerbord-Querruder Steuereinheit des Querruders Flatterdämpfer Spoiler Flügeltankentlüftung äußerer Flügel mit V-Stellung hinteres Positionslicht Formationsflugbeleuchtung an der Flügelspitze Positionslicht, steuerbord Radarwarnantenne Stuktur des Außenflügels Vorflügel Bedienungsgestänge des Vorflügels hydraulische Vorflügelbetätigung

Anschluss des Außenflügels kleiner Grenzschichtzaun Absperrventil der Kraftstoffleitungen Fahrwerksaufhängung Verankerung des äußeren Pylons hydraulische Betätigung des Vorflügels Außenlastträger, steuerbord außen Hauptfahrwerksklappe Bremsscheiben des Hauptrades Steuerbord-Hauptrad Zusatztank (1400 Liter) Vorflügel, ausgefahren Vorflügelbetätigunsmechanismus Einfahrbetätigung des Hauptfahrwerks Fahrwerksverriegelung Intergralflügeltank, steuerbord (1192 Liter) Aufbau des Tanks Außenlastträger Peilantenne an der Vorderkante

Zeichnung: Mike Badrocke

Bei einem Vergleichsfliegen gegen verschiedene US-Air-Force-Muster konnte die Phantom über alle Konkurrenten siegen. Im Anschluss daran bestellte auch die Air Force das Muster – es wurde zu einem großen Erfolg und konnte an allen Fronten überzeugen.

Außenlastträger, steuerbord Aufhängung für zwei Lenkwaffen Lenkwaffe AIM-9 Sidewinder Zugang zur Vorderkante vorderer Flügelholm Hydraulikreservetank Formationsflugbeleuchtung am Mittelrumpf Rumpfhauptspant Verdichterschaufeln des Triebwerks Aufbau des Lufteinlaufkanals Kraftstoffbehälter Nr. 2 (700 Liter) Luftbetankungsstutzen, geöffnet Hauptfahrwerksstrebe, backbord Steuerungseinheit des Querruders Backbord-Querruder Flatterdämpfer des Querruders Backbord-Spoiler hydraulische Spoilerbetätigung Flügeltankentlüftung

117 Flügelhinterkante, backbord 118 Positionslicht 119 Formationsbeleuchtung an der Flügelspitze 120 Positionslicht, backbord 121 Radarwarnantenne 122 äußerer Vorflügel an der Backbordvorderkante 123 hydraulischer Vorflügelantrieb 124 kleiner Grenzschichtzaun 125 Vorflügel, ausgefahren 126 Vorflügel 127 Kraftstofftank, backbord (1400 Liter) 128 Hydraulikantrieb des rumpfseitigen Vorflügels 129 Integralflügeltank, backbord (1192 Liter) 130 oberes Positionslicht 131 Antenne des Freund-Feind-Kenngeräts 132 Raum für Avionikausrüstung 133 Kreiselplattform 134 Rumpftank Nr. 1 (814 l) 135 Lufteinlauf 136 Hydraulikanschlüsse 137 Behälter für Start-Treibsätze 138 Druckluftflasche des Pneumatiksystems 139 Zapfluftkanal zum Triebwerk 140 vordere Vertiefung für Lenkwaffe AIM-7 141 Zusatztank unter dem Rumpf (2271 Liter) 142 unteres Einlassgitter 143 Avionikraum 144 Betätigung der Einlassverstellung 145 oberes Einlassgitter 146 Martin-Baker-Schleudersitz des Beobachters 147 Anschnallgurte 148 Abzugsgriffe des Schleudersitzes 149 hintere Cockpitverglasung 150 Drehlager der vordern Cockpithaube 151 Verglasung zwischen den Cockpits 152 Instrumententafel im hinteren Cockpit 153 Canopy-Betätigung 154 Backbord-Lufteinlauf 155 Martin-Baker-Schleudersitz des Piloten 156 vordere Grenzschichtplatte

157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203

Steuerbord-Lufteinlauf Perforation Grenzschichtablenkblech Behälter des ALQ-72 ferngelenkte Bombe HOBOS 2000 (907 kg) Bugradschacht halbversenkter Lenkflugkörper AIM-7E-2 Sparrow vordere Formationsflugbeleuchtung Klimaanlage Batterie Steuerbord Instrumententafel des Piloten Anschnallgurte des Schleudersitzes Schubhebel Lufteinlassführung, backbord vordere Canopy-Rahmen rumpfseitiger Tragflächenpylon, backbord Verankerung des Außenlastträgers Dreifach-Waffenträger MK-82-Bomben (227 kg) ausgefahrene Bombenzünder Rahmen der Windschutzsscheibe Head-up-Display Instrumententafel Steuerknüppel Seitenruderpedale vorderes Cockpitdruckschott Kühlaggregat Funkantenne Bugradbetätigung Bugfahrwerksstrebe Zwillingsbugrad Anti-Flatter-Schere Lande- und Rollscheinwerfer Staulufteinlass der Klimaanlage Anstellwinkelsonde Munitionstrommel mit 639 Schuss Düse für die Frontscheibenreinigung ADF-Antenne Vordere Rumpfspanten Kanone M61A-1, Kaliber 20 mm Bordkanonenverkleidung Radargerät AN/APQ-120 Aufhängung der Radarantenne Verkleidung der Kanonenmündung Radarantenne Radom Staurohr

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RÜCKBLICK  Einsatzbericht

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Irrflug hinter den Eisernen Vorhang DER 22. OKTOBER 1959 VERSETZTE DAS BUNDESMINISTERIUM FÜR VERTEIDIGUNG AUF DER BONNER HARDTHÖHE IN HEKTISCHE BETRIEBSAMKEIT. AM SPÄTEN VORMITTAG WAR DER KONTAKT ZU ZWEI JAGDBOMBERN DES JABOG 34 VERLOREN

Text: Jörg Mückler Zeichnung: Lucio Perinotto

E

s sollte ein Instrumentenübungsflug auf der Standardstrecke Memmingen – Dinkelsbühl – Frankfurt  a. M. – Bitburg – Zweibrücken – Heidelberg  – Rottweil – Memmingen werden. Die beiden Republic F-84F Thunderstreak mit den Bordnummern DD107 und DD-108 gehörten zum Jagdbombergeschwader (JaboG) 34 in Memmingen. Rottenführer war der 29-jährige Stabsunteroffizier Helmuth Kraus, sein Begleiter der sechs Jahre jüngere Unteroffizier Rolf Hofmann, der zunächst die Formation führte. 08:52 Uhr Ortszeit meldete Hofmann Schwierigkeiten mit der Sauerstoffanlage. Daraufhin erhielt die Rotte den Befehl, sofort nach Memmingen abzudrehen. 09:25 Uhr meldeten beide Maschinen der Leitstelle Fürstenfeldbruck, dass sie jetzt die Wolken durchstoßen und zum Landeanflug ansetzen wollten. Danach hörte man 25 Tage nichts mehr von den beiden Piloten. Nach der Durchstoßzeit war bereits Alarm ausgelöst worden, aber DD-107 und DD-108 blieben verschwunden. Der Treibstoff reichte nur bis 10:45 Uhr. Schnell war klar, dass beide Piloten Opfer eines Navigationsfehlers geworden waren. Später stellte sich heraus, dass sie das Funkfeuer von Memmingen mit dem von Grafenwöhr verwechselt hatten, die auf der gleichen Frequenz von 284 kHz sendeten und sich nur durch einen periodisch verschickten Code unterschieden. Damit gerieten beide Jagdbomber auf Ostkurs und überquerten irgendwo auf der Linie Grafenwöhr–Pil-

sen die Grenze zur kommunistischen Tschechoslowakei (Cˇ SR). Erst nach dem Wolkendurchstoß mitten in einer Gewitterfront stellte Kraus fest, dass vom Flugplatz Memmingen keine Rede sein konnte. Doch da war es schon zu spät. Nach der Berührung mit den Spitzen eines Nadelwaldes versuchten die beiden Irrflieger noch hochzuziehen, doch die F-84F von Kraus geriet sofort nach der Baumberührung in Brand. Kraus betätigte den Schleudersitz, allerdings öffnete sich der Schirm nur unvollständig. Auf einem Baumgipfel blieb er unverletzt hängen, konnte aber selbst wieder auf den Boden gelangen. Auch der ihm Tragfläche an Tragfläche blind folgende Hofmann war rechts und etwas tiefer von seinem Rottenführer in die Baumspitzen gelangt, zog ebenfalls noch hoch und schoss sich heraus. Mit abgerissenem Helm baumelte Hofmann in etwa 15 Meter Höhe hilflos von der Spitze einer Fichte herab. Dass beide Piloten den damals noch komplizierten Ausschuss – es waren drei Handgriffe nötig – nur leicht verletzt überstanden, grenzt an ein Wunder. Als das vermeintliche Rettungsteam der Memminger „off base crashcrew“ nach einer Viertelstunde eintraf, wunderten sich Kraus und Hofmann nur kurz über die ungewöhnlichen Uniformen, die ihnen in den Rücken gedrückten Maschinenpistolen und eine unverständliche Sprache. Sehr schnell war klar, dass sie sich jenseits des Eisernen Vorhangs befanden. Schnell war auch klar, dass der Vorfall der Gegenseite einen willkommenen Anlass bot, um die Ost-West-Konfrontation zu befeuern. Erst nach 41 Tagen kehrten Kraus und Hofmann in die Bundesrepublik zurück.



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GEGANGEN. ZUNÄCHST AHNTE NIEMAND, DASS BEIDE PILOTEN EINEM FALSCHEN FUNKFEUER GEFOLGT UND IN DER CˇSR ABGESTÜRZT WAREN.

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REPORTAGE  Monocoupe

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Die Form des Monocoupes macht es für heutige Piloten schwierig, in der Kabine Platz zu finden. Die Menschen damals waren kleiner.

38 Special CLAYTON FOLKERTS KENNT HEUTE KAUM NOCH JEMAND, DOCH IN DEN 1920ER UND 1930ER JAHREN MISCHTE ER MIT AUF. DIE PILOTEN ERFLOGEN BEACHTLICHE ERFOLGE, DIE BIS HEUTE DEN MYTHOS DER MONOCOUPES BEGRÜNDEN. Text Philipp Prinzing; Fotos: Moose Peterson

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SEINEM FLUGZEUGENTWURF DIE RENNSZENE IN DEN USA

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o wie das Genie und die Hartnäckigkeit der Gebrüder Wright mit der Zeit langsam in der öffentlichen Wahrnehmung verblassten, so haben heutzutage auch nur die wenigsten von der Geschwindigkeit und der Agilität der Monocoupes gehört. Nur fünfzehn Jahre nach Orville Wrights erstem Motorflug baute Farmersohn Clayton Folkerts mit gerade einmal 19 Jahren im Keller seines Vater sein erstes Flugzeug. Es hob zwar nie ab, doch Folkerts verlor nicht den Mut und baute noch ein zweites und drittes Exemplar. Das dritte hatte ein paar ungewöhnliche Merkmale wie halbelliptische Flügel, die sich für die seitliche Kontrolle verzogen und mit einer Ruderstange wie ein Bob gelenkt wurden. Ein Ford-Model-T-Motor, bei dem Clayton den Wassermantel abgeschnitten und umgekehrt in sein Flugzeug montiert hatte, trieb den dritten Entwurf an. Er konnte damit über Zäune und Hecken fliegen, aber das war alles. Das war

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Im Vergleich zu den Doppeldeckern der damaligen Zeit wirkt das 38 Special Monocoupe wie aus einer anderen Welt.

1918, nur zwei Jahre, nachdem Folkerts das erste Flugzeug fliegen sah. Diese Inspiration sollte schließlich eine Legende der Luftfahrt hervorbringen. 1929 stürzte der Aktienmarkt ab – und obwohl der Börsencrash den USA den Wind aus den Segeln nahm, erfasste das Luftfahrtfieber das Land. Waco, Beechcraft, Cessna: Überall entstanden neue Firmen, die Flugzeuge bauten. 1930 war die Firma Central States Aero Monocoupe bereits seit vier Jahren in Betrieb. Don Luscombe und Folkerts vereinten 1926 ihre Talente, um die erste Monocoupe herzustellen. Luscombe war ein talentierter Verkäufer, der es liebte, zu fliegen. Aber das Open-Air-Erlebnis der Doppeldecker war nicht sein Ding. Er wollte ein geschlossenes Cockpit, damit er die Kleidung eines Gentleman tragen und gut aussehen konnte. Es war die Zeit der Sportpiloten, die der Luftfahrtindustrie auch während der Depression in den USA half zu wachsen.

von hinten.“ Die Ergebnisse des National Air Race 1929 schienen ein Wendepunkt in Folkerts Design gewesen zu sein. Phoebe Omlie flog mit einem neuen Warner Special Monocoupe und belegte den ersten Platz im Derby Santa Monica – Cleve­land. Sie gewann auch das Rennen der Frauen auf einem abgestecktem Kurs. Andere Monocoupes mit weiteren Piloten gewannen weitere Rennen im ganzen Land. Verne Roberts war der erfolgreichste MonocoupePilot und flog einen großen Teil der Siege ein. Mit dem, was Folkerts daraus gelernt hatte, entwickelte er im Winter 1929 das Monocoupe Model 90 – Model 90, weil der neue 90 PS starke Warner-R-266-Motor unter der Cowling arbeitete. Zu diesem Zeitpunkt bekam Mono Aircraft auch den Warner Scarab mit 110 PS und passte ihn an das Monocoupe Model 90 an. Die Zulassung des Prototyps Model 110 erfolgte im Juni 1930, der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt.

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Aus der Central States Aero wurde 1928 die Mono Aircraft Inc. Noch ohne formale Ingenieursausbildung hatte Folkerts sein Design mittlerweile erheblich verfeinert. Die Monocoupe, die zwei kleinen Menschen (nach Standard der 1920er Jahre) in seinem geschlossenen Cockpit Platz bot, war ein winziges Flugzeug, besonders im Vergleich zu den Doppeldeckern der Ära. Der einteilige Holzflügel mit dem massiven, über die gesamte Länge des Flügels verlaufenden Holm bildete auch die Oberseite der Kabine. Sein hohes Seitenverhältnis gab der Monocoupe viel Licht in der winzigen Kabine, und der Rumpf reduzierte den Luftwiderstand auf ein Minimum. So entstand das schnellste Flugzeug dieser Zeit. E. K. (Rusty) Campbell, der erste Testpilot, war von den Flugeigenschaften mehr als begeistert. Luscombe versuchte herauszufinden, woher die Geschwindigkeit kam, und fasste es in folgende Worte: „Es ist, als würde man auf ein Stück Seife treten, der Schub kommt

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Aus dieser Zeit stammt auch eine der Legenden, die sich um dieses Flugzeug ranken. Eine herrenlose Monocoupe soll wegen starken Winden in Great Falls, Montana, abgehoben sein und den Flugplatz umrundet haben, bis das Benzin ausging. Nur um dann in einem sanften Gleitflug in der Nähe des Startorts zu landen. „Ripley’s Believe It or Not!“ (ein amerikanischer Comic und ein Franchiseunternehmen) machte die Geschichte im ganzen Land bekannt.

