SOS Notfallkurs Kommunikation zusammengefügt Flipbook PDF

SOS Notfallkurs Kommunikation Sie bemerken Störungen in der Interaktion mit Ihren Mitmenschen? Statt sachlichem Austausc

33 downloads 104 Views 45MB Size

Story Transcript

SOS Notfallkurs Kommunikation Stephanie Hohlfeld www.konsens-statt-konflikt.de


Einführung 1 Seien Sie positiv 7 Bleiben Sie bei sich. 19 Die Geschichte mit der Orange 36 Beschreiben, ohne zu bewerten 52 Die nonverbale Kommunikation 77 Nachwort 90


Einführung Hallo und herzlich Willkommen zu „Schon verstanden!“, einem Buch über Basisbausteine erfolgreicher Kommunikation. Falls wir uns noch nicht kennen: Mein Name ist Stephanie Hohlfeld. Ich bin Wirtschaftsjuristin LL.B., Mediatorin und Gründerin von Konsens statt Konflikt. Mein Beruf ist es sozusagen, Menschen zu erfolgreicher und harmonischer Kommunikation aber auch zu einem konstruktiven Umgang mit Konflikten zu verhelfen. Unser gesamtes Leben besteht aus einem komplizierten Geflecht der unterschiedlichsten Menschen. Der Bäcker an der Straßenecke, unser Straßenbahnfahrer, unsere Partner und Partnerinnen, unsere Kinder, unsere Eltern, unsere Freunde und Nachbarn, unsere Kollegen und Vorgesetzten - wir alle sind miteinander verwoben, unsere Leben greifen wie Zahnräder ineinander. Dabei ist ein erfolgreiches Zusammenleben unbedingt abhängig von der Qualität unseres Umgangs miteinander. Eine wesentliche Bedeutung kommt hierbei unserer Art zu kommunizieren zu.


Kennen Sie die Redewendung „Die Feder ist mächtiger als das Schwert“? Sie können mit Worten Menschen ebenso aufbauen wie vernichten. Die meisten von uns haben schon Situationen erlebt, in denen die Worte eines anderen uns förmlich erschüttert haben. Manche von uns hatten aber auch das Glück, Situationen erlebt zu haben, in denen wir mit Worten so sehr aufgebaut und ermutigt wurden, dass wir uns unbesiegbar gefühlt haben. Worte können unsere Emotionen zum Überschäumen bringen - im Positiven wie im Negativen. Können wir in unserem Privatleben noch weitestgehend selbst bestimmen, wen wir zum Partner nehmen und mit welchen Menschen wir uns anfreunden, so sind wir doch in der Wahl unserer Mitstreiter im Berufsleben deutlich eingeschränkter. Als Arbeitnehmer ist man gezwungen, mit den Kollegen und Vorgesetzten zu arbeiten, deren Positionierung andere ausgewählt haben. Die meisten von uns wünschen sich ein Lebensumfeld, in dem wir uns gegenseitig respektvoll und wertschätzend begegnen. Aber wie oft passiert es gerade im Berufsleben, dass wir uns stattdessen wiederfinden in einem nicht enden wollenden Konkurrenzgerangel, in dem jeder das Gefühl hat, seine Sache, seine Interessen und seine Belange kämen zu kurz, wenn man sich nicht lautstark und dominant genug Gehör verschafft. Das Ergebnis ist ein Miteinander, in dem


nichts mehr zu sehen ist von der ursprünglich angestrebten gegenseitigen Wertschätzung. Gerade deshalb ist es im Berufsleben so unbedingt wichtig, gute Kommunikationsregeln zu etablieren. Eine Führungskraft kann dafür sorgen, dass angemessene Regeln etabliert werden. Aber auch ohne Leitungsbefugnis können Sie durch das Vorleben eines guten Kommunikationsverhaltens für Frieden und Ruhe in Ihrer unmittelbaren Umgebung sorgen. Wie das geht? Die elementarsten Grundregeln, sozusagen das absolute Basiswissen dazu schauen wir uns in den folgenden Kapiteln an. Ein von unnötigen Konflikten bereinigtes Arbeitsumfeld ist eine Bereicherung für alle Beteiligten. Daher freue ich mich sehr, wenn ich einen Beitrag dazu leisten kann, den zwischenmenschlichen Umgang untereinander so zu verändern, dass unnötige Konflikte keinen Raum mehr bekommen. Wir alle wünschen uns doch, in unserem Berufswie Privatleben so angenommen zu werden, wie wir sind. Sie werden staunen, wie bereits kleine Veränderungen in Ihrem Kommunikationsverhalten große Veränderungen im zwischenmenschlichen Miteinander nach sich ziehen können. Aus Führungskräfte- oder Arbeitgebersicht leben wir heute in schwierigen Zeiten. Der Fachkräftemangel greift um sich


und wer gute und leistungsbreite Mitarbeiter bekommen und behalten möchte, muss sich etwas einfallen lassen. Ein angemessenes Gehalt zu bezahlen, von dem ein Mitarbeiter auch in den heutigen Zeiten leben kann, sollte hierbei eine Selbstverständlichkeit sein. Aber darüber hinaus müssen Sie sich ebenso angewöhnen, sich für ein Arbeitsumfeld verantwortlich zu fühlen, in dem es Ihren Mitarbeitern auch gut geht. Als Führungskraft ist genau dies eine Ihrer Aufgabe. Eine erfolgreiche Führungskraft kümmert sich um die Mitarbeiter, denn nur zufriedene Mitarbeiter können produktiv arbeiten. Geht es Ihren Mitarbeitern hingegen nicht gut, werden sie sich nach einer Umgebung umsehen, in der es sich besser leben lässt. Haben Sie schon einmal von dem Begriff „silent quitting“ gehört? Das ist eine Beschreibung für ein Verhalten von Mitarbeitern, die nicht mehr als das absolut notwendigste tun, um ihren Arbeitsvertrag gerade eben so noch zu erfüllen. Es ist bemerkenswert, dass dieses Verhalten von Mitarbeitern vor allem in Unternehmen auftritt, in denen das Bild, das vom Unternehmen nach außen dargestellt wird und die tatsächlich erlebte Wirklichkeit der Mitarbeiter innerhalb der Organisation weit auseinanderklaffen. Viele Unternehmen präsentieren sich gerne nach außen mit Slogans wie „Bei uns stehen die Mitarbeiter im Zentrum“ oder „Die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter ist unser


wichtigster Antrieb“. Sowas klingt natürlich prima, aber allzu oft stellt sich heraus, dass die Wahrheit ganz anders aussieht. Statt moderner Strukturen finden Mitarbeiter verstaubte Hierarchien. Statt respektvollem Miteinander ist Respekt in vielen Unternehmen bis heute eine Einbahnstraße, und sollte natürlich vom Arbeitnehmer aus gehen. Dies können und sollten wir ändern. Am besten beginnen wir damit, unsere Art der Kommunikation genauer unter die Lupe zu nehmen. Dies ist deshalb ein sinnvoller erster Schritt, weil der Großteil unserer Kommunikation unbewusst abläuft. Wir haben uns über Jahre einen gewissen Kommunikationsstil angewöhnt, der sich aus all unseren Erfahrungen entwickelt hat. Manche dieser Entwicklungen sind gut, andere weniger gut geeignet, um erfolgreiche Gespräche zu führen. Wenn wir nun bewusst gute Kommunikationsregeln etablieren wollen, müssen wir uns also erstmal ansehen, wie unsere eigene Kommunikation eigentlich aussieht. Die gesprochene Kommunikation ist der direkteste Weg zur Kontaktaufnahme zwischen uns Menschen und gleichzeitig der Aspekt. Ich kann Ihnen versichern, dass eine Optimierung des eigenen Kommunikationsverhaltens ein wichtiger Baustein ist bei der Verhinderung unnötiger Konflikte und hin zu einem harmonischen Arbeitsumfeld, in dem ihre Mitarbeiter gern hingehen. Manchmal sogar ganz ohne Montagsblues.


