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Darius Ries probe

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Darius Ries Der rote Kubotan

DARIUS RIES

Der rote Kubotan Sein erster Fall Roman

OBV-Verlag

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Für meine Großmeister

… und nichts als die Wahrheit

VORWORT Der Kubotan ist eine Nahkampf-Waffe, die vorwiegend zur Selbstverteidigung eingesetzt wird. Er wurde von Takayuki Kubota im Jahr 1970 erfunden, der den kleinen Stock für Polizistinnen im Los Angeles Police Department entwickelt hat. Ein Kubotan in seiner klassischen Form ähnelt einem Kugelschreiber und passt aufgrund seiner geringen Länge von 13 bis 15 cm bequem in jede Hosentasche. Er kann sowohl als Schlagwaffe wie auch als Druckverstärker eingesetzt werden. Die Anwendung als Angriffs- oder Verteidigungswaffe erfordert ein spezielles Training, da die kleine Waffe enorme Schmerzen beim Gegner hervorrufen kann. Die richtige Anwendung kann zu Knochenbrüchen, Lähmungen und sogar zum Tod des Gegners führen. Voraussetzung ist das Wissen über bestimmte Nervendruckpunkte, auf die der Kubotan gedrückt oder gestoßen wird. Ein Kubotan wird meistens aus Edelstahl, Aluminium, Holz oder Kunststoff hergestellt. Es gibt unterschiedliche Formen, die entweder spitz oder stumpf enden. Der stumpfe Kubotan wird hauptsächlich zum Trainieren verwendet, damit man sich beim Üben der Bewegungsabläufe nicht verletzen kann. Laut der derzeitigen Gesetzgebung unterliegt der Kubotan in Deutschland und Österreich nicht dem Waffengesetz und ist somit kein verbotener Gegenstand. Er ist auch unter den Namen Koppo, Koga, Kuibushibo und Yawara bekannt.

1. DIE GANG Dichter Nebel verschlechtert mir die Sicht auf meinem gewohnten Heimweg. Da es fast 0 Grad Außentemperatur hat, habe ich die Kapuze meines Hoodies über den Kopf gestülpt, damit meine Ohren gewärmt werden. Meine Finger sind taub und der Nasenschleim läuft ungehindert aus meinem Riechkolben. Ich habe es eilig, da ich heute Abend noch das Treppenhaus fegen muss. Ansonsten hält mir die Läpple wieder eine Standpauke, dass ich die Kehrwoche nicht einhalten würde. Die Kehrwoche ist im Schwabenland Tradition, hat ihren Ursprung schon im 15. Jahrhundert und dient hauptsächlich zur Ordnung und Sauberkeit innerhalb des persönlichen Wohnbereichs. Aufgrund einer nervigen Pandemie wird meine Vermieterin heute bei der zweiten Corona-Impfung in Bolledorf misshandelt und kommt deshalb erst spät in unser Mietshaus zurück. Damit ich rechtzeitig in meiner versifften Bude ankomme, nehme ich wie immer die Abkürzung durch die dunkle Hopfengasse. Ich bewege mich schnellen Schrittes an der alten Gaslaterne vorbei, die genau in der Straßenmitte steht. Die alte Lampe beleuchtet die Gasse nur sehr spärlich, was dazu führt, dass ich im Nebel sehr vorsichtig gehen muss. Ansonsten knalle ich gegen eine Mülltonne, oder trete auf den Schwanz einer schwarzen Katze, die gerade von links kommt. Plötzlich spüre ich ein Kribbeln in meiner linken Brust, was bedeutet, dass heute Abend noch etwas Gefährliches geschehen wird. Ich greife in meine Gesäßtasche und prüfe, ob ich den Kubotan