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DAS MONOCOUPE-RENNVERMÄCHTNIS

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In den 1930er Jahren wurden die Motoren größer, zuverlässiger und leichter. Um Platz für die zusätzliche Leistung unter der Haube zu schaffen, wurde die Windschutzscheibe des Monocoupes wieder kleiner. Als der 90 PS starke Lambert-Sternmotor an der Front des Monocoupes befestigt wurde und die windschnittige Verkleidung ihn bedeckte, lieferte das Monocoupe das, was damals als glühende Leistung galt: 177 km/h Reise- und 200 km/h Höchstgeschwindigkeit sowie eine Steigrate von 275 Metern pro Minute. Im Vergleich zu den sperrigen Doppeldeckern war das blitzschnell. Man muss noch mal einen Zeitsprung in die Vergangenheit machen, denn zu diesem Zeitpunkt begannen die Monocoupes die Welt der Luftrennen für sich zu entdecken. 1928 waren zehn Prozent aller gemeldeten Flugzeuge Monocoupes! Das Rennzeitalter begann, wie bereits erwähnt, 1928 mit Phoebe Omlie und Jack Atkinson, die an der 6300 Meilen langen Ford Reliability Tour teilnahmen. Die erste Rennen auf einem abgesteckten Kurs waren die National Air Races 1928 in Los Angeles. Verne Roberts und C. A. LaJotte lieferten mit durchschnittlich 95 mph und 110 mph ein gutes Rennen ab. 1929 belegte Phoebe Omlie mit ihrem Monocoupe mit Warner-Motor den ersten Platz beim Derby Santa Monica – Cleveland der National Air Races. Diese Periode der Monocoupe-Entwicklung und des Rennsports entwickelte sich als gutes Verkaufsargument, das Luscombe, der Verkäufer und Firmenchef, zu nutzen wusste. Es begann 1928 mit dem kleinen, 55 PS starken Model 70. Das Model 70 entwickelte sich zum Model 113, wobei die Velie-Motoren mit 60 PS durch 110 PS ersetzt wurden. Diese Renner führten zu den zertifizierten 110 PS liefernden, von Warner angetriebenen Monosport 1 und 100 PS Kinner Monosport 2 von 1929. Ihr Erfolg ebnete wiederum den Weg zum 110/125 PS leistenden, von Warner angetriebenen Model 110, das am 16. Juni 1930 zertifiziert wurde. Obwohl nur etwa 50 Model 110 gebaut wurden, stellten sie bei den National Air Races 1930 und 1931 einen erstaunlich großen Anteil der Teilnehmer und gewannen nicht nur ihre 450 Kubikinch-Klasse, sondern auch die 510, 650, 800 und 1200 Kubikinch-Klassen gegen Flugzeuge mit viel größeren Triebwerken. Während dieser Zeit wurde Johnny Livingston mit seinem Monocoupe bekannt. Er flog die Legende, das Model 110 Monocoupe (Johnny Livingston war die Inspiration für Richard Bachs Buch „Jonathan Livingston Seagull“). Livingston war der spektakulärste unter den Rennpiloten des Model 110, wobei 1931 das Jahr seines größten Erfolgs war. Er nahm 1931 an 65 Rennen teil, darunter die National Air Races in Cleveland, von denen er 41 gewann. Darüber hinaus wurde er 19-mal Zweiter, viermal Dritter und einmal Fünfter. Livingstons größte Leistung war bei den National Air Races in Cleveland, wo er in den folgenden Rennen mit seinem modifizierten Monocoupe 110 NC501W den ersten Platz belegte: Herren 510 Kubikinch, frei für alle (einschließlich nicht zertifizierter Piloten) – 225 km/h; Männer 510 Kubikinch, zertifizierte (ATC) Flugzeuge – 238 km/h; Herren 650 Kubikinch, frei für alle – 217 km/h; Herren 650 Kubikinch ATC – 212 km/h; Herren 800 Ku-

bikinch ATC – 233 km/h; Herren 1200 Kubikinch ATC – 233 km/h. Zudem wurde er in folgenden Rennen Zweiter: Herren 800 Kubikinch, frei für alle – 239 km/h; Herren 1000 Kubikinch ATC – 239 km/h. Livingston trat sogar in seinem Monocoupe 110 in der Klasse 1000 Kubikinch, frei für alle, unter anderem gegen die Gee Bee Z an – und wurde Fünfter! In diesem Jahr gewann Jimmy Doolittle die Bendix Trophy und Lowell Bayles den Thompson mit der Gee Bee Z, was die meisten nationalen Schlagzeilen machte. Aber niemand kam auch nur annähernd an Livingstons Rekord heran, sechs der neun Rennen zu gewinnen, in denen er gestartet war. Livingston gewann bei den National Air Races 1931 ein Gesamtpreisgeld von 6180 Dollar (fast 250 000 Dollar heute). Livingston schickte Anfang 1932 sein Monocoupe 110 zur weiteren Modifikation zurück in die Fabrik. Er ließ die Flügel kürzen, was schnell als „Special“ oder „Clipwing“ Monocoupe bekannt wurde. Das überarbeitete Flugzeug hatte auch kleinere Räder und beim ersten Rennen einen neuen 145-PS-Warner-Motor. In seinem Clipwing Monocoupe gewann Livingston das Cincinnati Trophy Race mit nur zwei Sekunden Vorsprung und wurde Dritter im Pylonenrennen. Sein Clipwing Monocoupe konnte über 321 km/h auf dem Kurs fliegen. 1931 wurde aus der Mono Aircraft Inc. die Monocoupe Corporation. Drei Jahre später erfolgte die Umfirmierung in Lambert Aircraft Corporation – aus dem schlankem Monocoupe wurde das D-Modell. Zu diesem Zeitpunkt flogen Piloten aus dem ganzen Land die kleinen schnellen Flugzeuge geschäftlich und zum Vergnügen. Amelia Earhart und Charles Lindbergh sind nur zwei der bekanntesten Besitzer. Doch die Zeiten, in denen die Monocoupes die Rennstrecken dominierten, verblassten langsam. Das D-Modell verkaufte sich nicht gut, aber das Model 90A lief weiterhin ganz ordentlich. Lambert Aircraft hatte einen Top-Verkäufer, Clare W. Bunch, der 1934 jedoch wegen chronischer interner Zwietracht entlassen wurde. Dann ging auch der Chef von Lambert Aircraft und dessen vorheriger Vertreter Towle (Designer des Serienmodells des Ford Trimotors) übernahm. Sein erster Akt war die Wiedereinstellung von Bunch. Dann verließ Towle die Firma und überließ Bunch Lambert Aircraft und die Zukunft der Monocoupes. 1936 wurde Lambert Aircraft zur Monocoupe Corporation und produzierte das Modell 90A. Monocoupe erlebte viele Aufs und Abs während des Zweiten Weltkriegs und kämpfte ums Überleben. Die Produktion der Monocoupes endete 1950.

MONOCOUPE 110 SPECIAL N101H

Am 28. Mai 1938 lief in Robertson, Montana, das dritte der Monocoupe Special oder Clipwing SN 6W60 vom Band. NC511 wurde auf eine Gruppe-2-Zulassung lizenziert, eine Änderung der genehmigten Musterzulassung für das Monocoupe Modell 110. Angetrieben von einem 145 PS starken Warner-Sternmotor und mit Verstellpropeller der Marke Hamilton Standard brachte es eine Leermasse von 486 kg und ein Startmasse von 739 kg auf die Waage. In den ersten Jahren blieb die NC511 als Demoflugzeug in der Fabrik. Doch die Rennhistorie der Firma brachte auch die NC511 nochmals zu den Luftrennen der späten 1930er Jahre. Edna Gardner Whyte gewann zwei Mal die Culver Trophy bei den Miami Air Maneuvers. Clare Bunch, der Präsident von Monocoupe, gewann das Dominican Trophy Race und stellte 1939 einen Geschwindigkeitsrekord für Leichtflugzeuge von New York nach San Diego auf. Danach wurde die NC511 am 21. Dezember 1940 für „$ 1,00 und andere Gegenleistung“ an Clare Bunch verkauft.

Heard besaß die N101H für die nächsten elf Jahre und flog nur 110 Stunden. Während dieser Zeit tauchte er bei Fly-ins und Airshows auf und flog manchmal ziemlich einfache, aber risikoreiche Flugmanöver. Auf dem Heimweg am 3. April 1966 von einer Flugshow in Arcadia, Florida, beschloss Heard, eine improvisierte Kunstflugshow über der Farm eines Freundes zu machen. Es ist nicht klar, was schiefging, aber Heard schlug in einem sehr steilen Winkel auf den Boden auf und wurde dabei getötet. Vom Monocoupe blieb nur ein ausgebranntes Gerippe zurück. Am 22. September 1967 kaufte Syd Stealey das „Paperwork“ für die N101H zusammen mit den Überresten des Flugzeugs. Es erfolgte ein Weiterverkauf an Dick Austin. Dieser erwarb noch zwei weitere Monocoupes, 15E und 2347, sowie etliche Teile von

Die Rennvergangenheit lässt sich bei dieser Aufnahme erahnen. Die oberen Fenster geben den Blick auf den Piloten frei.

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J. R. Horton aus Coral Gables, Florida, kaufte das Flugzeug am 2. Mai 1945 und exportierte es drei Jahre später nach Kuba. Was dort in den nächsten sechs Jahren passierte, ist ein kleines Rätsel. Es wird angenommen, dass José Acebo auf Airshows flog und die NC511 vielleicht benutzte, um von Kuba in die USA zu fliehen. Eine andere Geschichte besagt, dass F. Sequeiro die Maschine gekauft hat. Was auch immer der Fall war, die NC511 kam zurück in die USA und wurde im Juni 1955 als N101H von Joe Marrs registriert. Aber zuvor hatte Marrs die N101H im März an Rusty Heard verkauft. Heard war Kapitän der Eastern Airlines. 1956 wurde die Monocoupe von Clayton Gambler mit Stoff bespannt und ein neuer, 145 PS starker Warner-Motor sowie ein CurtissReed-Propeller wurden installiert.

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anderen und übergab sie den kundigen Händen von C. V. Stuart (der schon die berühmte „Little Butch“ für John McCulloch restaurierte). Die 15E wurde fertiggestellt, geflogen und an EAA Aviation gespendet. 1986 kaufte John McCulloch das Projekt, begann aber erst 1989 mit der Restaurierung, die er auf verschiedene Shops verteilte. So wurden Teile von Jim Kimball und andere von Jim Younkin restauriert. Der 185-Warner-Motor wurde von Mike Conner restauriert. Das Monocoupe 110 Special N101H hob am 21. Februar 1992 erstmals wieder ab. An diesem Tag wurden fünf Flüge durchgeführt, ohne große Beanstandungen. Am 2. April 1992 wurde ein Standard-Lufttüchtigkeitszeugniss ausgestellt. Seit die N101H vom Band gelaufen war, hatte sie nur 738,85 Stunden in der Luft verbracht. Beim Sun ’n Fun erhielt sie die Auszeichnung als Antique

Reserve Grand Champion. Zwei Wochen später, beim Fly-in von EAA Antique / Classic Chapter 3, wurde sie zum Grand Champion ernannt.

DIE N101H HEUTE

Der langjährige Monocoupe-Bewunderer Warren Pietsch erwarb die N101H im Mai 2002. Dies war schon sein zweites Monocoupe, aber sein erstes Special oder Clipwing. Die Untersuchung des Flügels, der bei einem Rangierunfall leicht beschädigt worden war, ergab, dass er wieder aufgebaut werden musste. Ed Sampson aus Red Woods, Minnesota, baute den neuen Flügel für die N101H und Gary Johnson von Pietsch Aircraft Restoration kümmerte sich um die Bespannung. In Anlehnung an sein Monocoupe 110 „Long wing“ wurde die Lackierung gewählt. 2011 war die N101H wieder

Bis man ein Monocoupe selbst aus nächster Nähe gesehen hat, merkt man nicht, wie klein die Kabine ist. Erbaut in einer Zeit, in der die Menschen physisch kleiner waren, mag es heute eine Herausforderung sein, einzusteigen und an der Steuerung zu arbeiten. Das erfordert ein wenig Übung. Fersenbremsen sind ein weiterer Faktor, mit dem man auf jeden Fall umgehen muss. Man nutzt sie eigentlich nur beim Rollen, aber bloß nicht auf der Start- und Landebahn. „Ich denke, es ist ein ziemlich effizientes und sparsames Flugzeug in der Luft“, sagt Blessum. „Wir waren schon bei ein paar Fly-ins und haben ein paar Flüge gemacht. Man kann leicht den Unterschied und den Vorteil gegenüber den Doppeldeckern aus dieser Zeit sehen. Die Historie ist der Wahnsinn, und man erkennt die Gene der Rennflugzeuge dieser Zeit in jeder Linie. Es macht wirklich Spaß, es zu fliegen – und es ist ein echter Renner.“



Warren Pietsch ist der heutige Besitzer der 38 Special und genießt die kleine Maschine in vollen Zügen.

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in der Luft. Pietschs Mitarbeiter und Fliegerfreund Jay Blessum verbrachte viele Stunden mit Pietschs Clipwing und Longwing in der Luft. Als er zum ersten Mal gebeten wird, die Erfahrung zu beschreiben, kommt ein breites Lächeln über sein Gesicht: „Es hat viel Spaß gemacht, etwas zu fliegen, das ziemlich originell ist. Die Bauweise und Leistung sind wirklich einzigartig. Es ist eines der schwierigsten Flugzeuge, das ich je geflogen bin. Es gibt wahrscheinlich viele andere Flugzeuge, die genauso schwer zu fliegen sind, aber hier muss man weit im Voraus planen und darf nichts zu schnell machen. Man darf das Heck nicht zu schnell abheben. Wenn man das Heck abhebt, möchte es links abbiegen, aber man hat immer noch nicht genug Ruderwirkung, um es gerade zu halten. Also muss man den Sporn von selbst hochkommen lassen und so lange warten, bis der Apparat abheben will.“

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TECHNIK  Bordbewaffnung

Klassiker der Luftfahrt | 1/2022

Fotos: Sammlung Mückler, Sammlung Josef Scott (1)

Als Starrwaffe dieser Rumpler C I ist ein LMG 08 auszumachen. Der Beobachter hatte sich neben dem LMG 14 mit einem britischen Lewis-MG versorgt.

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Der Flugzeugführer dieser Fokker A I demons­ triert das 1915 in größerer Zahl eingeführte Flieger-Selbstladegewehr Mauser M 98.

Der Flugzeugführer dieser B-Maschine hat sich neben der Signalpistole eine Pistole 08 (Luger) mit Anschlagkolben bereitgelegt.

1916 scheiterte am Steuersystem der Versuch, die Feuerkraft der Fokker E IV mittels einer Dreifachlafette LMG 08 zu steigern.

Die Geburt der Bordwaffe IM ERSTEN WELTKRIEG WURDE AUS DEN HÖFLICH AUSGETAUSCHTEN GRÜSSEN DER AUFKLÄRER ÜBER DER FRONT BALD EIN ERBITTERTER KAMPF DER JAGDFLUGZEUGE, ERMÖGLICHT DURCH DIE SCHNELLE ENTWICKLUNG WIRKUNGSVOLLER BORDWAFFEN.

FFA 5, Hauptmann Werner Kerksieck, zum Opfer. Zwar kam bei einer ähnlich zufällig entstandenen Schießerei am 6. November 1914 auch eine deutsche Besatzung der FFA 33 – die Leutnants Rudolf Flashar und Werner Demuth – zu einem ersten Erfolg. Demuth hatte den französischen Bréguet-Einsitzer mit einem Repetiergewehr vom Himmel geholt. Doch blieb das ein singulärer Erfolg, während immer mehr gut bewaffnete alliierte Flugzeuge auftauchten und den deutschen Aufklärern schwer zu schaffen machten, wie ein weiteres Ereignis vom 5. Februar 1915 belegt. Oberleutnant Otto Zimmer-Vorhaus (FFA 9) geriet mit seinem Flugzeugführer beim Artillerie-Einschießen an einen englischen Doppeldecker, vermutlich die soeben an die Front gekommene Vickers FB 5: „Der vorn ungehindert sitzende Beobachter schoss mit einem MG, der Flugzeugführer mit seinem Revolver. Wir dagegen besaßen nur einen Karabiner. Ich erhielt einen MG-Schuss durch den Ischiasnerv und eine Revolverkugel in den linken Oberarmmuskel.“ Zimmer-Vorhaus verbrachte die nächsten drei Monate im Lazarett. Spätestens jetzt hätten alle Alarmklingeln im preußischen Kriegsministerium schrillen

Diese Bildfolge aus nahezu gleicher Perspektive dokumentiert die zeitliche Entwicklung der Bordbewaffnung der ersten deutschen Kampfeinsitzer von Mitte 1915 bis Mitte 1916. Links eine der ersten Fokker E I mit starrem LMG 14, in der Mitte eine Fokker E II mit einem LMG 08. Die rechte Aufnahme zeigt eine Fokker E IV mit zwei MG 08 in Doppellafette, der künftigen Standardbewaffnung. Zu beachten ist das verbundene Rahmenvisier.