Dieses Buch ist so konzipiert, dass ich Ihnen in fünf Kapiteln fünf Bausteine guter Kommunikation erläutere. Idealerweise lesen Sie sich jeden Morgen eins dieser Kapitel durch und nutzen den Tag, um sich selbst und Ihr Verhalten in der jeweiligen Hinsicht erst einmal zu beobachten. Machen Sie sich erst einmal bewusst, wie Sie selbst in der jeweiligen Disziplin agieren. Wenn Sie sich von sich selbst ein erstes Bild gemacht haben, setzen Sie ganz bewusst erste Veränderungen in der jeweiligen Richtung um. Nehmen Sie sich selbst aber auch Ihre Mitmenschen bewusst unter die Lupe. Den größten Teil unseres Kommunikationsverhaltens praktizieren wir nämlich unbewusst. Deshalb ist es so bedeutsam, unser Verhalten ganz aufmerksam und nüchtern zu betrachten. Sie glauben, Sie kennen sich? Ich sage, Sie werden noch ganz schön über sich selbst staunen. Keine Sorge: Wenn wir uns nach und nach die einzelnen Teile dieser Kommunikationsregeln vornehmen, wird es Ihnen leichtfallen, neu erworbene Erkenntnisse kontinuierlich umzusetzen.


Seien Sie positiv In einer meiner Anstellungen hatte ich eine Chefin, die sich unbeschreiblich unkonkret ausgedrückt hat. Aus ihren Anweisungen wurde niemand so recht schlau. Dabei war Sie gleichzeitig recht herrisch und duldete keinen Widerspruch, geschweige denn Kritik an sich selbst. Zeit für Erklärungen hatte sie regelmäßig nicht und schickte die Mitarbeiter mit unwirschen Gesten hinaus. Man konnte den jeweiligen Kollegen die Verunsicherung im Gesicht regelmäßig ansehen. War das Ergebnis dann schließlich ein anderes als die Chefin es sich vorgestellt hatte, war der Schuldige natürlich schnell gefunden: Der jeweilige Mitarbeiter hatte garantiert nicht vernünftig zugehört! Das passierte schließlich ständig. Ich muss Ihnen wahrscheinlich nicht erzählen, mit wieviel Frust die Mitarbeiter dieser Firma ihrer Arbeit oftmals nachgegangen sind. Eine Vielzahl von zwischenmenschlichen Missklängen und Konflikten entsteht durch Missverständnisse, ausgelöst durch Ungenauigkeiten in unserer Kommunikation. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine möglichst exakte und


konkrete Kommunikation Missverständnisse und damit unnötige Konflikte effektiv verhindert. In diesem ersten Kapitel beschäftigen wir uns mit der Bedeutung von positiven Formulierungen. Dabei sprechen wir hier nicht davon, jeden noch so geringfügigen Einsatz Ihrer Mitarbeiter und Kollegen mit überschwänglichen Lobeshymnen zu würdigen, um bloß jede Form von Kritik zu vermeiden. Nein, positive Formulierungen zu verwenden, bedeutet kurz gesagt: Sagen Sie Ihren Mitmenschen immer in erster Linie, was sie wollen und nicht, was sie nicht wollen. Gerade als Führungskraft sind wir oft problemfokussiert. Es gehört schlicht zu ihrem Aufgabenprofil, auf Stolpersteine in den Arbeitsabläufen zu reagieren. Folglich beschäftigen sie sich vielfach mit der Aufgabenstellung, welche Probleme und unerwünschten Folgen vermieden werden sollen. Dies hat jedoch oftmals Einfluss auf unsere Art zu kommunizieren. Legt man seinen Fokus in der Sprache in zu großem Maße auf die zu vermeidenden Aspekte, besteht ein großes Risiko dafür, wichtige Informationen in den Anweisungen zu vergessen. Dadurch wird die Botschaft unkonkret.


Lassen Sie mich dies an einem Beispiel erläutern: Der Chef einer Firma nimmt nach einem Meeting einen seiner Abteilungsleiter zur Seite und sagt: „Wir haben nächste Woche Donnerstag den nächsten Termin. Bitte legen Sie mir in der kommenden Woche den fälligen Bericht spätestens Mittwoch um 15:00 Uhr vor, damit ich mich mit den aktuellen Zahlen auf die nächste Besprechung vorbereiten kann.” Der Abteilungsleiter geht unverzüglich zu dem für die Berichterstellung verantwortlichen Mitarbeiter und sagt: „Der Chef war nicht zufrieden damit, den Bericht erst so spät erhalten zu haben. Bitte bringe mir nächste Woche die Unterlagen nicht wieder erst in letzter Minute. Wir benötigen selbst auch Zeit, uns vor dem Besprechungstermin auf die aktualisierten Zahlen vorzubereiten.” Sicherlich erahnen Sie nun schon, worauf die Geschichte hinausläuft: Am folgenden Mittwoch um 12:00 Uhr ist der Abteilungsleiter schon reichlich nervös denn die Zahlen für die Besprechung in dieser Woche liegen ihm noch immer nicht vor. Verärgert geht er in das Büro seines Mitarbeiters und fragt, wo denn nun der Bericht bliebe. Der Mitarbeiter antwortet entrüstet: „Ich brauche noch Zeit, um ihn fertig zu stellen. Du bekommst ihn spätestens um 15:00 Uhr.“


Der Abteilungsleiter ist entsetzt. „Ich habe Dir doch gesagt, wir brauchen die Zahlen früher. Wie stehe ich denn jetzt vor dem Chef da? Er will die Zahlen selbst schon um 15:00 haben. Wie soll ich das denn jetzt noch schaffen?“ Woraufhin der Mitarbeiter gekränkt antwortet: „Woher hätte ich das denn wissen sollen? Dann sag das nächste Mal gefälligst, was genau du von mir willst.“ und sich zurück zu seinem Monitor wendet. Er ist sichtlich verärgert und fühlt sich ungerecht behandelt. Wie hätte er auch wissen sollen, dass eine Ablieferung der Daten um 15:00 am Vortag vor dem nächsten Meeting immer noch zu spät ist? Schließlich waren die Zahlen in der Woche zuvor erst am Vormittag vor der Besprechung fertig gewesen. Darüber hinaus ist er auch gekränkt, dass sein Vorgesetzter einfach so annimmt, sein Mitarbeiter könnte die Daten zu jedem beliebigen Zeitpunkt zusammentragen. Immerhin ist er selbst auch davon abhängig, dass seine Kollegen die zu Grunde liegenden Informationen rechtzeitig ins System einpflegen. Sein Vorgesetzter hätte wenigstens fragen können, ob eine so frühe Berichterstellung überhaupt möglich ist, anstatt ihn dafür zu maßregeln, dass er nicht seine Gedanken lesen konnte.


So oder so ähnlich dürfte es um die Gefühls- und Gedankenwelt des Mitarbeiters bestellt sein. Die Stimmung zwischen den beiden ist gekippt, und für die nächsten Tage herrscht Eiszeitstimmung zwischen beiden. Dies ist ein zugegebenermaßen sehr offensichtliches Beispiel dafür, wie unterschiedlich der konkrete Informationsgehalt durch positive oder rein negative Formulierungen ausfallen kann. Der Chef hatte sich gegenüber dem Abteilungsleiter für eine positive Formulierung entschieden: Er hat ihm klar und deutlich mitgeteilt, welche Veränderung in der kommenden Woche er konkret zu dem Ablauf erwartet. „Bringen Sie mir den Bericht bis Mittwoch 15:00 Uhr.“ Seine Aussage war exakt und unmissverständlich. Er hat eine Deadline kommuniziert und auch eine kurze Begründung dafür abgegeben. Der Abteilungsleiter hat unmissverständlich gewusst, was genau der Chef von ihm erwartet. Missverständnisse waren nahezu ausgeschlossen. Der Abteilungsleiter hingegen hat sich für eine negative und damit unkonkrete Formulierung entschieden. Er wollte deutlich machen, welche Situation für ihn in dieser Woche unangenehm war und welche in der kommenden Woche unbedingt vermieden werden sollte. Sein Fokus lag auf dem Aspekt, den er zu verhindern gedachte.