spüren kann. Alles okay! Mein roter Kubotan ist genau 14 Zentimeter lang und eine Sonderanfertigung aus Edelstahl, in die meine Initialen E.T. eingraviert wurden. Die exklusive Nahkampf-Waffe schenkte mir mein verstorbener Trainer Shinjo bei meiner Ernennung zum Großmeister. Wenn ich den roten Kubotan in der Hand halte, werde ich zu einem Krieger. Ich beherrsche jede Bewegung mit dieser kleinen Waffe, die einem Kugelschreiber ähnelt und problemlos in jede Hosentasche passt. Während ich über mein knochenhartes Nahkampf-Training bei Meister Shinjo nachdenke, höre ich ein Rascheln in meiner Nähe. Ich drehe mich um und sehe, wie fünf Gestalten vor mir aus der Dunkelheit auftauchen. Es handelt sich anscheinend um eine Jugendgang, die aus vier jungen Männern und einem Mädchen besteht. Die illustre Bande wirkt auf mich wie fünf Halbstarke, die einem alten Mann im Dämmerlicht seine Rente klauen wollen. Ich schaue sie mir von oben bis unten an. Sie sehen schlank und durchtrainiert aus. Drei von Ihnen sind südländischer Herkunft, die alle mit schwarzen Hoodies, Jeans und Turnschuhen bekleidet sind. Der Vierte könnte ein Osteuropäer sein. Er trägt einen Parker, Sonnenbrille und eine Baseball-Kappe. Er scheint schon älter zu sein, sieht wie ein Russe aus und ist wahrscheinlich der Anführer. Das Mädchen ist hübsch und könnte eine Türkin sein. Sie hat lange schwarze Haare, trägt schwarze Leggins, Springerstiefel und einen kurzen Blouson, dessen Reißverschluss ziemlich weit nach unten geschoben wurde. Im Ausschnitt kann ich ihre prallen Brüste erkennen. Sie ist anscheinend die Freundin von dem Russen, weil sie sich ab und zu in seine Arme einhakt. Habe ich es hier etwa mit der Russen-Mafia zu tun, die im Dunkeln Galgenberg unsicher macht? Als sie mich erblicken, beginnt die Anmache. Der Größte von der Gruppe mobbt als Erster. »Wassily, ist das der arische Penner, der nicht arbeiten will? Sollen wir ihn anzünden? Das wird ein schönes Feuer geben.« Ich gehe unbeeindruckt weiter. Nun fängt der Anführer an zu

stänkern, den sie Wassily nennen. »Verzieh dich aus unserem Viertel, Alter! Oder geh für uns anschaffen, damit du endlich mal Kohle verdienst. Ansonsten werfen wir dich auf die Gleise.« Plötzlich kitzelt mich der rote Kubotan in meiner Gesäßtasche während der kleine Ali Baba frech wird. »Wassily, das Opfer läuft voll unkorrekt durch unsere Straße und bezahlt kein Schutzgeld. Der Alte soll Miete zahlen oder aus Galgenburg abhauen! Ich hoffe, er hat genügend Kohle dabei, damit wir heute Abend noch Billard spielen können.« Die drei Tempeltänzer und das Mädchen lachen und klatschen sich mit dem Russen gegenseitig ab. Das übliche Kumpel-Ritual. Langsam bekomme ich das Gefühl, dass mich diese unbekannte Bande mit ihren Drohungen herausfordern will. Anscheinend hat ein auswärtiger Drogenhändler seine Türken-Gang mit ihrem russischen Anführer auf mich gehetzt. Ich ignoriere die drei Intelligenzallergiker und gehe an ihnen vorbei. Die Kehrwoche ruft. »Wassily, ist das nicht der Grufti, der alle Russen und Türken hasst, die nicht in Baden-Württemberg geboren sind? Das hat mir der Araber aus der Palisander-Bar erzählt. Du weißt schon, der Mustafa, der uns dort immer das Gras verkauft.« Der große Ali Baba beginnt zu grinsen. »Genau, Wassily. Der hat mir auch gesagt, dass der pädophile Nazi früher mehrfach im Knast gesessen hat. Und jetzt spielt er in Galgenburg den resozialisierten Rentner. Wassily, pass bloß auf deine Freundin auf, damit der Kinderschänder nicht an ihren Hupen spielt.« Das Gelächter geht weiter. Seit wann bin ich ein Nazi? Ein Kinderschänder bin ich schon gar nicht und im Knast war ich auch nicht! Und was sind Hupen? Jetzt wird mir klar, dass diese Bande es auf mich abgesehen haben. Die Generation V wie Vollassis hat ihre Strategien, um ältere Menschen aufs Abstellgleis zu stellen. Früher hat der Wutbürger noch auf offener Straße das sachliche Streitgespräch