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er 28. April 1915 war für die deutsche Fliegertruppe ein ganz besonderer Tag. Zum ersten Mal gelang es, mit einem fest eingebauten Maschinengewehr ein gegnerisches Flugzeug abzuschießen. Das Ganze war einer Eigeninitiative zu verdanken, nachdem sich die Verluste durch französische Flugzeuge häuften, die auf dem Gebiet der Bordbewaffnung wesentlich zielstrebiger zu Werke gingen. Erinnert sei an den ersten Luftsieg der Geschichte am 5. Oktober 1914, als Caporal Louis Quénault und Sergeant Joseph Frantz der Escadrille V 24 auf einer Voisin LA eine Aviatik P 13 oder 14 der preußischen Feldflieger-Abteilung (FFA) 18 durch MG-Schüsse zum Absturz brachten. Sergeant Wilhelm Schlichting und Oberleutnant Fritz von Zangen fanden den Tod. Bis zu diesem Tag hatten die Gegner in der Luft nur Pistolen- und Karabinerschüsse gewechselt, sich nach einigen Berichten aber auch aus der Erhöhung mit Wurfgeschossen traktiert. Einem solchen „Pistolenduell“ von immerhin knapp zehn Minuten Dauer fiel am 26. August 1914 als erster exponierter deutscher Flieger der 35-jährige Führer der preußischen

Text: Jörg Mückler

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Zum Standard aller deutschen Jagdflugzeuge wurde von Herbst 1916 bis Kriegsende die Doppellafette mit zwei LMG 08/15.

Die Schüsse wurden per Daumendruck auf einen Kippelhebel am Steuerruder Waffenmeisterei mit zwei Mauser M 98, vier LMG 08/15 mit ausgelöst und per biegsamer Rückstoßverstärker (davon zwei mit Diffusor) und einem LMG 14. Im Spannbock ist ein Bergmann LMG 15 auszumachen. Welle übertragen.

müssen. Doch noch bewegte sich in der behäbigen deutschen Militärbürokratie nichts. Wie so oft kam der entscheidende Anstoß zur Eigenbewaffnung der Flugzeuge aus der Truppe. Damit zurück zur Vorgeschichte des eingangs erwähnten 28. April 1915.Begonnen hatte alles mit dem zunehmenden Frust des Kommandeurs der Brieftauben-Abteilung der Operationsabteilung (BAO), Major Wilhelm Siegert. Siegert, der 1915 als Inspekteur der Fliegertruppen (Idflieg) zu den wichtigsten Persönlichkeiten der deutschen Luftkriegsgeschichte aufrückte, mochte seine wehrlosen Bomber nicht weiterhin feindlichen Flugzeugen ausliefern. Denn hinter der BAO, bei der

das „O“ später für Ostende stand, verbarg sich die erste – wenngleich improvisierte – Bombereinheit der Fliegertruppe, die mit einem Mix unterschiedlicher B-Flugzeuge feindliche Nachschubhäfen an der französischen Kanalküste angriff. Einer von Siegerts bewährten Flugzeugführern war Oberleutnant Hugo Geyer, Vorkriegsflieger mit dem deutschen FAIPatent Nr. 276 vom 23. August 1912, der bei Einführung der ersten deutschen Bordwaffe eine maßgebliche Rolle spielte. Entstehen sollte das so bewaffnete Flugzeug bei der Automobil & Aviatik AG im elsässischen Mülhausen. Mit einem von Siegert bei der Idflieg auf verschlungenen Pfaden beschafften nagelneu-

en LMG 14 (Parabellum) gingen Geyer und Leutnant Egbert Kühn ans Werk.

PARABELLUM WIRD FLÜGGE

Der Einbau in den vorn liegenden Beobachtersitz der Aviatik P15b, Militärnummer B.192a/13, erwies sich nach Geyer als anspruchsvolle Tüftelei: „Wir bastelten links vorn und rechts hinten im Beobachtersitz je eine Stütze, schirmten die Luftschraube durch einen Bügel ab und machten unsere Probeflüge gleich über dem Feind. Das Umsetzen des MGs war keine Freude für den Franz. Bald warfen wir den runden Tank heraus, bauten zwei flache Tanks seitlich ein und richteten die Stüt-

Höchst selten ist die Verwendung eines LMG 08/15 als Beobachter-Waffe, hier festgehalten bei der FFA 1 im Jahr 1916.

zen auf je einer Schiene verschiebbar ein, so dass man auch eine weitere Kugelspritze mitnehmen konnte.“ Mit „Kugelspritze“ meinte Geyer das LMG 14. Dass inzwischen überhaupt eine Automatikwaffe zur Verfügung stand, geht auf das Jahr 1901 zurück, als das preußische Heer das Maschinengewehr 01, eine Lizenz des USamerikanischen Maxim, einführte. Hersteller waren die Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken (DWM) in Spandau bei Berlin, die daraus 1908 das MG 08 weiterentwickelten. Die wassergekühlte Waffe wog aber bereits ohne Schlitten fast 30 kg und eignete sich daher nicht zum Einbau in Flugzeugen. Lediglich einige Luftschiffe ließen sich damit ausrüsten.

Das Bewaffnungsdefizit hatte das preußische Kriegsministerium jedoch mittlerweile erkannt und DWM mit der Entwicklung einer deutlich leichteren Waffe mit mindestens gleicher Schussleistung beauftragt. Das Projekt erhielt den Decknamen „Parabellum“. Die für den Einbau in Flugzeugen vorgesehene Variante des Parabellum war luftgekühlt und brachte nur noch 10 kg auf die Waage. Als LMG 14 lief die Fertigung 1915 an, deckte aber bei weitem nicht den Bedarf. Schließlich musste auch das MG 08 für die Verwendung in Flugzeugen modifiziert werden. Die luftgekühlte Ausführung LMG 08 diente fort-

an als mit dem Antrieb synchronisierte Starrwaffe („Motor-Gewehr“), während das LMG 14 nach anfänglicher Verwendung bei Kampfeinsitzern als Standard auf den Drehring des Beobachters wechselte („Gast-Gewehr“). Diese Unterscheidung blieb auch bestehen, als 1915 eine überarbeitete Version des MG 08 an die Front kam. Das von den Alliierten als „Spandau“ bezeichnete LMG 08/15 war mit 12 kg inzwischen auch zu einem Leichtgewicht abgemagert. Ab Anfang 1916 bestückte es in Einzel- oder Doppellafette jeden Kampfeinsitzer, ab April 1916 als starre Bugwaffe auch die ersten C-Flugzeuge. Während die Waffenentwicklung bei den Kampfeinsitzern also mehr oder weniger geradlinig verlief, fehlte

Bugkanzel einer AEG G III. Das LMG 14 besitzt bereits ein Kreiskornvisier und wird von einem Trommelmagazin mit 200 Schuss „gefüttert“.

Ungewöhnliche Fixierung eines LMG 14 am Spannturm einer LVG C oder C II. Alternativ steht eine Gabelhalterung zur Verfügung.

Zwei mit Zielfernrohren versehene LMG 14/17 werden zur Verteidigung auf dem Riesenflugzeug Staaken R VI R.25/16 montiert.

„MOTOR“- UND „GAST“-GEWEHR

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Fotos: via Haufschild (1), Sammlung Mückler

Dieser Beobachter einer LVG C I hat sich neben dem LMG 14 mit Kastenmagazin ein LMG 15 auf das Tragdeck montieren lassen, vermutlich weil ein Drehring noch nicht zur Verfügung stand.

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Die hier am Spannturm angebrachte „Zweitwaffe“ ist ein dänisches Madsen-MG. Die leistungsfähige Waffe dürfte aus russischen Beutebeständen stammen. Das LMG 14 besitzt noch ein Rahmenvisier. Dieses vermutlich von kanadischen Truppen erbeutete und in den USA hergestellte MG Marlin Colt M1914 fand Verwendung in einer Albatros B I. Man beachte das Schiebegestänge beim vorn sitzenden Beobachter. bei den Doppelsitzern zunächst eine einheitliche Vorgabe. Feldflieger-Abteilungen und Kampfgeschwader der OHL (Kagohl) entfalteten ab Mitte 1915 ein reges Eigenleben und nutzten jedes verfügbare MG, ob deutscher Herkunft oder Beutewaffe, um ihre C-Flugzeuge mehr oder weniger zweckmäßig aus­ zustatten. Auf diese Weise entstand eine für jeden Historiker interessante Vielfalt. Der praktische Nutzen der meisten Improvisationen hielt sich allerdings in Grenzen und reduzierte die Nutzlast.

ERSTE DEUTSCHE JAGDFLIEGER-ERFOLGE 1915

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ließ aufschlussreiche Analysen seiner Luftkämpfe, bevor er am 21. Juli 1916 den Tod fand. Das LMG 14 als Starrwaffe wurde allerdings sehr bald vom LMG 08 abgelöst. Dabei blieb es bis Kriegsende.

DIE UNGEWOLLTE VIELFALT

Doch wie war es mit den Versuchen bei Avia­ tik weitergegangen? Im Februar 1915 erhoben sich Geyer und Kühn von Freiburg aus zu ersten Angriffsflügen. Schon der erste Kampftag am 11. Februar 1915 war zumindest ein moralischer Erfolg. Mit 400 Schuss zwang die deutsche Besatzung zwei Gegner zur Umkehr. So viele Kugeln waren bisher noch keiner französischen Besatzung um die Ohren geflogen. Die Besatzungen verfügten nur über Magazinstreifen mit je 25 Schuss. Schließlich gelang der eingangs erwähnte Abschuss vom 28. April 1915. Geyer und Kühn schossen eine von drei Voisin LA der Escadrille VB 109 über Altkirch ab. Die zweiköpfi-

Fotos: via Haifschild (1), Sammlung Manfred Krieg (1), Sammlung Mückler

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Als der erste deutsche Kampfeinsitzer Fokker E I an die Front kam, führte er, wie erwähnt, ein LMG 14 als Bordwaffe. Ungeachtet der späteren patentrechtlichen Streiterei mit Franz Schneider (siehe Kastentext S. 61), hatte Fokkers Konstrukteur Heinrich Lübbe das Schneider’sche Synchronprinzip der Stangen-

steuerung als „Zentral-M.G.-Steuerung“ zur Se­rienreife weiterentwickelt, wobei die Impulsübertragung nunmehr über ein Getriebe mittels flexibler Wellen, die heute als Bowden­züge bezeichnet werden, erfolgte. Ein Befehl der Idflieg vom 25. Juli 1917 sicherte Fokker das Monopol, obwohl neben LVG inzwischen auch andere Hersteller wie Albatros und Siemens-Schuckert (SSW) Lösungen zur Steuerung von durch den Luftschraubenkreis feuernden Maschinengewehren anboten. Mit einem solchen Parabellum-MG eröffnete Leutnant Kurt Wintgens am 15. Juli 1915 die Ära der deutschen KampfeinsitzerErfolge. Der am 25. September 1916 nach 19 Luftsiegen gefallene Wintgens darf daher als einer der ersten deutschen Jagdflieger bezeichnet werden. An seine Seite gehört Leutnant Otto Parschau, der das LMG 14 anfänglich sogar in eine wenig geeignete Fokker M5K einbauen ließ, bevor ihm eine der ersten Fokker E I zur Verfügung stand. Parschau hinter-

Der vorn sitzende Beobachter hat sich ein französisches 8-mm-Hotchkiss-MG mit Streifenmagazin zugelegt. Die Aufnahme aus dem Jahr 1915 demonstriert die Schussrichtung am Flugzeugführer vorbei nach hinten.

Das meistverwendete Beute-MG war das britische Lewis mit dem markanten Tellermagazin. Hier die Version Mk.II (Mitte). Die üppige Ausstattung wird durch ein LMG 14 (links) und ein LMG 15 komplettiert.

Nach der 12. Isonzoschlacht Ende 1917 fiel eine große Anzahl italienischer Waffen in deutsche Hände. Die doppelläufige Maschinenpistole Villar-Perosa M1915 dient hier als rückwärtige Bordwaffe einer Halberstadt CL II.

ge Besatzung kam ums Leben, die Angriffe gegen Südbaden endeten vorübergehend. Nur vier Wochen später war auch Kühn tot. Das halblegale Erprobungskommando hatte aber entscheidend dazu beigetragen, das LMG 14 zu etablieren. Bis Kriegsende blieb es die am meisten genutzte deutsche Beobachter-Waffe. Eine verbesserte Ausführung des Parabellum erschien als LMG 14/17 und zeichnete sich durch einen kürzeren Lauf und ein stark verjüngtes Mantelrohr aus. Trotz der hierdurch erzielten Materialersparnis ließ sich der Bedarf bei weitem nicht decken. 1915 bestellte die Idflieg bei den Theodor Bergmann Industriewerken in Suhl eine ähnlich spezifizierte Waffe, die als LMG 15 mit 600 Stück eingeführt

wurde. Das Bergmann-MG erfüllte jedoch nicht die Erwartungen, wurde im Juli 1916 ausgeschieden und der Infanterie überwiesen. Die dadurch entstandene Lücke wurde überwiegend durch Beutewaffen gefüllt. Die letzte Entwicklung verkörperte ein von Karl Gast entwickeltes doppelläufiges Maschinengewehr, das bei der Firma Vorwerk in Barmen produziert wurde. Die innovative Waffe gelangte jedoch nur in sehr geringer Stückzahl an die Fliegerverbände. Gleiches gilt für die seit Mitte 1916 angelaufene Einführung von „Flugzeuggeschützen“ der Kaliber 3,7 cm und 2 cm. Nur die 2-cm-Becker-MK erreichte beschränkte Einsatzreife, blieb aber angesichts zu geringer Liefermenge bedeutungslos.



Obwohl seit Ende 1917 erfolgreich erprobt, gelangte die 2-cm-Becker-Maschinenkanone nur noch in geringer Anzahl zum Einsatz. Gut zu erkennen ist der ab 1917 eingeführte Drehring (Pivot).

Am 15. Oktober 1919 fällte das Reichsgericht in Leipzig eine verspätete Entschei­ dung, die sich kaum in der Literatur wieder­ findet. Der einstige technische Direktor der Luft-Verkehrs-Gesellschaft A.G. (LVG) Franz Schneider (1871–1941) erhielt alle Rechte an der „Erfindung einer Vorrichtung zum Schießen durch den kreisenden Propeller“ zugesprochen. Zugleich wurden die von Anthony Fokker er­ hobenen Ansprüche an der Erfindung eines

synchronisierten MG als nichtig erklärt. Doch der 1914 in Deutschland eingebürgerte Schwei­ zer, der die Ansprüche aus seinem Reichspatent von 1913 frühzeitig an LVG abgetreten hatte, profitierte davon nicht. Selbst LVG unternahm während des Kriegs keine Schritte zur Rechte­ wahrung. Es gilt die Vermutung, dass die Mili­ tärführung einen juristischen Streit unterband. Ende 1916 gründete Schneider seine eigene Firma, die aber keine Bedeutung erlangte.

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Der vergessene Erfinder

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FLUGZEUGREPORT  Bachem BP 20/Ba 349 Natter

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Der einzige bemannte „Steilstart“ der Natter wurde mit dem Versuchsmuster M 23 durchgeführt.

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In der Holzzelle waren die Treibstofftanks und das Walter-Triebwerk verbaut. Unten: ein Start auf dem Ochsenkopf.

Bemannte Rakete ZU DEN LETZTEN DEUTSCHEN ENTWICKLUNGEN DES ZWEITEN WELTKRIEGS ZÄHLT DER SENKRECHT STARTENDE RAKETEN-ABFANGJÄGER BACHEM NATTER. DER EINZIGE BEMANNTE TESTSTART DER HOLZKONSTRUKTION ENDETE AM 1. MÄRZ 1945 MIT EINEM TÖDLICHEN ABSTURZ.

V

erheerende alliierte Bombenangriffe, gegen die die Luftwaffe zunehmend machtlos war, ließen die Rüstungsverantwortlichen in Berlin im Sommer 1944 nach jedem Strohhalm greifen. Das Reichsluftfahrtministerium setzte auf den in Massen einfach herzustellenden „Volksjäger“ Heinkel He 162. Eine noch radikalere Lösung stellte der nur einmalig verwendbare, von Raketen angetriebene Objektschutzjäger Ba 349 Natter von Erich Bachem dar. Bachem hatte nach seinem Ingenieurstudium in Stuttgart seit 1933 für Fieseler gearbeitet, zuletzt als Chef der Entwicklungsabteilung. 1942 machte er sich mit Unterstützung des württembergischen Wirtschaftsministeriums im oberschwäbischen Waldsee (heute Bad Waldsee) selbstständig. Das Bachem-Werk arbeitete als Lieferant für Flugzeugzellenteile, meist aus Holz.