Darüber hat er es jedoch versäumt, die Exaktheit aus der Erwartung des Chefs gleichsam zu kommunizieren. So hat er in seinem Gespräch mit seinem Mitarbeiter durch fehlende Informationen ein Missverständnis erzeugt. Der Mitarbeiter ist verständlicherweise verärgert, weil sein Vorgesetzter seine Anweisungen nicht konkret genug formuliert hat und ihm darüber hinaus auch noch eine Rüge erteilt hat. Solche Missverständnisse sind typisch für Kommunikationsfehler in unternehmerischen Hierarchien. Der Vorgesetzte verfolgte das Ziel, seinen Chef zufrieden zu stellen und zu vermeiden, dass dieser erneut unzufrieden reagiert. Der Fokus auf das zu vermeidende Element führte jedoch zu einem Mangel an Informationen für den ausführenden Mitarbeiter. Dieser hat es in seinem letzten Satz in aller Deutlichkeit gefordert: „Sag das nächste Mal genau, was Du willst!“ Wenn konkrete Details in einer Nachricht für Sie relevant sind, müssen Sie sich angewöhnen, diese Details auch ebenso konkret zu kommunizieren. Hierfür ist es unbedingt nötig, schon gleich zu Beginn Ihrer Anforderung zu sagen, was Sie wollen und nicht nur, was Sie nicht wollen. Die Information darüber, was Sie NICHT wollen, können Sie als Erläuterung


an die positive Formulierung anschließen. Aber beginnen Sie grundsätzlich mit dem, was Sie wollen. So bleiben Sie konkret und beugen Missverständnissen vor. Wie hätte die Kommunikation in unserem Beispiel besser funktionieren können? Der Abteilungsleiter hätte zu seinem Mitarbeiter beispielsweise sagen können: „Der Chef möchte den Bericht ab der kommenden Woche schon mittwochs um 15:00 bekommen. Das bedeutet, dass du mir künftig bitte die Zahlen bis spätestens Mittwoch 10:00 Uhr vorlegen müsstest, damit ich noch Gelegenheit habe, mich selbst damit vertraut zu machen. Ist das machbar?” Diese Kommunikation hätte auf vielen Ebenen Konfliktpotential verhindert: Der Abteilungsleiter hätte sich so zunächst einmal bei seinem Mitarbeiter informiert, ob die zeitliche Abfolge, die er sich vorstellt, überhaupt realisierbar ist. Möglicherweise liegen dem Mitarbeiter die zugrunde liegenden Zahlen noch gar nicht vor. So hätten sie sich sachlich abstimmen können und der Mitarbeiter hätte Gelegenheit gehabt, falls nötig eine andere Deadline vorzuschlagen. Und das Wichtigste: Der Mitarbeiter hätte ganz unmissverständlich gewusst, welche Veränderung sich der Chef und der Abteilungsleiter im Ablauf ganz konkret wünschen. Er hätte nicht raten müssen, welche Abgabefrist


vielleicht ausreichen könnte für eine Vorbereitung von Chef und Abteilungsleiter. Die Situation, in der er sich ungerecht behandelt fühlte, weil er eine Rüge erhielt obwohl die nötige Information in der Arbeitsanweisung gar nicht enthalten gewesen war, wäre ausgeblieben. Die ungeschickte Formulierung des Abteilungsleiters hat im Ausgangsfall zu einer spürbaren Störung in der Beziehung mit seinem Mitarbeiter geführt. Diese hätte er durch ein besseres Kommunikationsverhalten verhindert werden können. Wie steht es hierzu mit Ihnen? Sagen Sie regelmäßig und ganz konkret, was Sie wollen? Oder neigen Sie auch dazu, die Dinge zu betonen, die Sie vermeiden möchten und formulieren mitunter negativ statt positiv? Ihre Aufgabe für heute und die kommenden Tage besteht darin, sich selbst zu beobachten und zu überprüfen, ob Sie regelmäßig positiv formulieren oder doch häufiger einmal zu negativen Formulierungen tendieren. Probieren Sie den Unterschied einmal selbst aus. Statt: „Bitte gestalten Sie den Bericht nicht zu ausschweifend.“ sagen Sie: „Bitte beschränken Sie sich in dem Bericht auf die vier wichtigsten Punkte.“


Statt: „Verwenden Sie bitte nicht zu viel Zeit auf die Erstellung einer übermäßig langen Präsentation.“ sagen Sie: „Wir benötigen lediglich einen groben Überblick. Es reicht aus, wenn Sie in einer fünfzehnminütigen Präsentation die relevantesten Eckpfeiler zusammentragen.“ Statt: „Können wir bitte das Teammeeting nicht so spät ansetzen?“ sagen Sie: „Können wir bitte mit dem Teammeeting um 9.00 beginnen?“ Sehen Sie, wieviel konkreter die Aussage jedes einzelne Mal dadurch wird, dass sie positiv formuliert ist? Wenn Sie Missverständnissen vorbeugen wollen, ist dies die erste wichtige Aufgabe. Bereits seit vielen Jahren ist bekannt, dass unser Gehirn auf das Wort JA programmiert ist. Es tut sich schwer damit, das Wort NICHT zu verarbeiten. Das glauben Sie mir nicht? Dann bitte ich Sie jetzt, sich zur konzentrieren. Denken Sie jetzt bitte NICHT an einen roten Elefanten. Das ist schon alles. Bitte nicht an einen roten Elefanten denken. Na, hat es funktioniert? Wohl kaum. Sie haben den roten Elefanten in aller Deutlichkeit vor sich gesehen. Ihr Gehirn hat das Wort NICHT einfach komplett ignoriert.


Negative Formulierungen verwirren unser Gehirn. Das liegt daran, dass unsere beiden Gehirnhälften diese Nachricht unterschiedlich verarbeiten: In der linken Gehirnhälfte kommt die Botschaft inklusive Verneinung zwar an, die recht kann das Wort NICHT jedoch nicht einsortieren und streicht es deshalb weg. Das hat zur Folge, dass in den beiden Gehirnhälften jeweils unterschiedliche Botschaften angekommen sind. Dieser Umstand ist übrigens nicht nur bedeutsam dafür, wie wir mit anderen sprechen sollten, sondern auch mit uns selbst. Aus: „Ich möchte nicht mehr so unsicher auftreten.“, macht ihr Gehirn automatisch: „Ich möchte so unsicher auftreten.“. Ein Erfolg bleibt dadurch aus. Sagen Sie sich stattdessen: „Ich möchte selbstsicherer auftreten.“, kommt eine ganz andere Botschaft bei Ihrem Gehirn an. Man nennt solche Sätze Autosuggestion und diese funktioniert ausschließlich, wenn sie positiv formuliert ist. Ebenso verhält es sich mit dem Wort KEIN. Spüren Sie einmal die Unterschiedliche Wirkung: „Ich habe keine Angst vor dem nächsten Personalgespräch.“, oder „Ich gehe selbstsicher in das nächste Personalgespräch.“


„Ich werde mich nicht wieder ablenken lassen und dieses Mal keine Fehler in der Aufstellung machen.“, wird zu: „Ich werde mich konzentrieren und dadurch ein korrektes Ergebnis ermitteln.“ Aus: „Bitte machen Sie nicht wieder so lange Mittagspause.“, wird: „Ich möchte, dass Sie um 13:00 zurück im Büro sind.“ Die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns ist unglaublich. Aber sie ist auch störanfällig, wenn wir durch ungünstige Formulierungen missverständliche Daten abliefern. Zur Vermeidung von Missverständnissen und daraus resultierenden Konfliktsituationen tun wir also gut daran, Nachrichten so zu kommunizieren, dass sie beim Adressaten korrekt und fehlerfrei ankommen. Probieren Sie es heute gleich einmal aus. Beobachten Sie sich selbst im heutigen (Arbeits-) Alltag: Wie oft tendieren Sie zu negativen Formulierungen? Wieviel konkreter ist eine entsprechend positive Wortwahl? Falls Ihnen auffällt, dass Sie in gewissen Situationen tatsächlich zu negativen Formulierungen tendieren, gebe ich Ihnen noch eine Übungsaufgabe: Notieren Sie sich diese negativen Formulierungen und überlegen in einer ruhigen


Minute oder nach Feierabend, wie denn die entsprechende positive Formulierung ausfallen könnte. Die eigenen Beispiele zu verwenden, ist immer noch die beste Übung, die Sie machen können. Etablieren Sie die positiven Formulierungen jeden Tag ein wenig mehr in Ihr Kommunikationsverhalten anderen gegenüber aber auch in Ihren inneren Monologen mit sich selbst. So kann Ihr Gehirn Sie ideal bei der Erreichung Ihrer Ziele unterstützen. MERKSATZ: Sagen Sie immer zuerst, was genau Sie wollen und nicht, was Sie nicht wollen.