gesucht. Heute wird gnadenlos in Rudelbildung gemobbt, was das Zeug hält. Dabei wird keine Rücksicht auf wehrlose Frauen, Kinder oder Rentner genommen. Bei diesen rhetorischen Fights versuchen die pubertierenden Migranten und Jugendlichen mit ihrer einstudierten Kiezsprache in einem Sprücheklopfer-Duell als Sieger hervorzugehen. Und wenn sie mit ihrem bekloppten Abkürzungsslang nichts erreichen, wird das Smartphone als Waffe gezückt und ein Video als Patrone verwendet. Bei diesem Ritual wird ein Trailer abgespielt und so getan, als ob man sich über einen Anwesenden lustig macht. In der heutigen Zeit wird nicht mehr mit einer Waffe scharf geschossen, sondern versucht, seinen wehrlosen Gegner lächerlich zu machen. »Wassily, der Spießer will uns kein Schutzgeld bezahlen.« Nachdem sie merken, dass ich auch darauf nicht reagiere, zückt das Mädchen ihr Smartphone. Ein Video startet. Lautes Gestöhne aus einem Porno wird in der Straße hörbar. »Ja, Alter. Nimm mich. Gib mir deinen gewaltigen Schw…« Das Mädchen stellt den Ton leiser, fängt an zu grinsen und zeigt mit ihrem Zeigefinger auf das Video. »Wassily, schau mal, der Grufti kriegt keinen mehr hoch!« »Kein Wunder, der ist doch viel zu alt, um in einem Porno mitzuspielen.« Die fünf Bandenmitglieder schauen sich gegenseitig an und warten, ob ich reagiere. »Aber irgendwie erinnert mich der alte Sack an ein bekanntes Gesicht. Ich glaube, der Pornodarsteller wohnt sogar hier in Galgenburg.« »Stimmt, jetzt wo du es sagst.« »Alter, der sieht aus wie der Grufti hier auf der Straße.«

Die fünf Straßenräuber fangen bestialisch an zu lachen. Mir wird sofort klar, wen die damit meinen. Okay, die wollen Krieg, dann bekommen sie Krieg. Offensichtlich wissen diese angriffslustigen Bandenmitglieder nicht, mit wem sie es hier zu tun haben. Obwohl ich für die Spackos ein alter Mann bin, kann ich mit den Halbstarken mental und physisch problemlos mithalten. Ich habe in meinem Nahkampf-Training bei Großmeister Shinjo die Abwehrtechniken gegen eine mehrköpfige Gruppe jahrelang trainiert. Wichtig ist immer, dass du alle Angreifer im Blickfeld hast. Ich drehe mich um und laufe auf die fünf Entmieter zu. Eigentlich habe ich mich unter Kontrolle, aber mein roter Kubotan will heute mal zeigen, was er kann. Deshalb greife ich jetzt in meine rechte Gesäßtasche und hole meine kleine Nahkampf-Waffe heraus. »Ali Baba und seine vier Räuber. Seit wann dürfen Gangster um diese Uhrzeit auf die Straße? Wollt ihr meine Goldzähne klauen?« Die fünf Intelligenzallergiker tun so, als ob sie erst jetzt auf mich aufmerksam geworden sind. Sie fangen an zu grinsen und zeigen mir ihre vergilbten Zähne. Das Mädchen wird frech. »Alter, was willst du? Wir sind nicht deine Ali Babas. Und rück deine Kohle raus. Wir wollen heute noch Party machen.« »Habibi, ich bin kein Pädo und Kohle hab ich für euch Schmarotzer schon gar nicht. Geht arbeiten, ihr perverses Pack und nervt nicht die Galgenburger mit eurer verblödeten Grammatik.« Jetzt sind sie erst mal ruhig und sehen sich gegenseitig an. Doch dieser Wassily will offensichtlich heute noch Randale. »Alter, jetzt laufen die Selbstmörder schon alleine in Galgenburg herum. Hast du deinen Strick zum Aufknüpfen dabei, Grufti? Wir können dir beim Strangulieren helfen. Rück deine Rente raus, die wir dir durch unsere Steuergelder finanzieren.« Ich werde sauer. »Kosake, zieh dir deine Unterlippe über die Stirn und schluck kräftig. Ich habe gleich fünf Stricke mitgebracht, damit ich nicht euretwegen