Warum ausgerechnet Bachems Raketenjäger in den letzten Kriegsmonaten realisiert wurde, ist nicht ganz klar, denn zunächst wurden die Vorschläge des Außenseiters vom Reichsluftfahrtministerium aus technischer und einsatztaktischer Sicht abgelehnt. Bachem gelang es aber, seine Idee dem allgewaltigen Reichsführer SS Heinrich Himmler zu präsentieren, der seit Juli 1944 auch Chef der Heeresrüstung war. Himmler hatte eine Vorliebe für unkonventionelle technische Entwürfe und gewährte seine volle Unterstützung. Diesem Anliegen konnte sich auch das RLM nicht widersetzen und gab entsprechend Mitte September 1944 zunächst 15 Versuchsmuster in Auftrag. Später wurde der Auftrag auf 50 aufgestockt. Die Auslegung des Raketenjägers, dessen erste Skizzen vom 16. Juli 1944 überliefert sind, hatte unterdessen mehrere Änderungen durchlaufen. Unter der Projektbezeichnung BP 20 waren zum Beispiel die liegende

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Text: Karl Schwarz; Fotos: KL-Dokumentation

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Die ersten unbe­mannten Starts mit den NatterPrototypen fanden im Jahr 1944 statt.

Die Natter sollte nach dem Einsatz per nur per Fallschirm verlassen werden.

Eine Zelle mit der Wabe im Bug, die R4MRaketen aufnehmen sollte.

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und kniende Unterbringung des Piloten sowie Kanonen- und Raketenbewaffnungen untersucht worden. In ihrer endgültigen Ausführung bestand die ganz aus Holz gebaute Natter aus drei Hauptbauteilen. Die Bugsektion sollte mit 24 Raketen des Typs R4M (Länge 81 cm) bestückt werden. Der Zentralrumpf inklusive der rechteckigen Tragflächen nahm das einfachst ausgestattete Cockpit, die T- und CStoff-Tanks (365 und 165 Liter) und einen Teil der auch bei der Me 163 verwendeten Walter-Flüssigkeitsrakete auf. Das Heck schließlich umschloss die Schubdüse und trug das Kreuzleitwerk. Seitlich an ihm waren auch die vier je 115 Kilogramm schweren FeststoffStartraketen Schmidding SR 34 angebracht, die beim Senkrechtstart zwölf Sekunden lang einen Schub von je 1200 Kilopond (11,8 Kilonewton) lieferten und dann abgeworfen wurden.

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IN EINER MINUTE AM FEIND

Das Einsatzkonzept sah vor, die Natter (offizielle RLM-Bezeichnung: Ba 349) vertikal in ein Startgestell einzuhängen. Sobald feindliche Bomber in Reichweite kamen, sollte sie abheben und mithilfe eines Autopiloten binnen etwa einer Minute auf 12 000 Meter Höhe steigen, um nach Verbrauch des Treibstoffs aus der Überhöhung anzugreifen und ihre Raketensalve abzufeuern. Anschließend sollte der Pilot wegtauchen und per Fallschirm aussteigen. Das Heck mit der Rakete sollte ab-

Fertigung der Natter bei Bachem im oberschwäbischen Waldsee. Testpilot Sieber kurz vor seinem tödlichen Flug am 1. März 1945.

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gesprengt und mit einem Fallschirm für die Wiederverwendung geborgen werden. Innerhalb weniger Wochen nach der offiziellen Auftragserteilung wurde das erste Natter-Versuchsmodell M 1 in Waldsee fertiggestellt. Es war für die Flugerprobung gedacht, die im Schlepp hinter einer Heinkel He 111 durchgeführt wurde. Pilot beim Erstflug am 3. November 1944 in Neuburg an der Donau war der bekannte Segelflieger Erich Klöckner, der allerdings bald mit dem Fallschirm aussteigen musste, da die M 1 nicht unter Kontrolle zu bringen war. Nach vier Schlepps mit unbemannten BP 20 (M 2, M 5 und M 6) war Klöckner am 14. Dezember für einen weiteren Versuch im Cockpit. Der Prototyp M 3 hatte ein Fahrwerk erhalten, und es gelang diesmal sogar, ihn bis zur Landung zu schleppen. Den einzigen Freiflug einer Natter führte schließlich am 14. Februar 1945 Unteroffizier Hans Zübert über dem Heuberg durch. Als die M 8 außer Kontrolle geriet, sprang er mit dem Fallschirm ab. Parallel zu den Flugtests wurden in Waldsee BP-20-Versuchsmuster für die Senkrechtstart-Tests aufgebaut. Als Gelände dafür wählte man den Truppenübungsplatz Heuberg bei Stetten am kalten Markt. Am Ochsenkopf wurde ein Startgestell errichtet, in das man am 18. Dezember 1944 mithilfe eines Krans die per Lastwagen angelieferte M 21 einhängte. Die Schmidding-Booster zündeten, doch da sich die Rückhaltebolzen nicht lösten, brannte das Fluggerät am Boden aus. Vier Tage spä-

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Technische Daten

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Hersteller: Bachem-Werk, Waldsee Typ: Abfangjäger mit Raketenantrieb Antrieb: 1 x Walter HWK 109-509 A-2 Schub: 16,8 kN Booster: 4 x Schmidding SG 34, je 11,8 kN für zwölf Sekunden Länge: 5,72 m Höhe: 2,20 m Spannweite: 3,60 m Flügelfläche: 3,6 m2 Leermasse: 800 kg max. Startmasse: 1630–2050 kg Höchstgeschwindigkeit: 1000 km/h Steigzeit auf 12 000 m: 1,05 min Dienstgipfelhöhe: 14 000 m Kampfzeit: ca. 4 min Bewaffnung: 24 x R4M-Raketen

Zeichnung: Michele Marsan

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Bachem Ba 349 A Natter

ter gelang mit der M 16 (wieder nur mit den Boostern bestückt) der erste Start. Es wurde eine Höhe von 800 Metern erreicht, bevor das Fluggerät in einer Entfernung von eineinhalb Kilometern aufschlug. Die M 17 stieg am 29. Dezember auf 2500 Meter. Allerdings versagte der Bergefallschirm. Weitere mehr oder weniger erfolgreiche Starts erfolgten am 14., 15. und 26. Februar.

TÖDLICHER TESTFLUG

Der Druck der SS, die „Wunderwaffe“ nun endlich bei einem bemannten Start zu testen, wuchs. Dafür war Luftwaffenpilot Lothar Sieber abkommandiert worden. Er kletterte

Die Flugeigenschaften wurden im Flugzeugschlepp erprobt.

Die Alliierten erbeuteten 1945 mehrere Natter. Diese Maschine wurde mit Bewaffnung in den USA bei einer Ausstellung über feindliche Technik präsentiert.

schließlich am 1. März ins enge Cockpit der Mustermaschine M 23. Kurz nach elf Uhr wurden die Raketen gezündet, und die Natter stieg in den grauen, hochnebelverhangenen Himmel. In rund 100 Metern Höhe neigte sie sich um etwa 30 Grad. Fast gleichzeitig fiel die Cockpithaube ab. Dennoch stieg die M 23 weiter, Sieber rollte sie um 180 Grad. Momente später war sie in den Wolken verschwunden, man hörte nur noch das Röhren der Raketen. Etwa eine Minute später sah man in der Entfernung ein Objekt, das senkrecht zu Boden stürzte und nahe Nusplingen einen fünf Meter tiefen Krater hinterließ. Vom Flugzeug und dem Piloten fanden sich nur noch kleinste Stücke. Warum genau die Natter abstürzte, ist angesichts sich widersprechender Augenzeugenberichte und offizieller Dokumente unklar. Die Spekulationen reichen von Desorientierung des Piloten bis zu einem Genickbruch beim Wegfliegen der Haube. Das BP-20-Programm ging ungeachtet des Verlusts weiter. Mindestens ein halbes Dutzend unbemannte Senkrechtstarts wurden bis Mitte April noch durchgeführt, darunter auch einer mit einem automatischen Steuersystem. Auch acht Serienflugzeuge Ba 349 A-1 wurden noch fertiggestellt. Zu einem Einsatz (Operation „Krokus“) kam es aber nicht. Vielmehr wurde das Bachem-Werk in Waldsee angesichts der vorrückenden Alliierten evakuiert. Diese erbeuteten auf dem DFS-Flugfeld St. Leonhard in Österreich schließlich vier Ba 349. Eine davon hat bis heute überlebt. Sie ist bei der Paul E. Garber Storage Facility des National Air and Space Museum in Silver Hill bei Washington D.C. eingelagert.



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Am Tag des bemannten Erstflugs wird die Natter auf dem Ochsenkopf auf den Start vorbereitet. Der Pilot im Vordergrund ist Lothar Sieber.

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Museum

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Ungarns größtes Luftfahrtmuseum AUF DEM MILITÄRFLUGPLATZ SZOLNOK WERDEN ANGEHENDE PILOTEN AUSGEBILDET. IM SÜDOSTEN DER ZENTRALUNGARISCHEN STADT BEFINDET SICH ABER AUCH DAS REPTAR-LUFTFAHRTMUSEUM. MIT ÜBER 60 000 QUADRATMETERN IST ES DIE GRÖSSTE LUFTFAHRTAUSSTELLUNG DES LANDES.

Die L-200D der Fliegerpolizei vor dem historischen Bahnhofsgebäude. Weitere Teile des alten Bahnhofs sollen zukünftig für das Museum genutzt werden.

Text und Fotos: Daniel Petz Die L-39ZO Albatros wird als Trainer und leichtes Kampfflugzeug eingesetzt. Hier steht das Museumsexponat vor dem neu gebauten Ausstellungsgebäude.

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Die beeindruckende Parade der verschiedenen Mikojan-Gurewitsch-Muster im Außenbereich.

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ie Ausstellung in Szolnok wurde 1973 eröfnet und befand sich ursprünglich in unmittelbarer Nähe des Fliegerhorstes. Erst vor Kurzem ist das Museum näher an die Innenstadt in den ehemaligen Bahnhof umgezogen. Das Bahnhofsgebäude wurde renoviert, und heute findet man dort kleinere Exponate wie Fliegeruniformen, außerdem ein Restaurant, einen Souvenirshop und eine Kasse. Zukünftig wird das Museum auch auf die Nutzung des ehemaligen Lagerhauses setzen, das ebenfalls Teil der früheren Bahnhofsinfrastruktur war, um weitere Exponate unterzubringen. Ein Teil der Flugzeuge steht im Freien, einige Maschinen befinden sich in einem neu gebauten Gebäude aus Beton und Glas. Der überdachte Teil der Ausstellung umfasst auch eine Sammlung von Kolben- und Strahltriebwerken sowie mehrere Schleudersitze. In zwei Exponaten (MiG-21UM und Jak-52) dürfen Besucher gegen Aufpreis einmal im Cockpit Platz nehmen. Ein interessantes Exponat im überdachten Teil des Museums ist auch das Wrack einer russischen Iljuschin Il-2m3, die am Ende des Zweiten Weltkriegs im BalatonGebiet abgestürzt ist.

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Umgeben von einem Schutzwall, der eine Splitterbox darstellt, steht dieser MiG-21-Einsitzer. Alle Exponate befinden sich in gutem Zustand. Die meisten unter der Decke des Hangars hängenden Segelflugzeuge sind Produkte des ungarischen Flugzeugkonstrukteurs Ernö Rubik. Zweifellos eines der am meisten bewunderten Flugzeuge im überdachten Teil der Ausstellung ist die Messerschmitt Bf 108, die noch das vor Beginn des Zweiten Weltkriegs eingeführte ungarische Hoheitsabzeichen trägt. Tatsächlich handelt es sich bei der ausgestellten Maschine jedoch um eine französische Nachkriegskopie. Die ersten Nachkriegsmuster der ungarischen Luftwaffe werden von

Vor dem Haupteingang des neuen Gebäudes steht diese Mil Mi-24 in auffälliger Sonderlackierung.

einer Polikarpow Po-2 repräsentiert. In den Jahren 1948 bis 1958 flogen 24 der urigen Doppeldecker in Ungarn. Ein weiterer Typ, der kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs in die Reihen der ungarischen Luftwaffe aufgenommen wurde, ist die tschechoslowakische Aero Ae 45. Die ungarische Luftwaffe betrieb nur zwei Ae 45 bis 1958. Propellerschulungsflugzeuge finden sich ebenfalls in der Sammlung, zum Beispiel in Form einer Jak-11. In den Jahren 1951 bis 1988 waren insgesamt 70 dieser Jaks in der ungari-

schen Luftwaffe im Einsatz. Weitere Schulflugzeuge sowjetischer Bauart sind durch die Jak-18 vertreten, von denen in Ungarn 21 Stück zwischen 1951 und 1988 flogen. Ausgestellt ist zudem die 1987 in Dienst gestellte Jak-52. Die Hälfte der 24 Exemplare dieses Typs sind rumänische Lizenzbauten. Die überwiegende Mehrheit der Düsenflugzeuge ist unter freiem Himmel ausgestellt. Die lange Reihe von MiG-Flugzeugen ist bemerkenswert. Gezeigt werden MiG-15bis, MiG-15UTI, MiG-17PF, MiG-19PM sowie fünf

Versionen der MiG-21 (F-13, PF, MF, bis, U), MiG-23 in Ein- und Zweisitzer-Versionen und schließlich die MiG-29. Die Jagdbomber werden durch die Su-22M-3 vertreten, aus der Reihe der Jet-Schulflugzeuge sind die L-29 Delfín und L-39ZO Albatros zu sehen. Auch die ehemaligen Feinde werden in Form von zwei F-104G Starfighter präsentiert. Wer einen guten Einblick in die Luftwaffenausstattung Ungarns bekommen möchte, sollte Szolnok auf jeden Fall einen Besuch abstatten. Es lohnt sich.



Am Ende des Zweiten Weltkriegs ging diese Schturmowik am Balaton verloren.

Museumsinfo Adresse: RepTár Szolnok Military Aircraft Museum, H-5000 Szolnok, Indóház út 4-6 Telefon: +36 (56) 781-530 Website: www.reptar.hu Öffnungszeiten: Montags geschlossen, von März bis November von 9 bis 18 Uhr, von November bis März von 10 bis 17 Uhr Eintritt: Erwachsene Basisticket 2200 Forint (6 Euro), Studenten und Senioren 1500 Forint (4 Euro), Kinder bis sechs Jahre 1200 Forint (3 Euro) Ausstellungs-Highlights: Messerschmitt Bf 108 (französischer Lizenzbau), Iljuschin Il-2 Schturmowik-Wrack, Mikojan-Gurewitsch MiG -9, MikojanGurewitsch MiG -1 in verschiedenen Varianten, L-39 Albatros, Polikarpow Po-2, Mil Mi-24, Kamow Ka-26

Auch im Inneren finden sich nicht nur Flächenflugzeuge sondern auch Helikopter.

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Auch modernere Muster wie die MiG-29 finden sich auf dem weitläufigen Freigelände in der langen Reihe der gezeigten MiGs.

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Galerie

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Die für Jugoslawien bestimmten Dornier erhielten den Zusatz Kj (K Jugoslawien) und wurden ab 1941 ausgeliefert. Die deutsche Luftwaffe sah keine Verwendung für das langsame Muster, somit waren sämtliche Maschinen für das Ausland bestimmt.

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Die Startmasse lag bei 4020 Kilogramm, die Leermasse bei 2600 Kilogramm. Insgesamt 860 Liter Treibstoff konnten mitgeführt werden.

Die jugoslawische Armee nutzte ihre Dornier für Aufklärungsmissionen im Mittelmeerraum.

Dorniers Exportidee Eigentlich war die Dornier Do 22 Mitte der 1930er Jahre als Nachfolgemodell für die für Südamerika gedachte C 2 A geplant und auch in vielen Elementen aus ihr abgeleitet, doch bei der Luftwaffe stieß sie auf kein Interesse. Die gerade mal 28 gebauten Maschinen gingen dann in den Export. Hauptkunden waren Jugoslawien (Do 22 Kj), Griechenland (Do 22 Kg) und Finnland (Do 22 Kf). Große Erfolge konnten mit der Schwimmerversion nicht erzielt werden, und auch die Versionen mit einem herkömmlichen Fahrwerk kamen über ein Versuchsstadium nicht hinaus. Ein Flop für die sonst vom Erfolg verwöhnten Dornier-Werke.

In der Serienfertigung wurde die Do 22 auch mit starrem Fahrwerk ausgeliefert. Der Prototyp war eine reine Schwimmerversion. Hier ist die Maschine mit dem Stammkennzeichen D-OXWD zu sehen.

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Text: Philipp Prinzing Fotos: KL-Dokumentation

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Der Prototyp der ursprünglich als C 3 bezeichneten Do flog als Do 22 L (Landversion) erstmals am 10. März 1939. Die Serienproduktion war nur für den Export bestimmt.