Bleiben Sie bei sich. In diesem zweiten Kapitel beschäftigen wir uns mit einem weiteren Aspekt der Konkretisierung in unserer Kommunikation, und zwar durch die Verwendung von Ich-Botschaften nach Thomas Gordon. Thomas Gordon war ein renommierter Psychologe in den USA. Ein wesentlicher Aspekt seiner Arbeit bestand in der Bedeutung von Ich-Botschaften im Rahmen einer erfolgreichen Kommunikation. In unsere Kommunikation finden viele Teilaspekte Einfluss: Die Worte, die wir sprechen, unser Tonfall, unsere Mimik und Gestik, sprich unsere Körpersprache gestalten die Wirkung unserer Kommunikation zu einem sehr großen Teil mit. Aber auch inhaltlich senden wir Informationen auf unterschiedlichen Ebenen: Wir übermitteln eine Information auf der Sachebene, wir kommunizieren einen Teil von uns selbst, wir teilen etwas über unsere Beziehung zu dem Informationsempfänger mit und wir äußern einen Appell. Diese vier Ebenen der Kommunikation hat der Kommunikationsforscher Friedemann Schulz von Thun in seinem berühmten Vier-Ohren-Modell hinreichend erläutert.


Falls Ihnen dieses Modell nicht geläufig ist, hier ein Beispiel: Ein Abteilungsleiter weist einen Mitarbeiter darauf hin, dass die Frist für die Fertigstellung eines Projektes in drei Wochen abläuft. Diese Äußerung kann er auf vier unterschiedlichen Ebenen bewerten: a) Dies kann er als reine Information meinen (Sachebene). b) Eventuell möchte er deutlich machen, dass er in Eile ist oder sich sorgt, ob die Frist eingehalten werden kann (Selbstoffenbarungsebene). c) Er kann deutlich machen, dass er der Weisungsbefugte der beiden Gesprächspartner ist und von seinem Mitarbeiter Auskunft oder Erfüllung der erteilten Aufgabe erwarten kann (Beziehungsebene). d) Und schließlich kann er mit diesem Satz den Mitarbeiter indirekt auffordern, das Arbeitstempo zu erhöhen, um die Fristwahrung zu gewährleisten (Appellebene). Der Psychologe Thomas Gordon hat nun in Bezugnahme auf diese vier Aspekte einer Nachricht deutlich gemacht, wie


elementar wichtig gerade der Selbstoffenbarungscharakter für eine erfolgreichen Kommunikation ist. Je mehr Sie in einer Nachricht bei sich bleiben und von sich selbst preisgeben, desto stärker ist die zwischenmenschliche Bindung, die Sie mit dem Gespräch erzeugen. Dies führt zu Identifikationen auf der jeweils anderen Seite. Dadurch erreichen Sie, dass sich Ihr Gegenüber ebenso mit ihren eigenen Vorstellungen identifiziert wie Sie selbst. In Botschaften, in denen Sie stark beim Du und weniger beim Ich bleiben, steckt oftmals nicht nur eine Anweisung oder Bitte, sondern es schwingt oftmals auch eine gewisse Kritik oder Unterstellung oder Vorwurf mit. Je weniger Sie beim Du und bei Vorwürfen gegenüber dem anderen sind, desto erfolgreicher kommunizieren Sie. Sehen wir uns hierzu wieder ein Beispiel an: In einer Agentur gibt es zwei Teams. Die Führungskraft aus Team 1 ist Frau Müller. Sie ist neu in diesem Team und steht zum ersten Mal auf dem Posten einer Führungskraft. Das zweite Team wird von Frau Schmidt angeführt. Sie ist bereits länger Führungskraft von Team 2 und hat auch einige Schulungen zum Thema Führung und Kommunikation absolviert. Nun sollen beide Teams ein Projekt fertigstellen. Die Abgabefrist hierzu ist sehr knapp bemessen. Das wissen alle Beteiligten.


Frau Müller ist nun wild entschlossen, sich als Teamleiterin zu bewähren. Sie ruft ihr Team zusammen und sagt: „Leute, ich weiß, wir haben nur wenig Zeit. Ich erwarte, dass sich jeder einzelne von euch jetzt mal so richtig reinhängt, damit wir pünktlich zum Abgabetermin fertig sind. Wir haben keine Zeit, wegen der knappen Frist zu jammern. Jetzt heißt es Ärmel hochkrempeln und anfangen!“ Nach dieser Besprechung stecken ihre Teammitglieder brüskiert die Köpfe zusammen. „Was war denn das für eine Ansprache?“ „Und was soll das denn überhaupt heißen: ‚Ich erwarte, dass ihr euch jetzt mal reinhängt!‘ Als ob wir das nicht sowieso schon immer tun.“ „Echt mal. Frau Chefin hat gesprochen.“ „Unsere Meinung ist hier mal wieder nicht gefragt.“ „Ja total von oben herab. Ich hätte nicht übel Lust, sie dieses Mal so richtig hängen zu lassen…“ Die Stimmung im Team ist ganz offensichtlich mehr als bescheiden. Die Mitarbeiter fühlen sich gegängelt und hören eine unterschwellige Kritik aus der Forderung, sich „jetzt einmal so richtig reinzuhängen“ heraus. Eventuelle Kritik an der Frist wird von Frau Müller von vornherein als „Gejammere“ deklariert.


Sie versucht, als starker Anführer aufzutreten, bringt dabei jedoch bloß die Mitglieder ihres Teams gegen sich auf. Frau Müller hat mit Ihrem Team gesprochen, als gehörte sie selbst gar nicht dazu, indem sie von außen eine Anordnung an die Mitarbeiter gestellt hat. Im anderen Team hat Frau Schmidt auch eine Besprechung anberaumt. „Ich weiß, die Frist ist super knapp. Aber mir ist es wirklich wichtig, dass wir alles tun, um sie einzuhalten. Ich möchte, dass wir der Geschäftsführung zeigen, was für ein starkes und kompetentes Team wir sind. Sie sollen sehen, dass man sich auf uns verlassen kann. Das stärkt unsere Position bei künftigen Absprachen zur Projektverteilung. Deshalb ist es mir persönlich sehr wichtig, dass wir diese Frist einhalten, auch wenn sie wirklich knapp bemessen ist. Bitte lasst uns kurz darüber sprechen, wie wir die einzelnen Aufgaben am besten verteilen können, um vor Ablauf der Deadline fertig werden zu können.“ Glauben Sie, im Team von Frau Schmidt wird es ebensolche Gespräche hinter vorgehaltener Hand im Team geben wie zwischen den Mitarbeitern von Frau Müller? Und aus Sicht eines Teammitgliedes: In wessen Team würden Sie arbeiten wollen? Von wessen Kommunikation fühlen Sie sich angesprochen? Welche Gefühle erzeugt die jeweilige Art der Ansprache in Ihnen ganz persönlich?


Versuchen Sie ruhig, dies zu für sich selbst einmal in Worte zu fassen. Frau Schmidt hat in ihrer Ansprache einige wesentliche Unterschiede gemacht. Finden Sie sie alle? 1) Sie hat von sich als Teil des Teams gesprochen. Keine Ansprache von oben herab, sondern ein „wir“ im Team. 2) Sie hat erklärt, warum es ihr ganz persönlich so wichtig ist, die Frist einzuhalten: Sie wünscht sich, dass ihr Team von der Geschäftsführung als stark und verlässlich wahrgenommen wird. Diese Aussage hat einen starken Selbstoffenbarungscharakter. 3) Sie hat auch erläutert, warum ihr das wichtig ist: Als ein zuverlässiges, starkes Team angesehen zu werden, kann Auswirkungen auf künftige Projektverteilungen haben 4) Anstatt zu unterstellen, das Team würde nicht schon immer alles geben, hat sie vorgeschlagen, gemeinsam eine Aufteilung der anstehenden Aufgaben vorzunehmen, um die knapp bemessene Zeit so gut wie möglich nutzen zu können. Was glauben Sie: Welches Team schafft die Abgabe in der vorgesehenen Zeit? Ich würde auf jeden Fall auf das Team von Frau Schmidt setzen.