einzeln auf die Müllsammelstelle gehen muss!« Der kleine Ali Baba fühlt sich diskriminiert. »Hey, du Bastard. Du beleidigst uns in unserem Land. Wir sind auch Arier, so wie du. Wir sind fünf VIPs, die alle in Bolledorf geboren sind, du Penner!« »Aber ihr fünf Behinderten scheißt Pelmeni und Knoblauchzehen in deutsche Klos und ich Kartoffeln und Maultaschen. Und das ist der entscheidende Unterschied. Außerdem sind wir hier in Galgenburg und nicht in Bolledorf.« Jetzt meldet sich Wassily zu Wort. »Alter, der Grufti trägt voll den Fremdenhass in seinen Pampers! Der Typ ist voll der Pädo!« Kaum kommt das Wort »Pädo« aus seinem Mund, zücke ich meinen roten Kubotan. »Wassily, hast du schon mal das Kopfsteinpflaster geküsst?« Der russische Anführer schaut mich und meinen roten Kubotan erstaunt an. Das Mädchen fängt an zu lachen. »Alter, der verteidigt sich mit einem roten Dildo. Kannst du mir den mal ausleihen?« Die Gangsterbande macht sich weiterhin lustig über mich. Wassily wird als Erster wieder ernst. »Alter, isch zeige dir jetzt mal, wie sich ein Bolledorfer Russe gegen einen alten deutschen Sack verteidigt. Und nachdem ich dich abgestochen habe, fresse ich in Ruhe meine Pelemi und kack deine Toilette damit voll.« Er greift in seine Gesäßtasche und holt ein Klappmesser heraus. Ich schätze die Klinge auf etwa 20 Zentimeter. Ich nehme den Kubotan fest in die Hand und stelle mich in Position. Wassily fuchtelt mit seinem Messer vor mir herum und kommt langsam auf mich zu. »Alter, ich werde dir jetzt mal zeigen, was es bedeutet, einen Russen und seine türkischen Freunde auf offener Straße zu beleidigen.« »Schneid ihm seine verschrumpelten Eier ab, Wassily.«

»Mach ihn fertig, Wassily. Zeig ihm, wer die Herrscher der Hopfengasse sind.« Aha, es handelt sich also um einen Russen und sein verblödeter osmanischer Anhang. Ich habe es offensichtlich mit einem internationalen Verbrechersyndikat zu tun, das meinen roten Kubotan kennenlernen will. Jetzt weiß ich Bescheid. Ich fange an, mich schnell mit dem Körper von links nach rechts zu bewegen. Diese ruckartigen Bewegungen machen Wassily nervös. Ich muss den Russen provozieren, damit er näher kommt. Wenn er in meiner Reichweite ist, hat er keine Chance. Wassily stößt das Messer wütend nach vorne und steht jetzt etwa einen Meter vor mir. Ich laufe auf ihn zu, bücke mich blitzschnell und drücke den roten Kubotan mit einer kurzen Schnappbewegung meinem russischen Gegner seitlich in den Oberschenkel. Dort befindet sich ein Nervendruckpunkt, der erhebliche Schmerzen auslöst. Wassily fängt sofort an zu schreien und fällt auf den Boden. Das Mädchen wird wütend. »Dieses Schwein hat Wassily umgebracht. Los, macht doch was. Schneidet ihm die Eier ab.« Der große Ali Baba greift in seine Hosentasche und holt einen Schlagring heraus. Er steckt seine vier Finger hinein und geht in Kampfstellung. »Komm her, du dreckiger Bastard. Ich mache aus dir eine tote Fliege.« Unsere Auseinandersetzung hatte offensichtlich einige Mithörer, da sich plötzlich sich aus der Ferne eine unbekannte Stimme meldet. »Was ist hier los?« Aus der Dunkelheit treten zwei Polizeibeamte in mein Leben. Das kommt mir merkwürdig vor. Normalerweise siehst du uniformierte Dorfpolizisten um diese Zeit nie in der Innenstadt. Der große Ali Baba meldet sich als Erster zu Wort. »He, Langzeit-Securities! Gut, dass ihr kommt. Der Nazi hier hat uns