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Auch in der Landversion war vorgesehen, dass drei Personen Platz finden. Die Reichweite betrug rund 1200 Kilometer in 4000 Metern Höhe.

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Die Dornier Do 22 W, noch ohne jegliche Kennzeichen im Bereich des Dornier-Werks. Der Motor war ein wassergekühlter Hispano-Suiza.

Die Leistung des Zwölfzylinder-V-Motors lag bei 880 PS. Damit konnte eine Steigleistung von sechs Metern pro Sekunde erreicht werden.

Die Spannweite betrug 16,2 Meter, an der höchsten Stelle maß die Do 4,42 Meter. Die Schwimmer waren mehr als neun Meter lang, der gesamte Rumpf maß 12,85 Meter.

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Ein Exportkunde war Jugoslawien, hier die Do 22 Kj der Squadron 2. Acht jugoslawischen Flugzeugbesatzungen gelang es nach dem Einmarsch der Deutschen, nach Ägypten zu fliehen. Sie flogen fortan für die Royal Air Force.

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Der abgestrebte Hochdecker in Ganzmetallbauweise wies, wie viele vergleichbare Muster, bespannte Ruderflächen auf.

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Mit dem Hispano-Suiza-Motor und dem großen DreiblattVerstellpropeller brachte es die Dornier auf eine Höchstgeschwindigkeit von 360 km/h in 3000 Metern Höhe.

Diese Do 22 Kg mit der Nummer N27 wurde mit einer weiteren Do an die hellenische Luftwaffe ausgeliefert. Griechenland sollte insgesamt zwölf Do erhalten.

Die acht Grad gepfeilten Flügel hatten eine Flügelstreckung von 5,84 und eine mittlere Flächentiefe von 2,78 Meter. Die Flügelfläche betrug insgesamt 45 Quadratmeter.

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Die erste gebaute Landversion mit dem Kennzeichen D-OXWD während des Erstflug.

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Kalender

FLUG REVUE Wie jedes Jahr wartet der FLUG-REVUE-Kalender wieder mit spannenden und fotografisch anspruchsvollen Bildern aus allen Bereichen der Fliegerei auf. Ob Militärflugzeug, Warbird, Hubschrauber, Airliner oder gar Raketen: Besondere Maschinen sowie faszinierende Impressionen machen den Kalender zu einem optischen Leckerbissen für jeden Luftfahrt-Liebhaber. Ein Schmuckstück für zu Hause oder das Büro. Motorbuch Verlag, Format 594 x 420 mm, 14 Seiten, 19,95 Euro https:// shop.motorpresse.de/ zeitschriften/luftfahrt/flugrevue/ produkte/ flug-revuekalender2022.html

FLIEGENDE SCHÖNHEITEN Der Quax-Flying-Beauties-Kalender 2022 steht in der jahrelangen Tradition, die wunderschönen Flugzeuge aus dem QUAXUmfeld zusammen mit engagierten Quaxen aufs Papier zu bringen, wobei hier vor allem die Quax-Damen im Vordergrund stehen und ihre männlichen Vereinskollegen eher die Statistenrollen und Sidekicks zugesprochen bekommen. Das Ergebnis sind kleine Geschichten mit einem Augenzwinkern, bei denen der Spaß am Erstellen der Fotos sofort deutlich wird und bei denen sich die teilnehmenden Personen auch selbst nicht ganz so ernst nehmen. Quax Flieger, Format 340 x 480 mm, Umfang 14 Seiten, 24,95 Euro, www.quax-flieger.de

Wertung: ●●●●●❍ EIDGENÖSSISCHE JETS Für Liebhaber der Schweiz und der dort genutzten Luftfahrzeuge lässt der Faszi­ nation-Air-Force-Kalender keine Wünsche offen. Ob nun die F-5 beim Ausstoß von Flares vor Eiger, Mönch und Jungfrau, F-18 über einem Bergsee oder die PC-9 Trainer. – es ist alles dabei. Die Motive sind gut gewählt, nur die Verschlusszeit hätte bei den Propellerflugzeugen länger sein können.

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LEGENDEN DER LÜFTE

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John Dibbs bietet wieder seinen 16-MonatsKalender an. Packende Luftbilder der seltensten und stärksten Warbirds werden für 2022 auf 13 Seiten präsentiert. Darunter Re­public P-47 Thunderbolt, Messer­ schmitt Bf 109 E, Martin B-26 Marauder oder Avro Lancaster. Harmonisch und perfekt fotografiert, setzt Dibbs mit seinen Aufnahmen immer wieder Maßstäbe im Bereich der Luftfahrtfotografie.

Faszination Air Force 2022, Martin Michel, Weber Verlag, Format 430 x 345 mm, Umfang 13 Seiten, 20 Euro, ISBN-10 303818330X, www.weberverlag.ch

Wertung: ●●●●❍❍

DER KLASSIKER Kaum einen Warbird-Kalender gibt es länger – der GHOSTS von Philip Makanna ist seit über 30 Jahren ein fester Bestandteil. Auch 2022 bietet er eine breite Auswahl von historischen Flugzeugen der 1930er und 1940er Jahre. Ob Spitfire, P-40 oder Messerschmitt Me 262, für jeden ist etwas dabei. Lediglich die montierten Hintergründe sorgen für Abzug in der Wertung.

Flying Legends 2022, John Dibbs, Editors of Rock Point, Format 306 x 433 mm, Umfang 24 Seiten, ISBN-10 163106777X, ca. 17,50 Euro, Infos nur auf Englisch

GHOSTS 2022, Philip Makanna, Heel Verlag, Format 595 x 480 mm, Umfang 14 Seiten, ISBN-10 3966642530, 29,95 Euro, www.heel-verlag.de

Wertung: ●●●●●❍

Wertung: ●●●●●❍

LEISE RIESEN IM BLICK Zu den vermutlich herrlichsten Fahrten mit den Luftschiffen gehörten die Tagesfahrten in die Schweiz. Nun kann man zumindest auf Fotos in langsamer Fahrt durch die Alpentäler gleiten und die Gipfel der schneebedeckten Berge in greifbarer Nähe an sich vorüberziehen lassen, über kristallklare Seen dahinschweben und Städte wie Luzern, Bern oder Genf aus der Luft sehen. Zeppelin-Kalender 2022, Luftschiffbau Zeppelin GmbH, Format 680 x 490 mm, Umfang 14 Seiten, 31,50 Euro, [email protected]

Wertung: ●●●●●❍

präsentiert die Termine Alle wichtigen Veranstaltungstermine der nächsten Monate auf einen Blick Nachdem die Saison im vergangenen Jahr weitgehend Opfer der CoronaBeschränkungen geworden ist, hoffen in diesem Jahr alle Luftfahrt­ begeisterten auf einen fliegerisch aktiven Start ins neue Jahr und vor allem auf ein besseres 2022. Wir haben hier bereits einige Termine für die Planung der Airshow-Saison.

Vorschau 2022 27.–30. April 2022 AERO Friedrichshafen, Deutschland www.aero-expo.de 5./6. Juni 2022 Oostwold Airshow 2022, Niederlande www.oostwold-airshow.nl

NEWCOMER AM HIMMEL Erstmals erscheint der Aviation Calendar 2022 zum Thema Powered Flight. Auf zwölf großformatigen Motiven werden die Bilder von Luftfahrtfotograf Philipp Prinzing gezeigt. Neben Doppeldecker-Formationen und schnellen Warbirds kommen auch Amphibienflugzeuge und moderne Inter­ pretationen 100 Jahre alter Airliner vor. Ansprechend präsentiert und hochwertig gedruckt, ergänzt Powered Flight perfekt die weiteren Angebote von Aviation Calendar und ist ein vielversprechender Newcomer. Powered Flight, Philipp Prinzing, Aviation Calendar, Format 640 x 480 mm, Umfang 13 Seiten, 32,90 Euro zzgl. Versand, www.aviation-calendar.com

18. Juni 2022 Historical Airshow, Mladá Boleslav, Tschechien http://www.historical-airshow.com 19. Juni 2022 Kjeller Flydag, Kjeller, Norwegen www.flydagen.no 25./26. Juni 2022 Memorial Air Show 2022, Roudnice Airport, Tschechien www.memorialair-show.webnode.cz 15.–17. Juli 2022 Royal International Air Tattoo (RIAT), Fairford, Großbritannien www.airtattoo.com 18.–22. Juli 2022 Farnborough International Airshow, Farnborough, Großbritannien www.farnboroughairshow.com 13./14. August 2022 International Oldtimer Fly-in, Schaffen-Diest Airfield, Belgien https://flyin.dac.be/

Redaktion Leuschnerstr. 1, 70174 Stuttgart Telefon: +49 711 182-2800 E-Mail: [email protected] Internet: www.Klassiker-der-Luftfahrt.de Geschäftsführender Redakteur (verant. i. S. d. Presserechts): Philipp Prinzing Stellv. Chefredakteur: Karl Schwarz Produktionsleitung: Marion Hyna Schlussredaktion: Christa Melli, Petra Perlia Grafik und Layout: Harald Hornig (Leitung), Marion Hyna, Katrin Sdun Sekretariat: Iris Heer Repro: Otterbach Medien KG GmbH & Co., 76437 Rastatt Ständige freie Mitarbeiter: Kristoffer Daus (D), Uwe Glaser (D), Michele Marsan (Italien), Xavier Méal (Frankreich), Jörg Mückler /  flight image Berlin (D), Guennadi Sloutski (Russland), Dmitry Trofimov (D) Verlag Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG, Leuschnerstraße 1, 70174 Stuttgart, Telefon: +49 711 182-0 Fax: +49 711 182-1349 Geschäftsführung: Dr. Andreas Geiger, Jörg Mannsperger Publisher Luft- und Raumfahrt: Natalie Lehn Produktmanagement Digital Products: Marcel Leichsenring, Maximilian Münzer Anzeigen Sales Director: Reinhard Wittstamm, Guido Zähler Verantwortlich für den Anzeigenteil: Julia Ruprecht Herstellung Jens Müller Druck NEEF+STUMME GmbH, 29378 Wittingen Vertrieb MZV Moderner Zeitschriften Vertrieb GmbH & Co.KG, Ohmstraße 1, 85716 Unterschleißheim, Telefon: +49 89 31906-0 E-Mail: [email protected] Internet: www.mzv.de Bezugspreise Einzelheft: € 6,50; Abonnement: Preis für zzt. 8 Ausgaben (inkl. Sonderheften zum Preis von zzt. 6,50 Euro) inkl. MwSt. und Versand Deutschland: 52,00 € (Österreich: 57,60 €, Schweiz: 88,00 SFR; übrige Auslandspreise auf Anfrage) Studenten erhalten gegen Vorlage einer Immatriku­lations­ bescheinigung das Abo (zzt. 12 Ausgaben) mit einem Preisvorteil von 40 % gegenüber dem Kauf am Kiosk zum Preis von 31,20 € (Österreich: 34,56 €, Schweiz: 52,80 SFR; übrige Auslandspreise auf Anfrage) ggf. inkl. Sonderheften zum Preis von zzt. 3,90 € Einzelheftbestellungen und Abonnement Abonnenten Service Center GmbH, Telefon Inland: 0781 639 6657, Telefon Ausland: +49 781 639 6658, E-Mail: [email protected] Datenschutzinfo Kontakt zum Datenschutzbeauftragten: Abonnenten Service Center GmbH, Postfach 1223, 77602 Offenburg, Tel: 0781-6396102. Namens-, Adress- und Kontaktdaten zum Vertragsschluss erforderlich. Verarbeitung (auch durch Zahlungs- und Versanddienstleister) zur Vertrags­ erfüllung sowie zu eigenen und fremden Werbezwecken (Art. 6 I b) bzw. f) DSGVO) solange für diese Zwecke oder aufgrund Aufbewahrungspflichten erforderlich. Bei Art. 6 I f) DSGVO ist unser berechtigtes Interesse die Durchführung von Direktwerbung. Sie haben Rechte auf Auskunft, Berichtigung, Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung, Widerspruch gegen die Verarbeitung, auf Datenübertragbarkeit sowie auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde. Datenschutzanfragen: Telefon: 0781-84 6102, E-Mail: [email protected]

Klassiker der Luftfahrt (USPS no pending) is publi­shed 8 times a year by Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG. K.O.P.: German Language Pub., 153 S Dean St, Englewood NJ 07631. Application to mail at Periodicals Rates is pending at Englewood NJ 07631 and additional mailing offices. Postmaster: Send adress changes to Klassiker der Luftfahrt, GLP, PO Box 9868, Englewood NJ 07631. Syndication/Lizenzen MPI, Telefon: +49 711 182-1531 Es gilt die Anzeigenpreisliste 2021. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der fotomechanischen, elektronischen oder digitalen Wiedergabe von Teilen der Zeitschrift oder im Ganzen sind vorbehalten. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos, Zeichnungen und Daten­­träger wird keine Haftung übernommen.

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Eidgenössische Reliant Seit 2017 fliegt in Europa eine seltene Stinson V-77 Reliant. Die Maschine mit der Kennung NC33543 ist inzwischen in der Schweiz beheimatet und war 2021 erstmals in Deutschland

Klassiker der Luftfahrt | 1/2022

auf einer Veranstaltung zu sehen.

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Heft 2/2022 erscheint am 3. Januar 2022. Im finalen Teil der Reihe über Beuteflugzeuge werden die Jets der Luftwaffe beschrieben. Ob es nun die Messerschmitt Me 262, Me 163 oder die Heinkel He 234 war, in der Sowjetunion wurden alle Typen erprobt. Einer der letzten Hochleitungskolbenmotoren aus britischer Produktion war der Rolls-Royce Griffon. Autor Michael Weber zeigt im Detail die Entwicklung und Feinheiten des über 2000 PS leistenden Motors. Im Flugzeugreport über die Junkers W34 wird deren weniger bekannter Einsatz in Spanien beschrieben und mit kaum bekannten Bildern illustriert. In den Niederlanden gibt es einige hochkarätige Luftfahrtmuseen, dazu gehört auch das Nederlands Transport Museum in NieuwVennep, in dem man nicht nur eine Catalina und Fokker G.1 findet. Fotos: Archiv Kotelnikow, Philipp Prinzing

Wir bitten um Verständnis, wenn angekündigte Beiträge aus aktuellen Gründen in eine andere Ausgabe verschoben werden.

Vorschau

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Foto: Stefan Petersen

Übungsrunde in Schweden

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Liebe Leserin, lieber Leser, an der Definition von Zeit haben sich schon Philosophen abgearbeitet. Bei diesem Extra geht es weniger um die Zeit als um ihre Darstellung. Eine gute mechanische Uhr ist für mich Zeitdarstellung in ihrer schönsten Form. Um zu wissen, wie spät es ist, müssen wir nicht mehrere 100 oder 1000 Euro in die Hand nehmen. Das tun wir, weil wir Freude an ästhetisch gestalteten Zeitmessern haben und die Mikromechanik eines Uhrwerks uns fasziniert. Die Uhrmacherei ist ein Handwerk, das es vom 14. Jahrhundert bis in die Neuzeit geschafft hat. Die mechanische Uhr ist mithin ein Stück unserer Kultur, die wir mit jedem Kauf würdigen. Sie ist aber natürlich auch ein Schmuckstück, verkörpert nicht selten die Erinnerung an ein besonderes Ereignis – und bringt mit ihrem analogen, altmodischen Ticktack etwas Gelassenheit in unseren hektischen, digitalen Alltag. In diesem Sinne: Nehmen Sie sich die Zeit! Herzlichst, Ihr Martin Häußermann

Inhalt 4 Ganz nach Wunsch Der Traditionshersteller Laco aus Pforzheim bietet einen Online-Konfigurator für Fliegeruhren. 10 News Neues von IWC, Omega, Oris, Sinn, Breitling, Hamilton, Mühle Glashütte und Tutima 12 Für Cockpit und Alltag Katalogteil mit den wichtigsten Fliegeruhr-Neuheiten, inklusive eines kompakten Tutima-Porträts 22 Die gute Uhr Warum gute mechanische Uhren keine Schnäppchen sind und woran man eine gute Uhr erkennt. 24 Dienst-Zeit Historische Dienstuhren der Bundesluftwaffe und ihre modernen Nachfolger

Impressum VERLAG: Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG Geschäftsführung: Dr. Andreas Geiger, Jörg Mannsperger Publisher Luft- und Raumfahrt: Natalie Lehn Sales Director: Guido Zähler, Tel.: +49 711 1822815, E-Mail: [email protected]; Reinhard Wittstamm, Tel.: REDAKTION: Leuschnerstr. 1, 70174 Stuttgart, Telefon: +49 (0)711 182+49 711 182-2814, E-Mail: [email protected]; Verantwort2800, Fax: +49 (0)711 182-1781, E-Mail: [email protected], Interlich für den Anzeigen-teil: Julia Ruprecht, Tel.: +49 711 182-1548, Fax: net: www.aerokurier.de -1027, E-Mail: [email protected] Herstellung: Jens Müller Redaktionsleitung (verantw. i. S. d. Presserechts): Lars Reinhold ReDRUCK: NEEF + STUMME GmbH, 29378 Wittingen. daktion: Martin Häußermann Geschäftsführender Redakteur: Philipp Prinzing Pro­duktions­leitung: Marion Hyna Schlussredaktion: Jutta Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der fotomeClever Grafik und Layout: Harald Hornig (Leitung), Marion Hyna, Katrin chanischen, elektronischen oder digitalen Wiedergabe von Teilen dieser Sdun Repro: Otterbach Medien KG GmbH & Co., 76437 Rastatt Publikation oder im Ganzen, sind vorbehalten.