Sie sehen, welch großen Unterschied eine Nachricht mit oder ohne starken Selbstoffenbarungscharakter hat. Sicherlich hat Frau Müller die gleichen Ziele und Absichten verfolgt wie Frau Schmidt. Sie hat sich sicher die gleichen Gedanken gemacht. Nur ist sie rhetorisch nicht so versiert wie Frau Schmidt. Frau Müller hat versucht, den Druck, den sie selbst gerade als neu positionierte Führungskraft in dieser Situation spürt, auf ihr Team zu übertragen damit sie ihn ebenso als Ansporn sieht wie sie selbst. Nur reagieren die meisten Menschen auf Druck instinktiv mit Ablehnung und Gegenwehr. Hoher Druck ist selten gesund. Unter Druck gerät unser Körper unter Stress und diesen versuchen wir instinktiv zu vermeiden. Auch fördert Druck nicht eben gerade die Qualität unserer Arbeit. Unter Druck reagieren wir weniger besonnen und überlegt als vielmehr impulsiv. Wir agieren weniger und reagieren mehr. Das wirkt sich auch auf das Ergebnis unserer Arbeit aus. Frau Schmidt hingegen hat es durch ihre Wortwahl und den hohen Anteil an Selbstoffenbarung geschafft, ihr Team mit in ein gemeinsames Boot zu holen. Dadurch, dass sie ihre innersten Beweggründe und Gedanken geteilt hat, haben sich ihre Teammitglieder mit ihr solidarisiert. So konnte sie erfolgreich ein Team zusammenhalten.


Sie sehen: Ich- und Du-Botschaften weisen sowohl hinsichtlich ihres Inhaltes als auch in ihrer Wirkung auf unsere Mitmenschen wesentliche Unterschiede auf. Bei Du-Botschaften thematisieren Sie vor allem Ihren Gesprächspartner und sein Verhalten. Dadurch enthalten DuBotschaften oft auch Bewertungen, nicht zuletzt auch Abwertungen. Sie wollen Kontrolle und Dominanz symbolisieren, indem Sie Ihrem Gegenüber sagen, was er oder sie zu tun hat. DuBotschaften haben einen starken Fokus auf Damit rücken Sie, ihr eigentliches Anliegen und ihre Emotionen leider in den Hintergrund, denn Ihre Mitarbeiter werden Sie eher an der herablassenden und bewertenden Art Ihrer Kommunikation aufreiben, anstatt sich mit dem Inhalt Ihrer Nachricht zu befassen. Bei Ich-Botschaften hingegen begegnen Sie Ihrem Gesprächspartner auf Augenhöhe. Sie zeigen Ihre Ziele, Ihre Emotionen und erklären auch mögliche Konsequenzen bestimmter Verhaltensweisen. Sie zwingen Ihre Sichtweise nicht auf und Sie greifen Ihren Gesprächspartner auch nicht an. Sie bewerten nicht und versuchen nicht, Kontrolle durch ein Gespräch von oben herab zu erzwingen. Für Führungskräfte ist es heute oftmals noch schwierig und ungewohnt, sich in ihrer Kommunikation auf Emotionen


einzulassen. Sehr lange haben wir gelernt, dass echte Führung von Stärke und Dominanz lebt. Aber wenn es Ihnen wichtig ist, die Inhalte Ihrer Botschaften transportiert zu wissen, dann sollten Sie eine Kommunikationsform wählen, die Ihre Mitarbeiter nicht zu spontaner Gegenwehr verleitet, sondern dazu veranlasst, sich auf den Inhalt der Nachricht einzulassen. Aufgrund des unterschwellig kommunizierten Vorwurfes von Du-Botschaften haben diese nämlich die Tendenz, Konflikte entstehen oder eskalieren zu lassen. Ihre Mitarbeiter werden sich dann an der Formulierung oder dem darin enthaltenen Vorwurf aufreiben, anstatt ihr eigenes Verhalten zu überdenken. Gegen jeden Angriff reagiert unser Gehirn nun einmal mit Fight or Flight, mit einem Gegenangriff oder mit der Flucht. Ein lautstarker Angriff auf das Verhalten Ihres Mitarbeiters wird aus diesem Grund offene oder versteckte Gegenangriffe nach sich ziehen. Im Konflikt geht man auf Distanz. Die Selbstoffenbarung der Ich-Botschaft schafft jedoch Nähe. Das erfordert natürlich eine gewisse Portion Mut. Etwas von sich selbst preis zu geben, erfordert mehr Courage als mit Vorwürfen um sich zu werfen. Deshalb neigen wir gerade in Konfliktsituationen eher zu Du-Botschaften.


Möchten wir jedoch eine Gesprächsatmosphäre etablieren, die keinen Raum für unnötige Konflikte lässt, brauchen wir ein Kommunikationsverhalten, das von Nähe und Verbundenheit anstatt von Distanz und Differenzen geprägt ist. Trauen Sie sich, diese Nähe zuzulassen und Sie werden eine ganz neue Art Teamgeist erschaffen. Aber Vorsicht: Nicht jeder Satz, der mit dem Wort „Ich“ beginnt, ist auch eine Ich-Botschaft. Beginnen Sätze mit „Ich will….“, „Ich erwarte….“ oder „Ich verlange….“, haben Sie zwar grammatikalisch ein „Ich“ vorangestellt, aber inhaltlich handelt es sich natürlich dennoch um Du-Botschaften. Kommt ihr Mitarbeiter beispielsweise regelmäßig zu Besprechungen zu spät, möchten Sie vielleicht manchmal schreien: „Verflixt nochmal, musst Du denn jedes Mal zu spät kommen?“ Stattdessen bemühen Sie sich, in beherrschtem Ton zu sagen: „Ich erwarte, dass Du künftig rechtzeitig kommst.“ Das ist zwar ein Satz, der mit dem Wort „Ich“ beginnt, aber im Grunde ist es doch eine „Du-sollst-gefälligstNachricht“. Solche Sätze üben einen starken Druck auf unser Gegenüber aus. Er oder sie wird sich angegriffen fühlen was zu einem wie auch immer gearteten Verteidigungsmechanismus führen wird. Die Devise lautet auch hier wieder: Fight or flight, Angriff oder Flucht. Das


bedeutet, unser Gegenüber wird entweder einen Gegenangriff starten, indem er seinerseits einen Vorwurf zurückwirft, oder er wird sich für die Flucht entscheiden, was nach außen hin wie Zustimmung aussehen kann, aber hinter vorgehaltener Hand wird er Ihnen grollen, sich zurückziehen und weitere Kommunikation mit Ihnen vermeiden. Dadurch riskieren Sie, relevante Informationen zukünftig zu verpassen. Sollten Sie dann auch noch den Fehler machen, Ihren Mitarbeiter oder Kollegen in Gegenwart anderer zu maßregeln, sieht er sich auch noch an den Pranger gestellt und vorgeführt und wird sich dem eigentlichen Gesprächsinhalt verweigern. Deshalb ist es so wichtig, gerade im Bereich von Kritik auf unsere Wortwahl zu achten: Wählen Sie aggressive Worte oder einen erhitzten Tonfall, kann es leicht passieren, dass sich Ihr Gegenüber mehr an der vermeintlich unangemessenen Art und Weise Ihrer Botschaft aufregt, anstatt sich mit deren Inhalt auseinanderzusetzen. Wenn Sie gegenüber Ihren Mitarbeitern beispielsweise unangemessen die Stimme erheben, werden Sie als Reaktion möglicherweise ein „Was glauben Sie eigentlich, wie Sie mit mir reden können?“ ernten. Ein Gespräch über den Inhalt des gesagten bleibt an dieser Stelle aus.