voll beleidigt. Der hat uns gedroht, dass er alle Ali Babas … äh … Asylanten mit seinem Messer abstechen wird. Dabei wollten wir nur helfen, weil er wegen seiner Demenz nicht wusste, wie er nach Hause kommen soll. Der Typ ist allgemeingefährlich. Dieser nachgemachte Hitler muss sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Alter, ich werde vor Gericht einen Vormund bestellen, damit er in die Klapse kommt. Wie die Britney Tears!« »Die heißt Spears, du Oberlusche.« Ich sehe mir die beiden Polizeibeamten von oben bis unten an. Beide sind fast zwei Meter groß. »Meine Herren, sie sind wie üblich viel zu spät. Der Überfall hat schon längst stattgefunden. Ohne meine jahrelange Erfahrung mit diesen Spackos würde ich jetzt tot im Straßengraben liegen. Das ist genau der Grund, warum sich gebrechliche Senioren in der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße trauen. Oder sind sie von der Drogenfahndung? Aber sie haben ja gar keinen Langhaardackel als Spürhund dabei!« »Werden Sie nicht unverschämt. Was ist hier vorgefallen?« »Der Russe auf dem Boden und die vier restlichen Bandenmitglieder wollten mir Viagra verkaufen, aber mir war der Preis zu hoch. Dann sind sie brutal geworden und haben mir gedroht, dass sie meine Mutter ficken, wenn ich nicht mit meiner Kohle rausrücke. Sie brauchen noch Taschengeld, weil sie heute Abend Shisha rauchen wollen. Schließlich hat der Russe sein Messer gezückt und ich habe ihn dann aus Notwehr mit meinem Kubotan etwas am Oberschenkel gekitzelt. Vor lauter Lachen ist er dann auf den Boden gefallen und hat sich beim Aufprall verletzt. Danach hat mir der große Osmane gedroht, dass er mich aus Rache für seinen russischen Kumpel ohnmächtig schlagen wird und mir im Koma meine Rente aus dem Portemonnaie klaut. So war es. Isch schwöre!« Der kleine Osmane wehrt sich. »Alter, das ist voll die unkorrekte Wahrheit. Der Nazi wollte uns mit

seinem spitzen Dildo abstechen. Guck, Alter, das Messer hat er doch noch in der Hand.« »Ali Baba, das ist weder ein Messer, noch ein Dildo. Bei der angeblichen Tatwaffe handelt es sich um einen Kubotan. Herr Wachtmeister, der Kubotan wurde vom BKA als ungefährlich eingestuft und fällt deshalb nicht unter das Waffengesetz. Der Kubotan ist keine gefährliche Hieb- und Stoßwaffe im Sinne des Waffengesetzes. Ihr Spackos habt von deutschen Gesetzen keine Ahnung. Dauernd verstoßt ihr gegen die Verfassung und das Grundgesetz. Außerdem hat der am Boden liegende Räuber ein Messer in der Hand. Herr Wachtmeister, der Russe wollte mich bestialisch abstechen. Mich, einen unbescholtenen Frührentner, der keiner Fliege was zuleide tun kann. Das sind feige Knoblauchzehen, Herr Kommissar! Die fünf Bestien müssen sie heute noch verhaften und nach Bolleberg abschieben.« Ich hole mein Smartphone aus der Gesäßtasche und öffne die Webseite des Bundeskriminalamts. Die gespeicherte Information mit dem Kubotan halte ich dem Drogenfahnder unter die Nase. Der liest sich den Artikel in Seelenruhe durch. »Der Mann hat recht. Darf ich mal ihre Personalausweise sehen? Und geben sie mir das Messer. Das Tragen von Messern in der Öffentlichkeit unterliegt dem Waffengesetz. Sie müssen mit einer Anzeige rechnen, da ihre Klinge länger als 12 Zentimeter ist.« Wassily wird sauer. »Alter, das ist voll unkorrekt. Der Typ holt einen roten Dildo von mindestens 15 Zentimeter Länge aus seiner Hosentasche heraus und mir wollen sie mein Rasiermesser für ihr Waffenmuseum klauen.« Das Mädchen schaut mich plötzlich lasziv an. »Alter, 15 Zentimeter ist meine Lieblingsgröße.« Der Dorfpolizist läuft auf den noch am Boden liegenden Wassily zu und reißt ihm das Messer aus seiner Hand. Ich hole meinen Ausweis heraus und halte ihn dem Wachtmeister von der grünen Truppe unter