Das EXTRA Fliegeruhren ist eine Sonderpublikation des aerokuriers. Es liegt der aerokurier-Gesamtauflage 11/2021 sowie der FLUG REVUE 12/2021 und Klassiker der Luftfahrt 1/2022 bei.

Titelfotos: Hanhart, Sinn; Foto: Laco

aerokurier EXTRA Fliegeruhren 2021

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Welcher Uhrenfreund träumt nicht davon, seine ganz persönlich gestaltete Uhr zu bekommen. Die Pforzheimer Traditionsmarke Laco macht’s möglich mit ihrem neuen Uhrenkonfigurator. Die Fliegeruhr nach Maß ist in rund 14 000 Varianten erhältlich – und kostet kein Vermögen.

Ganz nach Wunsch Autor Martin Häußermann Fotos Laco

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enn der 100. Geburtstag kurz bevorsteht, dann kann man getrost von einer Traditionsmarke sprechen. Das Unternehmen Lacher & Co., aus dessen Anfangssilben sich der Markenname Laco ableitet, wurde 1925 von Frieda Lacher und Ludwig Hummel in Pforzheim gegründet. Letzterer machte den Betrieb zu Pforzheims größten und bedeutendsten Uhrenfabrik (siehe auch Kasten „Die Geschichte von Laco“), die auch über eine eigene Uhrwerksproduktion verfügte. Ihre Bekanntheit erreichte die Marke in den 1940er-Jahren als Hersteller der großen Beobachtungsuhren für die Deutsche Luftwaffe – als eine von fünf lizenzier-

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aerokurier EXTRA Fliegeruhren 2021

ten Marken. Neben Laco waren das noch der Pforzheimer Nachbar Stowa, A. Lange & Söhne aus Glashütte, die Wempe Chronometerwerke in Hamburg sowie der Schweizer Uhrenhersteller IWC. Nur wenige Hersteller konnten damals die hohen Anforderungen an Präzision und Zuverlässigkeit erfüllen. Zu unterscheiden waren die Beobachtungsuhren der verschiedenen Hersteller, zumindest äußerlich, nicht. Damals war problemlose Austauschbarkeit gefragt. Heute ist das ganz anders, Uhrenkäufer wünschen sich Individualität. Das ist zumindest die Erfahrung, die Laco in jüngerer Zeit gemacht hat. Die sogenannten „Erbstücke“, also Fliegeruhren, die durch mechanische und chemische Bearbei-

Dieses Foto dokumentiert zumindest ansatzweise den Variantenreichtum der online zu konfigurierenden Fliegeruhren.

tung künstlich gealtert wurden, erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Denn de facto ist jede dieser patinierten Uhren ein Einzelstück. „Auch persönliche Gravuren auf Gehäusen oder Aufzugsrotoren sind bei der Kundschaft sehr gefragt“, weiß Laco-Pressesprecherin Sarah Ruhmann. Und auch bei der Wahl der Bänder gebe es immer wieder besondere Wünsche. Dem Wunsch der Kundschaft nach Individualisierung von Fliegeruhren hat sich Laco jetzt gestellt und einen innovativen Online-Konfigurator geschaffen. Dafür führen die Pforzheimer die neue Linie „Fliegeruhren PRO“ ein. Das PRO steht einerseits für professionell und andererseits für progressiv. Tatsächlich ist ein solcher Konfigurator im Fliegeruhrenuniversum ziemlich

Schöne neue Welt: Bei einem guten Espresso am Laptop sitzen und sich die Lieblingsuhr zusammenstellen.

Die Geschichte von Laco Schmuck- und Uhrenherstellung haben Tradition in Pforzheim, das sich selbst die Goldstadt nennt. In den 1920er-Jahren beherbergte die Mittelstadt am Rande des Nordschwarzwalds zahlreiche Uhrenfabriken, die selbst Gehäuse bauten und darin Schweizer Uhrwerke einschalten. Dazu gehörte auch die 1925 von Frieda Lacher und Ludwig Hummel gegründete Firma Lacher. Doch damit gab sich Hummel nicht zu­frieden, sondern fing an, eigene Uhrwerke zu bauen. 1933 lagerte der Mitgründer diesen Uhrwerksbau in die eigenständige Firma Durowe (Abkürzung für Deutsche Uhren-Rohwerke-Fabrik) aus, die auch andere deutsche Uhrenmarken wie Stowa oder Junghans belieferte. Bis zum Zweiten Weltkrieg wuchs das Unternehmen ständig, doch im Rahmen der Kriegshandlungen wurde das Unternehmen wie große Teile der Stadt Pforzheim zerstört. Mit viel Energie und der Hilfe des Marshallplans gelang Ludwig Hummel der Wiederaufbau der Firma. In den frühen 1950er-Jahren zählte sie mit rund 1200 Mitarbeitern zu den größten deutschen Uhrenherstellern. Aufgrund von Umsatzrückgängen, aber auch altershalber verkaufte der damals knapp 70 Jahre alte Hummel Laco 1959 an die amerikanische Firma Timex. 1965 übernahm der Schweizer Uhrwerkshersteller Ebauches SA das Unternehmen, das 1974 noch 550 000 mechanische Uhrwerke baute, aber in der Folge unter dem Aufkommen der damals modernen Quarzwerke litt und den Betrieb einstellte. In den 1980er-Jahren ließ Horst Günther, Geschäftsführer der Erich Lacher Uhrenfabrik, den Markennamen wieder aufleben. Sein Bekenntnis zur historischen Fliegeruhr unterstrich Laco zum 75. Geburtstag des Unternehmens dadurch, dass 75 Beobachtungsuhren mit alten Originalteilen und nachgefertigten Komponenten aufgelegt wurden. Seit 2015 sitzt Uwe Rücker am Steuerknüppel von Laco und lenkt das Unternehmen weiter in Richtung Wachstum und Modernisierung.

In den neuen Laco-Uhren steckt viel Handarbeit, von der Eingangskontrolle der Komponenten (unten links) über das thermische Bläuen der Zeiger (unten rechts) bis zum Einbau des Uhrwerks in das Gehäuse (oben).

Mit diesen beiden Uhren startet das Laco-Konfigurator-Projekt, der Karlsruhe PRO (oben) und der Stuttgart PRO (rechts). Beim Uhrwerk kann der Besteller verschiedene Ausführungen wählen.

einzigartig. Die Linie startet mit den beiden Modellen Karlsruhe PRO und Stuttgart PRO, was als Bekenntnis zum Standort in BadenWürttemberg gewertet werden darf. Mithilfe des Online-Tools lassen sich 14 000 Varianten konfigurieren. Und wenn man dann noch die individuellen Gravuren mit dazurechnet, geht die Variationsmöglichkeit ins Unendliche. Dann ist wirklich jede Uhr ein Unikat. Als Basis dienen die Modelle Stuttgart (Baumuster A) und Karlsruhe (Baumuster B), die in drei Gehäusegrößen (37 mm, 40 mm und 43 mm) zur Auswahl stehen. Weitere Optionen beziehen sich auf das Finish und die Ausstattung. Auf Wunsch wird das Gehäuse gebürstet oder dunkel sandgestrahlt und ist mit einem geschlossenen Boden oder Sichtboden versehen. Beim Uhrenglas hat der Kunde die Wahl zwischen einem einfach und einem doppelt entspiegelten Saphirglas. Als Antriebe stehen Schweizer Uhrwerke mit Automatik- oder Handaufzug in verschiedenen Qualitätsstufen zur Verfügung – auf Wunsch mit zusätzlicher Finissierung, wie etwa Zierschliffen auf dem Rotor und der Platine sowie gebläuten Schrauben. Selbst die Platzierung der Krone an der rechten oder der linken Gehäuseseite ist wählbar. Beim Zifferblattdesign sind die Wahlmöglichkeiten noch größer. Puristen wählen ein ganz cleanes Design ohne Markenlogo oder Datumsanzeige – ganz im Stil der originalen Beobachtungsuhren. Wer es eher praktisch und lebendig mag, entscheidet sich für das Datum und nimmt

auch noch das Markenlogo und den „Made in Germany“-Schriftzug aufs Zifferblatt. Getragen wird die Fliegeruhr an einem Lederarmband. Hier stehen mehrere qualitativ hochwertige Lederbänder in unterschiedlicher Machart und Farbe zur Verfügung. Das i-Tüpfelchen ist eine Gravur, die Laco kostenfrei anbietet. Zum Preis von je 49 Euro sind weitere Gravuren möglich.

Tradition landet in der Gegenwart Wer bis hierher aufmerksam gelesen hat, könnte leicht zu dem Schluss kommen, dass diese Uhren nun ein halbes Vermögen kosten. Dies ist bei Weitem nicht der Fall. Abhängig von der Ausstattung bewegen sich die Preise zwischen 850 und 1600 Euro. Wir haben den Konfigurator einmal ausprobiert und waren erfreut darüber, wie einfach er zu bedienen ist. Gefordert sind hier eher die Uhrmacher im Hause Laco, die nun wirklich jede dieser konfigurierten Uhren einzeln komplettieren müssen. So etwas geht natürlich nicht von heute auf morgen. Laco will, sobald sich das System eingespielt hat, die Uhren zwei bis drei Wochen nach Bestellung ausliefern. Am Anfang wird man wohl etwas mehr Geduld aufbringen müssen. Mit dem Online-Konfigurator ist Laco der bemerkenswerte Schritt gelungen, die historische, analoge Fliegeruhr in die digitale Gegenwart zu bringen. aerokurier EXTRA Fliegeruhren 2021

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Legendäre Leidenschaft fürs Fliegen Tutima Glashütte: Glanzvolle Vergangenheit – und neue Modelle auf Höhe der Zeit

sondern setzt auch ein Zeichen der Verbundenheit: Als Hauptsponsor unterstützt die Glashütter Marke seit vielen Jahren den Deutschen Aero Club. Die gemeinsame Passion für den Luftsport manifestiert sich jetzt in einem Zeitmesser, der vornehme Zurückhaltung und fliegerische Attribute formvollendet vereint. Den Pioniergeist ihres Vorgängers, des NATO-Chronographen, verkörpert auch die neue M2 Seven Seas S – und das schon auf den ersten Blick: Kraftvolle Farben und markante Konturen machen sie zu einer echten

Nur wenige Marken können von sich behaupten, die Geschichte der Fliegeruhren maßgeblich geprägt zu haben. Bei Tutima Glashütte ist dies von Beginn an der Fall. Bereits in den 1940er Jahren wurde eine Uhr durch ihre überlegene Technik und Verarbeitung zur Legende: Der Tutima Fliegerchronograph – erster deutscher Chronograph mit Tempostopp und Additionsstopp. Ein weiterer Cockpit-Klassiker folgte 1984 mit dem kompromisslos funktionalen Tutima NATO Chronographen – bis heute offizielle Dienstuhr der Bundeswehr-Piloten. Beide Linien hat Tutima Glashütte konsequent weiterentwickelt und um neue Modellreihen ergänzt. So knüpft die Flieger Aero Club nicht nur an die ruhmreiche Vergangenheit an,

Entdeckung für Entdecker. Ihr ultrarobustes Edelstahlgehäuse hält einem enormen Druck von 50 atm spielend stand. Unverzichtbar, ob unter Wasser oder über den Wolken ist die perfekte Ablesbarkeit der Zeit: Die hellen Zeiger und Indexe heben sich kontrastreich von den markanten Zifferblättern ab und sind zusätzlich mit lang nachleuchtendem SuperLumiNova beschichtet. Zwei Linien, eine gemeinsame Flieger-Historie: Die neue M2 Seven Seas S und Flieger Aero Club von Tutima Glashütte.

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Schmidt macht Sinn Sinn Spezialuhren in Frankfurt am Main feiert dieses Jahr sein 60-jähriges Bestehen, die vergangenen 26 Jahre unter der Leitung von Lothar Schmidt, der das Unternehmen vom Firmengründer Helmut Sinn kaufte. Der heutige Inhaber von Sinn ist seit 40 Jahren in der Uhrenbranche tätig. Der gebürtige Saarländer, Jahrgang 1949, ist gelernter Werkzeugmacher, diplomierter Maschinenbauingenieur und hat in einem Zweitstudium noch den Titel eines REFA-Ingenieurs erworben – und pflegt dementsprechend einen technischen Ansatz bei der Entwicklung seiner Uhren. Daher überzeugen die Uhren von Sinn auch die Kundschaft mit buchstäblich sinnvollen Ausstattungen wie oberflächengehär-

teten und damit kratzfesten Gehäusen, der auf geringe Reibung optimierten Diapal-Hemmung oder der hauseigenen Ar-Trockenhaltetechnik, bei der das Edelgas Argon zum Einsatz kommt. Das Sinn-Highlight im Jubiläumsjahr ist ohne Frage das Modell 717 (siehe auch S. 24). Die große Geburtstagsfeier verträgt mehr als eine Jubiläumsuhr, weshalb Sinn seinen klassischen instrumentellen Chronographen der Modellreihe 144 in einer auf 600 Exemplare limitierten Sonderedition auflegt, die schnell vergriffen sein dürfte. Die 144 St S Jubiläum II (3250 Euro) kommt mit einem perlgestrahlten, tegimentierten Edelstahlgehäuse (ø 41 mm), das schwarz Hartstoff-beschichtet wurde. Selbst mit Saphirglasboden ist die 144 wasserdicht und druckfest bis 20 bar (200 m). Die Uhr wird in einem Set mit einem Kautschuk- oder einem schwarzen Stahlgliederband geliefert.

Oris hilft beim Retten Aller guten Dinge sind drei: Oris unterstreicht die Kooperation mit der Schweizerischen Rettungsflugwacht Rega mit einer dritten Limited-Edition-Uhr. Die Rega betreibt 18 Rettungshelikopter und drei Ambulanzjets. Jedem dieser Luftfahrzeuge ist nun eine eigene Uhr mit Spezialgravur samt Immatri­ kulationsnummer am Gehäuseboden gewidmet.  Von den 21 unterschiedlichen Varianten werden nur je 100 Exemplare gefertigt. Das Design der Big Crown ProPilot Rega Fleet L.E. (2900 Euro) wurde vom Rega-Team mitentwickelt und entspricht so den Bedürfnissen der fliegenden Helfer. Die beidseitig drehbare Lünette erfüllt gleich zwei Funktionen: Das eingravierte rote Dreieck lässt sich auf die Rettungszeit drehen, sodass die so genannte gol­ dene Stunde (die erste Stunde nach einem schweren Unfall, in der eine medizinische Behandlung die Überlebenschancen drastisch erhöht) nachvollzogen werden kann.

IWC startet durch Bei IWC Schaffhausen ist 2021 das Piloten-Jahr. Nachdem in den vergangenen Jahren die Kollektionen Portofino, Da Vinci und Aquatimer (Taucheruhren) erneuert wurden, haben sich die Deutschschweizer für dieses Jahr die Fliegeruhrenkollektion vorgenommen. Dabei haben die Schaffhauser auch noch die Große Fliegeruhr geschrumpft. Die neue Big Pilot misst nun 43 Millimeter im Durchmesser (siehe auch S. 12 ff). Auch der beliebte Fliegerchronograph wurde verkleinert und misst nun 41 Millimeter. Er ist wahlweise mit blau oder grün galvanisiertem Zifferblatt zu haben (ab 6850 Euro). Hinter dem Glasboden zu sehen ist das Manufakturkaliber 69.