Vielleicht haben Sie es selbst schon einmal in Ihrem Berufsleben aus der anderen Perspektive erfahren: Wenn Ihr Vorgesetzter Sie mit lautstarkem Gebrüll von oben herab abgekanzelt hat, haben Sie sich da wirklich große Gedanken über den Inhalt des Gesagten gemacht? Oder waren Sie zornig aufgrund der Art und Weise des Gespräches? Ganz wichtig: Es geht nicht darum, dass Sie Ihre Teammitglieder mit Samthandschuhen anfassen sollen oder dass Sie keine aufrichtigen Disziplinargespräche mehr führen sollen. Ganz im Gegenteil: Seien Sie unbedingt aufrichtig und authentisch. Wie wichtig gerade Authentizität ist, werden wir in einem späteren Kapitel noch vertiefen. Wichtig ist an dieser Stelle, dass Sie verstehen, welche Kommunikation zielführend ist, und welches Kommunikationsverhalten Sie am gewünschten Ziel vorbei rauschen lässt. Das ist der Kern dieses Buches. Nicht Samthandschuhe, nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, nicht um Mitarbeiter herumschleichen mit bittendem Blick in der Hoffnung, sie würden vielleicht einsichtig werden. Es geht einzig und allein um die Effizienz der gewählten Kommunikationsstrategie.


In unserer Berufswelt hat sich ein von Dominanz geprägter Kommunikationsstil etabliert, der dem zwischenmenschlichen Respekt nicht angemessen ist. In Zeiten, in denen Mitarbeiter froh und dankbar sein mussten, überhaupt Arbeit zu finden, haben sie sich ein solches Verhalten von Vorgesetzten und Arbeitgebern gefallen gelassen. Diese Zeiten sind heute allerdings vorbei. Wenn Sie möchten, dass gute und qualifizierte Mitarbeiter bei Ihnen bleiben und effizient die anstehende Arbeit erledigen, müssen Sie lernen, dass dafür ein gutes Gehalt allein nicht ausreichend ist. Das ist lediglich die Mindestanforderung. Bedenken Sie immer folgendes: auch wenn Sie Ihren Teammitgliedern in der fachlichen Hierarchie übergeordnet sind, verdient jeder von uns auf der menschlichen Ebene den gleichen Respekt. Unternehmen, die diese Lektion nicht lernen wollen, werden künftig noch in einer ganz anderen Dimension vom Fachkräftemangel betroffen sein. Und wenn Sie diesen angemessenen Respekt in Ihrer Kommunikation vermissen lassen, werden sich die qualifizierten Mitarbeiter früher oder später nach einem Umfeld umsehen, in dem ihnen angemessen begegnet wird. Viele Führungskräfte und Arbeitgeber beklagen sich, man müsse heute seine Mitarbeiter hofieren.


Das ist jedoch keineswegs korrekt. Erkennen Sie an, dass Ihr Gegenüber den gleichen menschlichen Respekt verdient wie Sie selbst und lassen Sie diese Erkenntnis Einfluss nehmen auf Ihre Umgangsformen. Nicht mehr und nicht weniger. Schauen wir uns die Elemente einer echten Ich-Botschaft noch einmal an: Selbstoffenbarung Emotionen Konsequenzen Ziel Eine Ich-Botschaft wäre also beispielsweise: „Ich fühle mich gestört, wenn Du zu Besprechungen zu spät kommst (Selbstoffenbarung und Emotion), weil wir dann alle Tagesordnungspunkte von vorn ansprechen müssen (Konsequenz). Mir ist es wichtig, dass wir künftig alle gemeinsam zum abgesprochenen Termin beginnen (Ziel).“ Ich-Botschaften wiegen durch den Selbstoffenbarungsteil schwerer als Du-Botschaften. Sie sind weniger aggressiv und hinterlassen gleichzeitig einen stärkeren Eindruck, da sich Ihr Gesprächspartner in viel stärkerem Maße mit dem Inhalt der Nachricht als mit der Art und Weise auseinandersetzt.


Probieren Sie es einmal selbst aus: Statt „Du hast mich schon wieder eine halbe Stunde warten lassen!“, sagen Sie: „Ich bin verärgert, weil ich eine halbe Stunde auf Dich warten musste. Dabei habe ich selbst viel zu tun. Ich fühle mich nicht respektiert, wenn Du unsere Termine nicht einhältst.“ Statt „Wegen Deiner Trödelei kommen wir noch zu spät!“ Sagen Sie: „Mir ist es wichtig, dass wir rechtzeitig beim Kunden ankommen. Ich habe Sorge, dass wir sonst unnötig unter Zeitdruck geraten und deshalb nicht unsere bestmögliche Performance abliefern. Deshalb erwarte ich, dass wir pünktlich um 10:00 losfahren.“ Mir ist bewusst: Eine Umstellung auf diese Art der Kommunikation erfordert Mut und Sie werden vermutlich auch nicht von heute auf morgen Ihre Art der Formulierungen vollumfänglich umstellen können. Gerade wenn die Zeit drängt, neigen wir dazu, kurze und knappe Anweisungen zu geben, anstatt in einem angemessenen Gespräch auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren. Aber es lohnt sich, am eigenen Verhalten zu arbeiten. Sie schaffen damit eine Atmosphäre, in der man aufrichtig sein kann und in der man respektvoll miteinander über Inhalte spricht, anstatt respektlos über Formulierungen zu streiten.


Das Ergebnis ist eine grundsätzliche Veränderung der Gruppendynamik, die von respektvollem Umgang miteinander geprägt ist. Natürlich sind diese Formulierungen zunächst einmal länger als kurze knapp gebellte Anweisungen. Wenn Sie jedoch die Zeit hinzurechnen, die Sie im Nachgang damit verbringen müssen, die zwischenmenschlichen Unstimmigkeiten wieder aufzuarbeiten die durch unangemessenen Umgang miteinander entstehen, werden Sie schnell erkennen: Es lohnt sich von vornherein Kommunikationsregeln anzuwenden, bei denen sich niemand ungerecht behandelt fühlt. Nehmen Sie nun wieder Ihr eigenes Kommunikationsverhalten unter die Lupe. Sprechen Sie eher in Ich- oder in Du-Botschaften? Wie schnell kommen Sie mit Ich-Botschaften zum Ziel? Wie oft passiert es, dass Mitmenschen gekränkt reagieren, nicht wegen einer Botschaft an sich, sondern weil die Art und Weise als unangemessen empfunden wurde? Wieviel Zeit ist nötig, um Meinungsverschiedenheiten aufgrund von Verärgerungen aus unangenehm aufgefallenen Formulierungen aus dem Weg zu räumen? Und vergessen Sie auch die Lektion aus dem ersten Kapitel nicht. Erst wenn Sie diese Kommunikationsregeln Tag


für Tag in Ihren Alltag integrieren, werden Sie irgendwann zur Routine und zur Selbstverständlichkeit werden. MERKSATZ: Verwenden Sie Ich-Botschaften statt Du-Botschaften.


Die Geschichte mit der Orange In diesem Kapitel werden wir uns mit einem Aspekt beschäftigen, der ganz besonders wichtig ist bei Entstehung eines Konfliktes. Hier geht es vor allem darum, den Ausbruch eines echten Konfliktes oder zumindest seine Eskalation zu verhindern. Und zwar befassen wir uns heute mit der großen Frage nach dem „Warum?“. Lassen Sie mich Ihnen hierzu eine Geschichte aus meiner Mediatorenausbildung erzählen: Zwei Frauen Streiten um eine Orange. Beide wollen die Frucht unbedingt haben. Da die beiden sich nicht einigen können, wird ein Schiedsrichter bestimmt. Er soll eine möglichst gerechte Entscheidung treffen. Nach reiflicher Überlegung entscheidet er: „Ich werde die Orange in der Mitte durchschneiden. Jede von euch bekommt eine Hälfte.“ Die beiden Frauen sind zwar nicht so recht glücklich mit diesem Kompromiss, aber er ist eben besser als nichts – wie das bei Kompromissen eben so ist. Also stimmen sie zu. Die erste Frau nimmt ihre Hälfte, schält sie, wirft die Schale weg und isst das Fruchtfleisch.