die Nase. »Sie sind 62 Jahre alt, Herr Teufel?« »Genau, und ich trage auch noch keine falschen Zähne. Und im Gegensatz zu diesen fünf Spackos laufe ich nicht mit gefälschten Ausweisen herum.« Diese Antwort gefällt dem Mädchen überhaupt nicht. »Alter, der hat einen Perso geklaut. Der Typ sieht doch viel jünger aus. Wahrscheinlich ist der von seinem Opa, der gerade auf die Enkelkinder aufpasst.« Der Wachtmeister schaut die fünf Gestalten an und wird energisch. »Ihre Ausweise bitte!« Ich grinse vor mich hin. »Fragen sie die fünf Musketiere doch mal, ob sie etwas zu verzollen haben!« In der Zwischenzeit täuschen die fünf Bolledorfer einen Suchvorgang für ihre Ausweise vor. Der große Mobber meldet sich zu Wort: »Den Perso hab isch auf Toilette liegen lassen, als isch auf Klo in der Palisander-Bar war. Isch schwöre!« Der Wachtmeister blickt auf den Russen. »Und wie sieht es bei Ihnen aus?« Wassily liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden und wirkt leicht abwesend. »Ich weiß nicht, wo der ist. Ach so, den Perso hat meine Freundin im Ausschnitt, weil ich den sonst verliere. Dort ist er sicher, wenn ich Wodka getrunken habe.« Der Wachtmeister schaut auf das Mädchen. »Stimmt das?« »Isch bin nicht die Freundin von diesem Loser.« Der Russe wird wütend. »Hey, du Bitch, seit wann sind wir geschieden? Hol sofort den Perso aus deinen Hupen und spiel dich hier nicht als Chefin auf. Hier bin

immer noch ich der Boss, du Schlampe!« »Okay, Wassily, du willst es nicht anders. Dann soll aber der Bulle persönlich deinen Perso und die Euros von der letzten Schutzgelderpressung aus meinen Titten herausholen.« Die drei Osmanen fangen an zu grinsen, stecken ihre Hände in die Hosentaschen und kraulen provozierend mit den Fingern in ihren Stringtangas herum. Wassily erhebt sich langsam und humpelt zu seinen Freunden. Die beiden Drogenfahnder haben die Ruhe weg. »Gut, Herr Teufel, sie können nach Hause gehen. Die restlichen Anwesenden begleiten uns bitte zur Wache, damit wir dort ihre Personalien feststellen können. Wir müssen eine Anzeige wegen unerlaubtem Waffenbesitz aufnehmen.« Der große Ali Baba wird wütend. »Alter, und was ist mit dem deutschen Straftäter? Wird der jetzt begnadigt? Habibi, nur weil der Alman ist, wird er jetzt bevorzugt behandelt. Das ist voll der Rassismus. Der hat uns mit seiner gefälschten Jugendsprache misshandelt. Alter, isch werde mich beim Auswärtigen Amt über euch beschweren und eine Strafanzeige gegen den Grufti stellen.« Das Mädchen wird ausfallend. »Außerdem läuft der Grufti mit einem roten Dildo herum und versucht junge Bitches anzubaggern.« Die Polizeibeamten schauen sich gegenseitig an und fangen an zu lachen. Ich lache auch und verpasse dem großen Ali Baba noch einen Seitenhieb. »Ali Baba, hast du vorhin nicht gesagt, dass du in Bolleberg geboren bist? Seit wann muss ein Bolleberger sich beim Auswärtigen Amt beschweren? Oder hast du das Kaff mit Ankara verwechselt?« »Herr Teufel, halten sie sich bitte etwas zurück! Sie sehen doch, dass den fünf Anwesenden offensichtlich ihre Personalausweise abhandengekommen sind.«

Ich bleibe ruhig und entferne mich vom Tatort. Die fünf Bandenmitglieder schauen mich ungläubig an und gehen mit den zwei Drogenfahndern zur Galgenburger Polizeiwache. Wahrscheinlich hoffen sie, dass Kampfsport-Tarik sie mit einer Kaution aus der Scheiße befreien wird. Tarik ist in Galgenburg der Chef der Unterwelt. Der türkische Pate besitzt zwei Wettbüros, einen Puff und eine Kampfsportschule. Aber egal, ich muss jetzt zu meiner Kehrwoche.

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