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In geheimer Mission Nun ist er endlich im Kino, der neue „James Bond“. Und weil 007 ja in jedem Streifen irgendein Flug­ gerät bewegt, darf man ihn ja auch Pilot nennen. Dennoch trägt er eine Taucheruhr, was möglicherweise damit zu tun hat, dass er immer wieder un­geplant im Wasser landet. Quartiermeister Q bindet ihm deshalb eine Omega Seamaster in Titan mit geschmeidigem Milanaiseband (9000 Euro) ans Handgelenk.

Im Tunnel

Tauchen statt fliegen

Wenn Kunstflieger im Tunnel sind, heißt das normalerweise übersetzt: höchste Konzentration. Der Italiener Dario Costa hat das wörtlich genommen und jagte mit seiner Zivko Edge 540 Ende September in zwei Meter Höhe und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 245 km/h durch zwei Autotunnel nahe Istanbul. Dabei stellte der Markenbotschafter der Uhrenmarke Hamilton mehrere Weltrekorde auf. Als Zeitmesser nutzte er die Hamilton Khaki Aviation Takeoff (2835 Euro), ein Chronograph, der dank eines Bajonettsystems sowohl am Handgelenk getragen als auch im Cockpit befestigt werden kann.

Die Glashütter Marke Tutima ist nicht nur bei Piloten beliebt, sondern auch bei Wassersportlern. Besonders überzeugt die Kundschaft hier die Taucheruhr M2 Seven Seas, die jetzt nicht nur mit Titangehäuse, sondern auch in Edelstahl (ab 1650 Euro) erhältlich ist. Als Blickfang dienen Zifferblätter in Gelb oder Grün, die von innen nach außen dunkler werden.

Uhr im Abo Erst mieten, dann kaufen – das ist das Prinzip von „Breitling Select“. Unter diesem Namen bietet der Schweizer Uhrenhersteller, der gerade bei Piloten sehr beliebt ist, ein Programm an, bei dem Interessenten innerhalb eines Jahres bis zu drei Uhren ausprobieren können. Die Leihdauer beträgt mindestens vier Wochen für eine Uhr, maximal sechs Monate. Dafür bezahlt der Interessent eine ein­ malige Abo-Gebühr von 425 Euro plus 125 Euro Monatsrate. Nach zwei Monaten macht Breitling ein günstiges Angebot zum Kauf einer Probe getragenen Uhr. Dabei handelt es sich immer um gebrauchte Uhren, die bei Breitling intern aufgearbeitet wurden und dabei technisch wie optisch quasi in Neuzustand versetzt wurden.

Geburtstag eines Gründers

IHR ANSPRECHPARTNER SEIT 3 GENERATIONEN.

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Zweimal wurde die Familie Mühle enteignet, zweimal musste sie bei Null starten. Vor 27 Jahren ging Hans-Jürgen Mühle erneut an den Start und gründete die Firma „Mühle Glashütte GmbH Nautische Instrumente & Feinmechanik“. Dieser Tage feiert der Gründer seinen 80. Geburtstag, das Unternehmen wird geleitet von Sohn Thilo Mühle. Hans-Jürgen Mühle hat mit der Wiedergründung des Familienunternehmens wesentlich dazu beigetragen, dass Glashütte nach der Wende zum Uhrenmekka Deutschlands wurde. Das Unternehmen baute zunächst für große Werften ganze Schiffsuhren-Anlagen und Marinechronometer. 1995 begann die Firma auch mit dem Bau von Armbanduhren. Das Gesicht der Marke ist dabei der S.A.R. Rescue Timer. Die mit den Seenotrettern der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) entwickelte Stahlsportuhr feierte 2002 Premiere, und Mühle dekliniert das Thema seither konsequent durch: nicht zuletzt mit dem wuchtigen S.A.R. Fliegerchronographen mit Krone und Drücker auf der linken Gehäuseseite.

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EXTRA Fliegeruhren

Eine Uhr für Piloten muss im Cockpit tadellos und präzise funktionieren, abends an der Bar darf sie gerne eine gute Figur machen. Wir haben eine bunte Mischung an Armbanduhren zusam­ mengetragen und werfen einen kleinen Blick zurück in die Geschichte einer bekannten Flieger­ uhrenmarke.

Für Cockpit  und Alltag Autor Martin Häußermann

Fotos Hersteller

T

utima ist eine Ableitung vom lateinischen Wort tutus für „sicher“. Sicherheit ist eine wichtige Kategorie in der Fliegerei, die nicht nur für das Fluggerät gilt, sondern auch für die komplette Ausrüstung. Dazu gehört für die meisten Piloten immer noch die Armbanduhr. Insofern ist der Markenname für einen Uhrenhersteller, der sich schon seit den 1940er-Jahren auch der Herstellung von Fliegeruhren widmet, ziemlich passend. Die Geschichte der Marke Tutima beginnt 1927 in Glashütte. Die Kleinstadt im Müglitztal steht für hochwertige Zeitmesser von Weltruf. In der sächsischen Hochburg der Uhrmacherkunst setzt auch der erste Fliegerchronograph von 1941 zu seinem Höhenflug an. Vater des Erfolgs der Marke ist Dr. Ernst Kurtz, ein Pionier und Visionär. Der Leiter der Uhren-Rohwerke-Fabrik (UROFA) und der Uhrenfabrik Glashütte AG (UFAG) zeichnet seine Spitzenqualitäten mit dem Titel „Tutima“ aus. Ein Qualitätsversprechen, welches die Marke durch ihre bewegte Firmengeschichte bis heute begleiten

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soll. Im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört und 1951 in Ganderkesee (Niedersachsen) wieder neu aufgebaut, setzt das Unternehmen seine Tradition fort, mechanische Zeitmesser zu fertigen, die Standards in puncto Funktionalität, Belastbarkeit und Präzision setzen. Die sportlichen Zeitmesser mit Instrumentencharakter erwerben sich dank ihrer überlegenen Technik schnell einen ausgezeichneten Ruf – an Land, auf dem Wasser und in der Luft. Im Jahr 2011 schließt sich der Kreis: Die Marke kehrt nach Jahrzehnten zu ihren Ursprüngen zurück. Das familiengeführte Unternehmen feiert die Wiederaufnahme des Manufakturbetriebes am Gründungsort und pflegt auch weiterhin den engen Kontakt zur Luftfahrt. Auf den folgenden Seiten finden Sie neben Tutima noch weitere hochklassige Uhren, die meisten von mechanischen Uhrwerken angetrieben, in unterschiedlichen Preiskategorien. Damit können Sie stilvoll abheben.

ALPINA Startimer Pilot Heritage Gehäuse: Edelstahl, ø 44 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar Werk: Automatik, Kaliber AL-525 (Basis Sellita SW 200-1) Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde, Datum Band: Rindleder mit Dornschließe Preis: 1195 Euro

FORTIS Flieger F-39

BREITLING Superchronomat GMT Gehäuse: Edelstahl, ø 44 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 20 bar Werk: Automatik, Breitling Kaliber B01, geprüfter Chrono­ meter; GMT-Modul mit Quarzwerk Funktionen: Stunden, Minuten, kleine Sekunde; Chronograph, Datum, drehbare Lünette Band: Edelstahlband mit rollenförmigen Gliedern und integriertem GMT-Modul Preis: 9700 Euro

GARMIN Marq Aviator

Gehäuse: Edelstahl, ø 39 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 20 bar

Gehäuse: Titan mit Keramiklünette, ø 46 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar

Werk: Automatik, Fortis-Kaliber UW-30 (Basis Sellita SW200-1)

Werk: Elektronischer Mikrocomputer von Garmin

Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde, Datum

Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde, Datum mit zahlreichen Smartwatch-Funktionen wie Flugnavigation

Band: Rindleder mit Dornschließe

Band: Silikon-Kautschuk mit Dornschließe oder Titan

Preis: ab 1950 Euro

Preis: ab 1600 Euro

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HAMILTON Khaki Aviation Converter

HANHART Primus Nautic Pilot

Gehäuse: Edelstahl, ø 42 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar

Gehäuse: Edelstahl mit Bronze-PVD-Beschichtung, ø 44 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar

Werk: Automatik, Hamilton H-10 (Basis ETA C07.611)

Werk: Automatik, Sellita SW510 (modifiziert)

Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde, Datum, Skalenring mit Rechenschieber zur Berechnung von Flugdaten

Funktionen: Stunden, Minuten, kleine Sekunde, Datum; Chronograph

Band: Rindleder mit Dornschließe

Band: Textil mit Ledereinlage; Faltschließe

Preis: 995 Euro

Preis: 2950 Euro

IWC Big Pilot 43

JUNGHANS Meister Pilot

Gehäuse: Edelstahl, ø 43 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar

Gehäuse: Edelstahl mit schwarzer PVD-Beschichtung, ø 43,3 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar

Werk: Automatik, IWC Kaliber 82100

Werk: Automatik, Kaliber J880.4 (Basis ETA 2824-2 mit Modul von Dubois-Dépraz)

Funktionen: Stunden, Minuten, kleine Sekunde, Datum; Chronograph Band: Kalbsleder mit Dornschließe

Funktionen: Stunden, Minuten, kleine Sekunde; Chronograph

Preis: 8850 Euro

Band: Rindleder mit Dornschließe Preis: 2240 Euro

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Grand Flieger Airport Der Grand Flieger Airport Chronograph jetzt im 41-mm-Edelstahlgehäuse mit Keramiklünette in Military Green. Zuverlässigkeit, Präzision und optimale Ablesbarkeit. Geschaffen mit eben jener Perfektion, die das Attribut „Made in Glashütte“ zu einem Qualitätsversprechen von Weltrang gemacht hat. Erfahren Sie mehr auf www.tutima.com. FÜR DIE GEMACHT, DIE MACHEN.

TUTIMA UHRENFABRIK GMBH NDL. GLASHÜTTE 01768 Glashütte/Sa. · Deutschland · Tel. +49 35053 320 20 · Exklusiver Katalog unter [email protected] · www.tutima.com

LACO Neapel 39 Gehäuse: Edelstahl, ø 39 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 5 bar

Gehäuse: Edelstahl, ø 44 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar

Werk: Automatik, Laco 21 (Basis Miyota 821A)

Werk: Automatik, Kaliber Sellita SW 200-1

Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde

Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde

Band: Rindleder mit Dornschließe

Band: Büffelleder mit Dornschließe

Preis: 340 Euro

Preis: 1390 Euro

OMEGA Speedmaster Professional

ORIS Pro Pilot TLP Limited Edition

Gehäuse: Edelstahl, ø 42 mm, Hesalitglas, wasserdicht bis 5 bar

Gehäuse: Edelstahl mit grauer Beschichtung, ø 44 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar, Boden mit Sichtfenster

Werk: Automatik, Omega Kaliber 3861, geprüfter Chrono­ meter

Werk: Automatik, Oris Kaliber 752 (Basis Sellita SW 220-1)

Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde, Datum; Chronograph

Band: Textil mit Dornschließe

Band: Textil mit Dornschließe, NASA-Textilband mit Klett­verschluss (Aufpreis 190 Euro) Preis: ab 5800 Euro

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MÜHLE GLASHÜTTE Terrasport I Beobachter

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Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde, Tag, Datum Preis: 2050 Euro

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ROLEX Explorer II Gehäuse: Edelstahl, ø 42 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar Werk: Automatik, Rolex Kaliber 3285 Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde, Datum, zusätzlicher 24-Stunden-Zeiger Band: Edelstahl mit Faltschließe Preis: 7950 Euro

SINN 358 Sa Flieger B

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SEIKO Astron GPS Solar Dual Time Gehäuse: Titan mit Hartstoffbeschichtung, ø 42,7 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 20 bar, Werk: Quarz, Seiko Kaliber 5X53 mit GPS-kontrollierter Zeitund Zeitzoneneinstellung und Solarzellen Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde, Datum, Unterzifferblatt mit zweiter Zonenzeit Band: Rindleder mit Dornschließe Preis: 3400 Euro

TRASER P69 Black Stealth

Gehäuse: Edelstahl, ø 42 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar

Gehäuse: Edelstahl mit schwarzer PVD-Beschichtung, ø 46 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 20 bar

Werk: Automatik, Sellita SW 500

Werk: Quarz, Swiss-Made

Funktionen: Stunden, Minuten, kleine Sekunde, Datum, Wochentag; Chronograph

Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde, Tag, Datum, selbstleuchtende Zeiger und Indexe

Band: Kalbsleder mit Dornschließe

Band: Textilband mit Dornschließe

Preis: 2750 Euro

Preis: 450 Euro

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TUDOR Black Bay Chronograph Gehäuse: Edelstahl, ø 41 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 20 bar Werk: Automatik, Tudor Kaliber MT5813, geprüfter Chronometer Funktionen: Stunden, Minuten, kleine Sekunde, Datum; Chronograph Band: Rindleder mit Dornschließe Preis: 4480 Euro

UNION GLASHÜTTE Belisar Zeitzone

TUTIMA Flieger Aero Club Gehäuse: Edelstahl, ø 41 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar Werk: Automatik, Kaliber Tutima 330 (Basis ETA 2836-2) Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde, Datum Band: Pferdeleder mit Dornschließe Preis: 1350 Euro

ZENITH Chronomaster Sport

Gehäuse: Edelstahl, ø 41 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar

Gehäuse: Edelstahl mit Keramiklünette, ø 41 mm, Saphirglas, wasserdicht bis 10 bar

Werk: Automatik, Union Kaliber U 2893-2 (Basis ETA 2893-2)

Werk: Automatik, Kaliber Zenith 3600 El Primero

Funktionen: Stunden, Minuten, Zentralsekunde, Datum, 24-Stunden-Zeiger; zweite Zonenzeit

Funktionen: Stunden, Minuten, kleine Sekunde, Datum; Chronograph

Band: Rindleder mit Dornschließe

Band: Rindleder mit Dornschließe

Preis: 1730 Euro

Preis: 9200 Euro

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FLIEGERUHREN FÜR DEN PROFESSIONELLEN EINSATZ

Prüfstand zur Kontrolle der magnetischen Signatur einer Uhr. Diese könnte den Notkompass eines Fluggeräts ablenken.

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Die im März 2016 in Kraft getretene DIN 8330 „Zeitmesstechnik – Fliegeruhren” setzt einen neuen Maßstab für zuverlässige, funktionale und sichere Fliegeruhren. Die deutschen DIN-Normen im Uhrenbereich genießen national und international seit vielen Jahren höchstes Ansehen und stellen ein besonderes Qualitätsmerkmal dar. Auf Anregung und unter intensiver Mitwirkung von Sinn Spezialuhren entstand zum ersten Mal seit Jahrzehnten mit der DIN 8330: „Zeitmesstechnik – Fliegeruhren” eine neue deutsche Uhrennorm. Diese definiert Anforderungen an die Funktionalität und Zuverlässigkeit, die Widerstandsfähigkeit gegen äußere Belastungen sowie die Sicherheit und Kompatibilität von Fliegeruhren. Als Traditionshersteller von Fliegeruhren hat Sinn Spezialuhren

Mit der Entwicklung der Fliegeruhren 103 Ti IFR und

die Initiative zur Entwicklung einer anerkannten DIN-Norm

103 Ti UTC IFR, der weltweit ersten nach DIN 8330 zertifizierten

ergriffen und maßgeblich vorangetrieben: Am Anfang stand

Fliegeruhren, ist es SINN gelungen, genau diese Anforderun-

der in Zusammenarbeit von SINN mit dem Fachbereich

gen für den Flugbetrieb nach Instrumentenflugregeln

Luft- und Raumfahrttechnik der FH Aachen entwickelte

(IFR = instrument flight rules) zu erfüllen.

„Technische Standard Fliegeruhren” (TESTAF). Darauf aufbauend wurde, wiederum auf Initiative von SINN, die DIN 8330 für Fliegeruhren entwickelt, die im März 2016 eingeführt wurde. Die Uhren nach DIN 8330 sind darauf ausgerichtet, die

Unterstützt wird dies durch die Ausstattung mit einer Reihe unserer Technologien: die Ar-Trockenhaltetechnik für erhöhte Funktions- und Beschlagsicherheit sowie die Funktionssicherheit im Temperaturspektrum von minus 45 °C bis plus 80 °C. Das Gehäuse aus amagnetischem Reintitan

vorgeschriebenen Instrumente zur Zeitmessung bei Ausfall

gewährleistet, dass der Zeitmesser nicht selber zur Störquelle

oder Verdacht auf Störung in vollem Umfang zu ersetzen.

von Magnetfeldern wird.