Die zweite Frau nimmt ihre Hälfte, schält sie ebenfalls, legt das Fruchtfleisch zur Seite und benutzt die Schale zu backen. Hätte sich der Schiedsrichter also die Mühe gemacht, nach dem „Warum?“ der beiden Frauen zu fragen, hätte er statt eines schlechten Kompromisses, der keinen so wirklich glücklich gemacht hat, einen idealen Konsens gefunden, in dem jede der beiden exakt das bekommen hätte, was sie wirklich brauchte. Ein solcher Konsens ist übrigens das erklärte Ziel einer jeden Mediation. Deshalb ist der Konsens auch ein elementarer Teil meines Firmennamens. Ein Kompromiss ist immer ein sich treffen auf halber Strecke. Das bedeutet also auch immer: Jeder muss sich ein Stück weit von seinen Vorstellungen, Wünschen und Bedürfnisse verabschieden. Oder anders gesagt: Niemand bekommt so ganz, was er eigentlich möchte und damit auch nicht, was er eigentlich braucht. Ein Konsens hingegen ist eine Lösung, in der die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt und kombiniert werden.


In der Mediation gehen wir ganz gezielt auf die Suche nach solchen Lösungen, denn nur diese sind in der Lage, dauerhaft und tragfähig eine Basis für das weitere Miteinander zu bieten. Uns Menschen gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen. Groß oder klein, dick oder dünn, jung oder alt, blond oder brünett, hellhäutig oder dunkelhäutig, von spießig bis punkig, laut oder leise. So unterschiedlich wir aus der Ferne auch aussehen mögen, sind wir alle doch als Menschen gleich. Denn alle Menschen haben die gleichen Bedürfnisse. So gibt es Bedürfnisse nach Nahrung, Wasser, Kleidung und Schlaf. Dies sind körperliche Bedürfnisse. Darüber hinaus gibt es noch weitere Kategorien, zunächst einmal die sogenannten Sicherheitsbedürfnisse. Hier geht es um die Bedürfnisse nach finanzieller Sicherheit, körperlicher Unversehrtheit, Schutz unseres Heimes und unseres Lebens. Bei den hinzu bestehenden Sozialbedürfnissen handelt es sich um das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit in und außerhalb unserer Familie, Anerkennung und Wertschätzung von anderen. Ganz oben auf der Pyramide der Bedürfnisse steht der Wunsch nach Selbstverwirklichung. Dabei ist es übrigens völlig unerheblich, ob sich jemand lieber als Mutter oder Vater, als Marathonläufer, als Maler oder Sänger oder im Rahmen eines erlernten Berufes verwirklichen


möchte. Jeder von uns setzt seine Leidenschaften an andere Stellen. Das ist je nach Persönlichkeit, Fähigkeiten und Charakter bei jedem von uns individuell. Gemeinsam ist bei uns allen jedoch, dass die Ursache unsers Handelns grundsätzliche eins dieser Bedürfnisse steht. Hinter allem, was wir tun wollen und sagen und übrigens auch hinter allem, was wir nicht tun wollen, steckt ein solches Grundbedürfnis. Stellen Sie es sich einmal vor in einem Bild von unterschiedlichen Fässern. Jedes menschliche Bedürfnis hat ein eigenes kleines Fass. Wird das jeweilige Bedürfnis regelmäßig bedient, sind die vielen Fässer auch einigermaßen gut gefüllt. Wir sind im Großen und Ganzen recht zufrieden. Das ein oder andere Fass könnte vielleicht etwas voller sein, aber echte Unzufriedenheit kommt nicht auf. Kommen unsere Bedürfnisse allerdings zu kurz und sind die jeweiligen Fässer leer, spüren wir diesen Mangel und wollen ihn beseitigen. Vom Auszubildenden bis zum Vorstandsvorsitzenden - wir alle sind gleich in diesem Verhalten. Und was noch wichtiger ist: Wir alle haben auch das gleiche Recht auf die Erfüllung unserer Bedürfnisse. Das bedeutet auch, dass sich oftmals mehrere Menschen um die gleiche Sache bemühen, weil eins ihrer Bedürfnisse


aktuell dringend bedient werden möchte. Versuchen nun, mehrere Menschen ihre teils sogar unterschiedlichen Bedürfnisse mit den gleichen Dingen, Aufgaben oder Belohnungen zu bedienen, entsteht ein Konflikt, ein sogenannter Konkurrenzkonflikt. Um diesen bestmöglich auszuräumen und zu erreichen, dass alle soweit möglich ihre Fässer gefüllt haben, Deshalb ist es von so großer Bedeutung für den Verlauf dieser Konflikte, die zugrundeliegenden Bedürfnissen zu erkennen. Ich möchte Ihnen eine an dieser Stelle ein Beispiel aus der Praxis erzählen, um die Bedeutung für Ihren Arbeitsalltag zu verdeutlichen: In einer Abteilung wird die Leitung eines Projektes ausgeschrieben. Diese Position bedeutet nicht nur eine höhere Stellung im Unternehmen, sondern auch einer Erhöhung des Gehaltes. Zwei Männer bewerben sich um diesen Posten. Sie wollen beide unbedingt diese Position übernehmen und sind in ihren Bemühungen darum sehr hartnäckig. Irgendwann beschränken sie sich nicht mehr darauf, für sich selbst als Kandidat zu werben, sondern machen ihren jeweiligen Kontrahenten mit bissigen Kommentaren schlecht.


Das ehemals gute Verhältnis zwischen den beiden ist gestört. Ein ausgewachsener Lagerkampf droht. Der Abteilungsleiter weiß aber um die immense Relevanz der Bedürfnisse und um ihre Auslöserfunktion für unser Verhalten. Er weiß, dass es in den meisten Fällen eine Lösung gibt, die beiden gerecht werden kann. Also bestellt er nacheinander die beiden Mitarbeiter zu Einzelgesprächen ein und macht sich auf die Suche nach ihrem jeweiligen Warum. Dabei findet er heraus, dass sich der erste Bewerber bereits im Studium mit dem Thema dieses Projektes befasst hat. Er brennt für dieses Themengebiet und möchte nun um jeden Preis die Gelegenheit ergattern, seine langjährig erworbenen Kenntnisse in der Praxis umzusetzen. Sein Bedürfnis lautet also: Selbstverwirklichung. Der zweite Kollege erklärt nach einiger Zeit des Zögerns, dass die Firma, in der seine Frau arbeitete, Insolvenz anmelden musste, weshalb sie kurzfristig ihren Job verloren hatte. Die Familie hat zwei kleine Kinder und nun ist der Familienvater, der über Nacht Alleinverdiener geworden ist, mächtig unter Druck. Ihm geht es also weniger um den Inhalt


dieses Projektes als um eine Gelegenheit, ein höheres Gehalt zu erzielen, um seine Familie zu versorgen. Sein Bedürfnis lautet also: Finanzielle und körperliche Sicherheit. Als der Abteilungsleiter erkannte, dass der erste Bewerber einen konkreten Bezug zu eben dieser ausgeschriebenen Aufgabe hatte, übertrug er diesem die Leitung des umkämpften Projektes. Dem anderen Bewerber übertrug er eine inhaltlich gänzlich andere Aufgabe, die jedoch ebenfalls eine Gehaltserhöhung nach sich zog. So konnte er beiden Mitarbeitern helfen, ihre jeweils drängenden Bedürfnisse zu bedienen. Diese Lösung ist ein Beispiel für einen Konsens. Es hat nicht wie bei einem Kompromiss jeder der beiden eine halbe Lösung erhalten, sondern der Abteilungsleiter hat ein Ergebnis gefunden, in dem die Bedürfnisse beider Kandidaten ausreichend bedient werden konnten. Dies ist ihm nur möglich gewesen, weil er sich auf die Suche gemacht hat nach den tieferliegenden Bedürfnissen, die die beiden Bewerber dazu bewogen hatten, um diese Position zu kämpfen. Hätte er dies nicht getan und hätte die Stelle an den ersten Bewerber vergeben, weil er fachlich stärker dafür qualifiziert,


war als der zweite und den zweiten leer ausgehen lassen, hätte sich der Familienvater möglicherweise gezwungen gesehen, sich in einem anderen Unternehmen für eine höher dotierte Stelle zu bewerben, weil er für das finanzielle Loch in seiner Familienkasse eine Lösung herbeiführen musste. In dem Fall hätte die Firma einen qualifizierten und zuverlässigen Mitarbeiter verloren und mit ihm sein gesamtes auf diese Firma zugeschnittenes Fachwissen. Suchen Sie in einem sich anbahnenden Konkurrenzkonflikt deshalb immer nach dem Warum. Wenn Sie herausgefunden haben, welche Bedürfnisse hinter den vorgetragenen Wünschen stecken, lassen sich in fast allen Fällen Lösungen finden, durch die alle Beteiligten die Gelegenheit bekommen, ihre Bedürfnisse zu bedienen. Solche Lösungen werden im Gegensatz zu schalen Kompromissen auch von allen Beteiligten getragen und umgesetzt. Außerdem ist es typisch, dass wir alle mit all unserer Macht die Erfüllung unserer Bedürfnisse zu verteidigen versuchen. Das ist ein Verhalten, das ganz instinktiv erfolgt, als Teil unseres Selbstverteidigungsreflexes. Hat also einer Ihrer Mitarbeiter regelmäßig das Gefühl, dass seine Bedürfnisse zu kurz kommen, wird das gravierende Auswirkungen auf sein Verhalten am Arbeitsplatz, seine Verlässlichkeit und der Qualität seiner Arbeit widerspiegeln.


Vielleicht wird sich Ihr Mitarbeiter in dem Falls auch frustriert nach einem anderen Arbeitgeber umsehen in der Hoffnung, dort mehr Berücksichtigung zu finden. Schauen Sie sich einmal die Berufe an, die fast täglich mit ihren großen Schwierigkeiten aufgrund von Personalmangel in der Presse zu finden sind: Der Mangel an Pflegekräften beispielsweise resultiert nicht daraus, dass niemand mehr einem Pflegeberuf nachgehen möchten, weil die Tätigkeit als solche so unbeliebt ist. Ich habe schon einige Menschen kennengelernt, die ursprünglich in diesem Bereich gearbeitet haben und die heute in ganz anderen Berufen tätig sind. Keiner von ihnen hat allerdings die Liebe zum eigentlichen Beruf verloren. Sie alle berichten übereinstimmend, dass die Liebe zur Pflege und zu den Menschen sie im Gegenteil viel länger in diesem Beruf gehalten haben als im Nachhinein betrachtet gesund für sie selbst gewesen ist. Abgewandt haben sie sich aufgrund der unzumutbar langen körperlich höchst anspruchsvollen Schichten, die häufig noch in Unterbesetzung zu leisten sind und entlohnt werden mit nicht angemessener Bezahlung. Überlegen Sie einmal, welche Bedürfnisse hinter diesen Vorwürfen steckt:


- Das Bedürfnis nach finanzieller Sicherheit. - Das Bedürfnis nach körperlicher Gesundheit. - Das Bedürfnis nach seelischer Gesundheit. - Das Bedürfnis nach Schlaf und Erholung. Würden Sie dauerhaft in einer beruflichen Situation verharren, in der derart viele so elementare Bedürfnisse unbedient bleiben? Es sind wichtige Grundbedürfnisse aller Menschen, die hier systematisch bedroht werden. Und diese Erkenntnis lässt sich letztendlich auf alle Branchen und auch Unternehmen übertragen, die mit Personalmangel zu kämpfen haben. Ist ein Unternehmen für unterdurchschnittliche Gehälter bei der Pflicht zu unbezahlten Überstunden bekannt, wird es schwerlich gute Mitarbeiter finden. Ein Handwerksbetrieb, der dafür bekannt ist, Sicherheitsbestimmungen eher als grobe Empfehlungen auf die leichte Schulter zu nehmen, wird kaum gute Mitarbeiter finden. Viel zu groß ist ihre Sorge um ihre körperliche Gesundheit. Im Großen wie im Kleinen: Es dreht sich alles um die Erfüllung unserer Grundbedürfnisse.


Es lohnt sich also immer, zu fragen: Warum möchtest Du das? Warum möchtest Du das nicht? Was brauchst Du wirklich? Suchen Sie nach einem möglichen Konsens, in dem möglichst niemand das Gefühl bekommen, seine oder ihre Bedürfnisse würden regelmäßig keine Berücksichtigung finden. Ganz nebenbei: Dies ist auch ein wichtiger Aspekt in ihren privaten Beziehungen. In Paarstreitigkeiten stecken ebenso zu kurz gekommene Grundbedürfnisse. Wenn Sie und Ihr Partner / Ihre Partnerin es sich zur Aufgabe machen, in solchen Streitgesprächen ganz offen über die Bedürfnisse zu sprechen, um die es Ihnen eigentlich geht, werden Sie viel schneller zu Lösungen finden, die Sie beide zufriedenstellen. Aber zurück ins Berufsleben. Wie bringen wir hier die Menschen dazu, sich uns zu öffnen? Immerhin machen sie sich dadurch zunächst einmal verletzlich. Es gehört eine große Portion Vertrauen in die Führungskraft dazu, um so frei seine innersten Beweggründe preiszugeben. Als erstes sollten Sie beachten, solche Gespräche als Einzelgespräche zu führen. Sich einem einzelnen Menschen in einem geschlossenen und zur Verschwiegenheit


verpflichteten Raum zu öffnen, ist schon eine deutlich geringere Herausforderung als dies vor einer ganzen Gruppe zu tun. Eine zugegeben für mich anfangs sehr gewöhnungsbedürftige Technik besteht im fünf Mal „Warum?“ fragen. Wenn Sie bei jeder Antwort, die Sie erhalten aufs Neue nach dem Warum, also nach dem Hintergrund fragen, kommen Sie Schicht für Schicht dichter an den Kern heran. Aber ganz wichtig: Die Zahl fünf ist hierbei bitte nicht als fester Wert zu verstehen. Sie müssen nicht exakt fünf Mal immer wieder die Frage „Warum“ wiederholen, obwohl Sie bereits nach der dritten Frage zum Kern vorgedrungen sind. Vielmehr geht es darum, stufenweise nach den Hintergründen für eine Antwort zu fragen, um immer tiefer zur eigentlichen Wurzel und den eigentlichen Beweggründen vorzudringen. Sehen Sie sich einmal die folgende Entwicklung eines Gespräches an: „Ich möchte die Leitung dieses Projektes Übernehmen!“ „Warum möchtest Du das?“ „Das Thema fällt genau in mein Gebiet. Es ist wie für mich gemacht.“


„Warum ist es so ideal für Dich?“ „Ich habe Weiterbildungen gemacht und möchte mich jetzt bewähren.“ „Warum ist Dir das wichtig?“ „Weil ich weiterkommen und mich weiterentwickeln möchte.“ „Warum möchtest Du Dich weiterentwickeln?“ „Weil ich einmal mehr Geld verdienen möchte als jetzt. Und ich möchte mich in dem Bereich verwirklichen, der mir liegt.“ Dieses Beispiel veranschaulicht, dass Sie sich Stufe für Stufe zur Wurzel, zu den zu bedienenden Grundbedürfnissen vorarbeiten. Die Gesprächsentwicklung zeigt, wie Sie nach jeder Frage tiefer an die Hintergründe für die Wünsche Ihres Mitarbeiters gelangen. Ursprünglich entstanden ist diese Gesprächstechnik für die Klärung von ins Stocken geratener Prozessabläufe. „Ich kann nicht drucken.“ „Warum nicht?“ „Die Patronen sind leer.“ „Warum wurden sie noch nicht ausgetauscht?“ „Weil keine vollen Patronen vorrätig sind.“ „Warum haben wir davon keinen Vorrat?“ „Weil niemand neue bestellt hat.“ „Warum hat niemand bestellt?“


Get in touch

Social

© Copyright 2013 - 2024 MYDOKUMENT.COM - All rights reserved.