Somit entstand die Herausforderung, den kompromisslos hohen Anspruch, der an die Ausrüstung von Flugzeugen und Hubschraubern gestellt wird, auf Armbanduhren zu übertragen.

Mit den Initiativen für den TESTAF und für die DIN 8330 hat Sinn Spezialuhren den Anspruch unterstrichen, funktionale, hochwertige und technologisch anspruchsvolle Uhren zu entwickeln. Für die deutsche Uhrenindustrie ist die neue

Darunter zählen beispielsweise eine schnelle und eindeutige

Fliegeruhrennorm ein wichtiger Impuls, um die führende

Ablesbarkeit des Zifferblattes bei Tag und in der Dunkelheit,

Rolle in diesem Segment im internationalen Wettbewerb zu

die Bedienbarkeit auch mit Fliegerhandschuhen sowie

erhalten und auszubauen.

die Ganggenauigkeit nicht nur bei Raumtemperatur, sondern auch bei minus 15 °C und plus 55 °C. Die DINPrüfungen zur physischen Belastbarkeit beinhalten nicht nur einen einfachen Unterdrucktest, sondern einen mehrtausendfachen Druckwechselzyklus. Eine DIN-Fliegeruhr muss auch genau definierten Vibrationen, Stoß- und Fliehkraftbelastungen, Temperaturwechseln und nicht zuletzt Magnetfeldern standhalten sowie eine besonders sichere Bandbefestigung aufweisen.

103 Ti IFR in einer Zentrifuge zur Überprüfung der G-Belastung. Es wird mit einer Belastung von 6G getestet.

Die Käufer von SINN-Uhren schwören auf die Leistungsstärke, Robustheit und Langlebigkeit, auf Qualität und Präzision der Uhren. Funktionalität besitzt höchste Priorität. Die Uhren warten mit technologischen Merkmalen auf, die sinnvoll sind und die keinen modischen Hintergrund haben. Inhaber Dipl.-Ing. Lothar Schmidt umschreibt es so: „Produkte müssen für sich selbst sprechen.” Sinn Spezialuhren GmbH Wilhelm-Fay-Straße 21 · 65936 Frankfurt am Main Tel +49 (0)69 97 84 14-200 · Fax -201 103 Ti IFR – die Fliegeruhr für professionelle Einsätze.

www.sinn.de · [email protected]

EXTRA Fliegeruhren Horologischer Mikrokosmos: Uhrwerke bestehen aus winzig kleinen Teilen. Zur Montage ist daher eine Lupe erforderlich.

Die gute Uhr Gute mechanische Uhren haben ihren Preis. Warum das so ist und woran man eine gute Uhr erkennt, lesen Sie hier. Autor Martin Häußermann

S

ind wir ehrlich: Die mechanische Uhr ist eigentlich ein Anachronismus. Denn eine batteriebetriebene Quarzuhr für 20 Euro zeigt die Zeit mindestens so genau an, die Zeitanzeigen in Handys und natürlich die Borduhren im Cockpit des Flugzeugs auch. Trotzdem: Wir möchten unsere mechanische Uhr nicht missen. Auch nicht in diesen modernen Zeiten, oder vielleicht sogar als Ausgleich für den digitalen Overkill, der uns täglich im Job und im Alltag bedroht. Die mechanische Uhr lädt uns ein, sie als Kunstwerk und nicht nur als Instrument zu betrachten. Sie ist Ausdruck von persönlichem Stil, eine zuverlässige Reisebegleiterin und zeigt dank automatischem oder Handaufzug die Zeit auch dann noch an, wenn die Batterien von Quarzuhr und Handy gerade schwach auf der Brust werden.

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Außerdem: In Zeiten, in denen allenthalben Nachhaltigkeit beschworen wird, kommt man an der mechanischen Uhr, die auch noch nach Jahrhunderten repariert werden kann, ohnehin nicht vorbei. Sie ist eine Anschaffung fürs Leben – und sogar darüber hinaus. Aber woran erkennt der Interessierte nun eine gute Uhr? Ein Ansatz wäre, sich bei Traditionsmarken zu bedienen. Keine schlechte Idee, schließlich haben solche Marken Jahrzehnte, manche sogar Jahrhunderte an ihrem guten Ruf gearbeitet, den man sich nicht ruinieren will. Dazu gehört nicht zuletzt ein zuverlässiger Reparaturservice. Hinter der Tradition stehen auch ein langjähriges Knowhow in Konstruktion und Fertigung und verlässliche Zulieferer. Denn die wenigsten Uhrenhersteller machen wirklich alles im eigenen Haus. Selbst Rolex oder Seiko, Marken mit einer enormen Ferti-

Ready for ticktack: Mit dem Einbau der Unruh erweckt der Uhrmacher das Uhrwerk zum Leben.

Fotos: Sinn Spezialuhren (3), Häußermann (1)

Schafft Durchblick: Gute Uhrengläser sind aus Saphir gefertigt, hoch kratzresistent und entspiegelt. Mit einem dicken Glas wird die Uhr druckfester.

gungstiefe, kaufen beispielsweise Leder- oder Kautschukbänder zu. Ihre Uhrwerke konstruieren und bauen sie selbst, sind also nach dem Sprachgebrauch der Branche reinrassige Manufakturen. Mit Manufakturwerken bestückte Uhren sind in aller Regel enorm hochwertig, aber in der Regel immer teurer als vergleichbare Produkte anderer Marken. Exklusivität hat eben ihren Preis. Schließlich müssen hier Entwicklungs- und Produktionskosten oft auf niedrigere Stückzahlen umgelegt werden. Ausnahmen wie Rolex, die geschätzt 800 000 Uhren im Jahr bauen, bestätigen die Regel. Andersherum sind auch Uhrwerke von Großserienherstellern wie ETA oder Sellita kein Makel. Sie funktionieren tadellos, eignen sich vielfach zur Chronometerprüfung und arbeiten jahrzehntelang zuverlässig.

„Von einem Uhrwerk kann man aber die Zeit nicht ablesen“, sagte vor Jahren Hans-Jürgen Mühle, der Wiedergründer von Mühle Glashütte. Recht hat er. Zu einer guten Uhr gehört mehr als nur ein gutes Uhrwerk. Zum Beispiel ein hochwertiges Zifferblatt. Das Zifferblatt wird auch als Gesicht der Uhr bezeichnet. Und wenn das den potenziellen Kunden nicht anspricht, dann hat auch die beste Technik wenig Chancen. Kenner achten dabei auch auf die richtigen Zeigerlängen. Minutenzeiger müssen mit ihrer Spitze die Minuterie erreichen, das Gleiche gilt für Sekundenzeiger, insbesondere bei Chronographen. Bleiben Gehäuse und Bänder. Scharfkantige Gehäuse gehen gar nicht, sie reiben Hemdmanschetten oder Ärmel von Pullovern buchstäblich auf. Kanten lassen sich mit den Fingerkuppen leicht testen, das gilt übrigens auch für den Überstand, mit dem das Uhrenglas ins Gehäuse eingepresst ist. Beim Glas ist Saphir zu bevorzugen, ist es doch äußerst kratzfest. Die Wahl des Bandes hängt vom bevorzugten Einsatzbereich der Uhr ab. Wird sie überwiegend zum Anzug getragen, ist Leder eine gute Wahl. Wer seinen Zeitmesser aber auch in der Freizeit oder gar beim Sport anlassen will, ist mit einem Metall- oder Kautschukband besser bedient. Denn Lederbänder, die mit Wasser oder Hautschweiß in Kontakt kommen, müssen oft nach einem Jahr schon getauscht werden. Natürlich tragen Gehäuse und Bänder maßgeblich zum Tragekomfort bei. Den kann aber jeder nur für sich beurteilen – am besten, in dem man das Objekt der Begierde beim Fachhändler des Vertrauens probeweise ans Handgelenk legt. aerokurier EXTRA Fliegeruhren 2021

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EXTRA Fliegeruhren

Dienst-Zeit F

ür Piloten ist Zeit ein wesentlicher Faktor für sicheren Flugbetrieb. Das gilt erst recht für das fliegende Personal der Bundeswehr. Schon bei der Flugplanung müssen Zeiten für Start und Landung definiert werden, während des Fluges muss der Pilot die Zeit stets im Blick behalten. Dafür helfen ihm sowohl die Borduhren im Cockpit als auch die eigene Armbanduhr. Die gehört bei Luftwaffenpiloten zur persönlichen Ausrüstung und wird daher vom Dienstherrn gestellt. So wenig wie die Dienstfahrzeuge beim örtlichen Autohändler gekauft werden, so wenig kauft die Bundeswehr ihre Dienstuhren bei Juwelieren. Stattdessen werden Anforderungen in einem Lastenheft definiert und der Auftrag dann öffentlich ausgeschrieben. Die Ergebnisse zeigt unsere Übersicht.

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aerokurier EXTRA Fliegeruhren 2021

Hanhart 417 ES

Autor Martin Häußermann

Fotos: Auktionshaus Dr. Crott (1), Hanhart (2), Häußermann (2), Junghans (1)

Was tragen Militärpiloten im Cockpit? Wir zeigen die wichtigsten Dienstuhren, alles Chronographen, der Bundesluftwaffe und ihre modernen zivilen Nachfolger.

Die erste Ausschreibung der Bundesluftwaffe gewann die Firma Hanhart, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg die Luftwaffe mit Chronographen belieferte. Der Uhrenbauer aus Gütenbach im Schwarzwald ist ein Spezialist der Kurzzeitmessung und macht sein Geschäft hauptsächlich mit Handstoppuhren und Armbandchronographen. Die Uhrwerke stammen zu dieser Zeit aus eigener Entwicklung und Produktion. 1957 lieferte der Hersteller die ersten Chronographen mit der Typbezeichnung 417 aus, in dem das Handaufzugskaliber 41 tickte. Zu Anfang schalte Hanhart dieses Werk, was damals üblich war, in verchromte Messinggehäuse ein, später gab es ein Upgrade mit Edelstahlgehäuse (oben, Durchmesser 39 mm), benannt als 417 ES. Die Uhr kam auch in den öffentlichen Verkauf. Ihr vermutlich größter Fan war der amerikanische Schauspieler Steve McQueen, der sich mit dieser Uhr auch ablichten ließ. So wurde die 417 ES unter Uhrenfans zur Legende, weshalb sich Hanhart vergangenes Jahr entschloss, sie neu aufzulegen. Als Antrieb dient nun das Schweizer Handaufzugswerk Sellita SW510 M, das in einem zeitgemäßen 42-Millimeter-Gehäuse verpackt ist. Zu haben ist diese Uhr für 1790 Euro im hauseigenen Online-Shop. Wer die 417 ES in Originalgröße haben will, muss sich noch ein wenig gedulden – nächstes Jahr könnte sich hier etwas tun.

Junghans J88/Meister Pilot Nachdem Hanhart die Produktion des Chronographen zwischenzeitlich eingestellt hatte, schrieb die Bundeswehr die Pilotenuhr neu aus und landete wieder im Schwarzwald, dieses Mal bei Junghans in Schramberg. Die Firma lieferte in den 1960er-Jahren den Fliegerchronographen (Durchmesser: 38 mm) mit dem hauseigenen Handaufzugswerk J88 (rechts). Auch Junghans verwendete zunächst ein verchromtes Messing­ gehäuse. Beim Uhrenglas fiel die Wahl auf den Kunststoff Hesalit, der zwar deutlich kratzempfindlicher als das zu dieser Zeit übliche Mineralglas ist. Dafür ist es elastisch und lässt sich maschinell wölben. So übersteht das Glas auch starke Druckunterschiede unbeschadet. Im Jahr 2015 erinnerte sich Junghans wieder an diese Uhr. Kein Wunder, schließlich ist Mitinhaber Hannes Steim selbst Pilot. Gestartet wurde zunächst mit einer limitierten Serie, inzwischen ist die Meister Pilot (2440 Euro) festes Mitglied der Kollektion. Die kommt mit einem 43-Millimeter-Edelstahlgehäuse, das wahlweise auch mit schwarzer Beschichtung zu haben ist. aerokurier EXTRA Fliegeruhren 2021

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Chronograph von Heuer und Sinn Wenn Uhrenfreunde vom „BW-Chronographen“ reden, meinen sie die Heuer SA 1550 SG (oben). Sie folgte als offizielle Dienstuhr der Junghans nach und wurde in den 1970er-Jahren von dem Schweizer Uhrenhersteller gebaut, der damals unter „Heuer Leonidas“ firmierte. Diese Uhr wurde offiziell „Armbanduhr mit Doppelstoppeinrichtung“ genannt, schließlich verfügte sie über das Handaufzugswerk Valjoux 230 mit Flyback-Funktion. Der Stoppzeiger lässt sich, ohne das Stoppwerk anzuhalten, auf Null setzen und läuft sofort wieder los. Für seine Zeit war der BW-Chronograph mit 43 Milli­metern sehr groß. Heuer setzte aus genannten Gründen ebenfalls auf ein Kunststoffglas. In den 1980er-Jahren musterte die Bundeswehr die Uhr aus. Der Fluglehrer und Uhrenbauer Helmut Sinn aus Frankfurt am Main kaufte die Restbestände, arbeitete sie auf, versah sie mit einem eigenen Zifferblatt und verkaufte sie erfolgreich weiter. Vergangenes Jahr entschloss sich Sinn, die Uhr als Modell 158 (2590 Euro) wieder aufzulegen, allerdings nur in einer limitierten Auflage von 500 Exemplaren. Im Sinn-Onlineshop ist diese Uhr schon ausverkauft, einige Händler haben aber noch Exemplare am Lager.

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Sinn NaBo/717 Sinn-Uhren tickten aber nicht nur am Arm von Piloten, sondern auch in Cockpits deutschen Militärfluggeräts. Die 1961 lancierte Navigationsborduhr, kurz NaBo (links), war unter anderem im Starfighter und Tornado eingebaut. Diese Uhr wird heute nicht mehr gebaut. Jedoch hat Sinn Funktionen und Zifferblattbild in eine Armbanduhr übersetzt, die dieses Jahr unter der Modellbezeichnung 717 (ab 4550 Euro) vorgestellt wurde. Mit einem Durchmesser von 45 Millimetern ist die 717 ein echter Bolide am Handgelenk, angetrieben vom selbst entwickelten Uhrwerk SZ01, das analog zur NaBo über zwei zentrale Zeiger für Stoppsekunde und -minute verfügt.

Auch der Uhrenhersteller Tutima (siehe auch S. 11) gehört in den illustren Kreis der offiziellen Fliegeruhrenbauer. Von 1983 an belieferte das Unternehmen, damals im niedersächsischen Ganderkesee zu Hause, die Bundeswehr mit dem Military-Chronographen, der zunächst als Edelstahluhr (Referenz 798), später dann in Titan (rechts, Referenz 760) gebaut wurde. Angetrieben wird die Uhr von dem zuverlässigen Automatikwerk Lemania 5100. Inzwischen ist Tutima wieder an seinem Gründungsort Glashütte in Sachsen ansässig, die Military wurde eingestellt. An ihre Stelle tritt der M2 Chronograph (ab 4500 Euro), der wie sein historisches Vorbild über die seitlich ins Gehäuse eingelassenen Chronographendrücker verfügt. Das Gehäuse mit einem Durchmesser von 46 Millimetern besteht aus Titan.

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Fotos: Auktionshaus Dr. Crott (1), Häußermann (1), Sinn (2), Tutima (2)

Tutima Military/M2

ZEIT FÜR LEGENDEN TRADITION UND FORTSCHRITT SEIT 1925

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LIMITIERT AUF 200 STÜCK

Es gibt Fliegeruhren – und es gibt die Fliegeruhren von Laco. Als exklusive Manufaktur für hochwertige Zeitmesser blickt das Unternehmen in Pforzheim auf eine lange Tradition zurück. Vor allem in den 40er Jahren ein unverzichtbares Instrument im Cockpit, ist eine Laco heute Ausdruck von Individualität. Mit einer Laco Fliegeruhr tragen Sie nicht nur eine präzise und robuste Uhr am Handgelenk, sondern auch ein Stück Zeitgeschichte. ( 1 ) Fliegeruhr Original Dortmund Erbstück, 45 mm Handaufzug (2) Fliegeruhr München Chrono, 42,3 mm Automatik (3) Fliegeruhr Frankfurt GMT Schwarz, 43 mm Automatik

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